Ansichten eines Informatikers

Die juristische Einstufung von „Ausländer raus“

Hadmut
26.5.2024 14:37

Ich will Euch ja wirklich nicht den Spaß an Eurer Hausdurchsuchung oder fristlosen Kündigung verderben, aber weil wir doch gerade das große Grundrechtsjubiläum haben …

Das Bundesverfassungsgericht hat am 4.2.2010, 1 BvR 369/04, beschlossen, dass „Ausländer raus“ von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht ohne weiteres Volksverhetzung ist:

2. Die Aussagen auf dem Plakat „Aktion Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Meinungen genießen den Schutz der Meinungsfreiheit, ohne dass es dabei auf deren Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit ankäme. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7>; 85, 1 <14 f.>; 90, 241 <247>). Geschützt sind damit – in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG – auch rechtsextremistische Meinungen (vgl. BVerfGK 7, 221 <227>; 8, 159 <163>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2008 – 1 BvQ 43/08 -, juris Rn. 22). In der Bestrafung wegen dieser Aussage liegt ein Eingriff in dieses Grundrecht.

26

3. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b StGB gehört.

27

a) Bei der Auslegung und Anwendung strafrechtlicher Vorschriften haben die Gerichte dem eingeschränkten Grundrecht der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 94, 1 <8>; stRspr). In öffentlichen Angelegenheiten gilt die Vermutung zugunsten der freien Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; stRspr). Die Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren (vgl. BVerfGK 2, 1 <5>).

aa) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen ist zum einen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Die Deutung des objektiven Sinngehalts einer Meinungsäußerung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>). Hierbei dürfen die Gerichte der Meinungsäußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, ehe sie andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen haben. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen schließen zwar nicht aus, dass die Verurteilung auf ein Auseinanderfallen von sprachlicher Fassung und objektivem Sinn gestützt wird (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>), wie dies insbesondere auf in der Äußerung verdeckt enthaltene Aussagen zutrifft. Eine solche Interpretation muss aber unvermeidlich über die reine Wortinterpretation hinausgehen und bedarf daher der Heranziehung weiterer, dem Text nicht unmittelbar zu entnehmender Gesichtspunkte und Maßstäbe. Diese müssen ihrerseits mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar sein (vgl. BVerfGE 43, 130 <139 f.>). Auf eine im Zusammenspiel der offenen Aussagen verdeckt enthaltene zusätzliche Aussage darf die Verurteilung zu einer Sanktion oder vergleichbar einschüchternd wirkende Rechtsfolgen daher nur gestützt werden, wenn sich die verdeckte Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 967/05 -, juris Rn. 29). Hierfür müssen die Gerichte die Umstände benennen, aus denen sich ein solches am Wortlaut der Äußerung nicht erkennbares abweichendes Verständnis ergibt. Fehlt es daran, so liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vor (vgl. BVerfGE 93, 266 <302 f.>).

29

bb) Zum anderen ist der wertsetzenden Bedeutung der Meinungsfreiheit auch auf der Ebene der Auslegung Rechnung zu tragen. Die Wahrung dieser wertsetzenden Bedeutung erfordert es grundsätzlich, dass eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem durch die Meinungsfreiheit beeinträchtigten Rechtsgut stattfindet. Die Meinungsfreiheit muss jedoch stets zurücktreten, wenn die Äußerung einer Meinung die Menschenwürde eines anderen antastet. Denn die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig (BVerfGE 93, 266 <293>; 107, 275 <284>).

30

Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>; 107, 275 <284>). Die Gerichte haben diesen die Belange der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt bei der Normauslegung insbesondere von Straftatbeständen zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. März 2008 – 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, S. 2907 <2909>).

31

Mit dem Begriff der Menschenwürde ist der soziale Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>). Dabei wird der Begriff der Menschenwürde häufig vom Verletzungsvorgang her beschrieben (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 27, 1 <6>; 30, 1 <25>; 72, 105 <115 ff.>). Angriffe auf die Menschenwürde können in Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und damit in allen Verhaltensweisen bestehen, die dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 87, 209 <228>; 107, 275 <284>). Damit übereinstimmend geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass allein die Verletzung der Ehre einer Person nicht als ein Angriff auf die Menschenwürde einzuordnen ist. Danach ist vielmehr erforderlich, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich mithin gegen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte, richten (vgl. BGHSt 36, 83 <90>; 40, 97 <100>; BGH, Urteil vom 3. April 2008 – 3 StR 394/07 -, juris Rn. 17). Diese Auslegung des Bundesgerichtshofs hat die Kammer für die Anwendung von § 130 StGB a.F. gebilligt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 -, NJW 2001, S. 61 <63>; vom 25. März 2008 – 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, S. 2907 <2909>). Bei der Subsumtion der Parole „Ausländer raus“ unter den Volksverhetzungstatbestand nehmen die Fachgerichte grundsätzlich eine restriktive Auslegung des Volksverhetzungstatbestandes vor (vgl. BGHSt 32, 310 <313>), indem sie nur unter Hinzutreten weiterer Begleitumstände von einem Angriff auf die Menschenwürde ausgehen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 2. November 1994 – 4 Ss 491/94 -, NStZ 1995, S. 136 <137 f.>; OLG Brandenburg, Urteil vom 28. November 2001 – 1 Ss 52/02 -, NJW 2002, S. 1440 <1441>; KG, Beschluss vom 27. Dezember 2001 – (4) 1 Ss 297/01 (166/01) -, juris Rn. 9; AG Rathenow, Beschluss vom 13. April 2006 – 2 Ds 496 Js 37539/05 (301/05) -, NStZ-RR 2007, S. 341 <342>). Auch diese Auslegung begegnet verfassungsrechtlich keinen Bedenken.

32

cc) Zwar überprüft das Bundesverfassungsgericht die fachrichterliche Rechtsanwendung grundsätzlich nur darauf hin, ob die Gerichte Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt haben (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; 85, 248 <257 f.>; 93, 266 <296>). Im Zusammenhang mit den Kommunikationsgrundrechten hat die Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte nicht unerhebliche Rückwirkungen auf die verfassungsrechtlich geschützten Positionen. Schon einzelne Fehler der Deutung der Äußerung und bei der Auslegung des einfachen Rechts können zu einer Fehlgewichtung des Grundrechts führen. Wegen der schwerwiegenden Folgen, die solche Fehler im Strafverfahren nach sich ziehen können, ist zumindest dort eine intensivere Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht unausweichlich. Angesichts der einschüchternden Wirkung, die staatliche Eingriffe hier haben können, muss eine besonders wirksame verfassungsrechtliche Kontrolle Platz greifen, soll die Freiheit dieser Lebensäußerungen nicht in ihrer Substanz getroffen werden (vgl. BVerfGE 43, 130 <136>; 81, 278 <290>).

33

b) Die Entscheidungen der Strafgerichte genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

34

aa) Das Urteil des Amtsgerichts genügt weder den Anforderungen an die Deutung von Meinungsäußerungen noch denjenigen an die Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Strafnorm des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b StGB, da das Amtsgericht in seiner rechtlichen Würdigung auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit überhaupt nicht eingegangen ist.

35

bb) Auch das Urteil des Landgerichts wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Deutung von Meinungsäußerungen nicht gerecht. Es ist bereits zweifelhaft, ob das Landgericht das Grundrecht der Meinungsfreiheit als eigenständig zu berücksichtigenden Maßstab der Deutung erkannt hat. Zwar findet sich im Rahmen der Erwägungen zum objektiven Tatbestand die Aussage „und die Schriften sind auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt“. Diese Aussage steht indes zu den vorherigen und nachfolgenden Ausführungen zur Feststellung des objektiven Tatbestandes in keinerlei Zusammenhang. Die Gründe der Entscheidung lassen nicht erkennen, dass das Landgericht das von den Beschwerdeführern gestaltete Plakat als Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf gewertet hat und dass es die daraus von Verfassungs wegen folgenden Anforderungen an die Deutung von Meinungen geprüft hat. Aus der Aussage, dass das Verhalten der Beschwerdeführer nicht von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ergibt sich lediglich pauschal und ohne sachhaltige Begründung, dass das Verhalten entweder bereits als nicht vom Schutzbereich des Grundrechts umfasst angesehen wird, oder, dass sich das Grundrecht im Konflikt mit anderen Verfassungsgütern als nachrangig erwiesen habe. Dass das Grundrecht hierbei die Deutung der Äußerungen und die Gewichtung der sich gegenüberstehenden Rechtspositionen in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise angeleitet hat, lässt sich hieraus nicht ersehen. Die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze für die Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Strafnormen, die im Tatbestand eine Verletzung der Menschenwürde voraussetzen, hat das Landgericht bei der Auslegung des § 130 StGB weder erwähnt noch der Sache nach geprüft. Stattdessen stellt es sich im Rahmen der Ausführungen zur Rechtswidrigkeit auf den Standpunkt, dass der Meinungsfreiheit durch die Tatbestandsbegrenzungen des § 130 StGB bereits auf tatbestandlicher Ebene in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise Rechnung getragen worden sei. Der Sache nach verneint es damit einen weiteren Berücksichtigungsbedarf des Art. 5 Abs. 1 GG für die nähere Auslegung und Anwendung des § 130 StGB und verkennt damit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung meinungsbeschränkender Gesetze schon grundsätzlich.

36

Entsprechend hat das Landgericht der Aussage auf dem Plakat einen Sinngehalt gegeben, den das Plakat aus sich allein heraus nicht hat und der auch durch die Ausführungen des Landgerichts nicht in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise begründet wird. Das Landgericht folgert aus dem Zusammenspiel von Überschrift („Ausländer-Rück-Führung“) und Slogan („Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“) im Umkehrschluss, dass die Stadt mit Ausländern als nicht lebenswert dargestellt werde und folgert hieraus zugleich ein böswilliges Verächtlichmachen sowie mithin eine Menschenwürdeverletzung der ausländischen Mitbürger. Schon die Annahme, dass der Plakattext alleine so verstanden werden könne, dass eine Stadt, in der Ausländer lebten, als nicht lebenswert anzusehen sei, ist Bedenken ausgesetzt. Das Plakat kann vielmehr auch so gedeutet werden, dass ein Rückführungsprogramm gegenüber Ausländern lediglich als Beitrag zu einem breiter und allgemeiner verfolgten Ziel, nämlich der Schaffung einer „lebenswerten deutschen Stadt“ verstanden wird, wobei Ausländer zwar als Problem, nicht aber notwenig als verächtlich hingestellt werden. Zutreffend hat das Landgericht diesbezüglich zwar eine ausländerfeindliche Stoßrichtung des von den Beschwerdeführern verantworteten Plakattextes herausgearbeitet. Diese widerspricht auch ohne Zweifel der für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Erwartung einer Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern. Das Strafgesetzbuch stellt aber nicht schon ausländerfeindliche Äußerungen als solche unter Strafe (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2001 – 1 BvQ 17/01 -, NJW 2001, S. 2072 <2073>). Jedoch ist die angegriffene Entscheidung in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Deutung von Meinungsäußerungen nicht tragfähig, wenn aus dem Plakattext gefolgert wird, dass Ausländer unter Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt würden und ihnen das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten werde. Diese Auslegung lässt sich jedenfalls nicht auf den bloßen Wortlaut des Plakates stützen. In dem von den Beschwerdeführern entworfenen Plakat wird nicht die Minderwertigkeit von Ausländern ausgesprochen wie zum Beispiel durch die pauschale Zuschreibung sozial unerträglicher Verhaltensweisen oder Eigenschaften. Eine solche Zuschreibung ergibt sich auch nicht aus der Bezeichnung „Ausländer“ in dem Wort „Ausländer-Rück-Führung“, das dem Begriffspaar „deutsches Augsburg“ und „lebenswert“ gegenübergestellt wird. Die Worte „Aktion Ausländerrückführung“ sagen dies ebenfalls nicht aus. Zwar macht das Plakat unmissverständlich deutlich, dass die Initiative der Beschwerdeführer Ausländer „rückführen“ will. Der Umfang und die Mittel, ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden jedoch nicht benannt. Der Wortkombination ist daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden. Um zu der über den reinen Wortlaut hinausgehenden Deutung des Plakates zu gelangen, hätte das Landgericht daher konkrete Begleitumstände benennen müssen, aus denen sich ein solches am Wortlaut der Äußerung nicht erkennbares Verständnis ergibt. Derartige Begleitumstände hat das Landgericht jedoch nicht dargetan.

37

Das Landgericht hat auch auf eine Abwägung der widerstreitenden Belange verzichtet, ohne die Entbehrlichkeit einer solchen Abwägung aufzuzeigen. Zwar entfällt nach den dargelegten Maßstäben eine solche Abwägung, wenn eine Menschenwürdeverletzung vorliegt, da die Würde des Menschen nicht abwägungsfähig ist (siehe oben III 3 a bb). Die bloße Behauptung, dass der Plakattext mehr sei als eine Äußerung, die lediglich emotionale Ablehnung ausdrücke, sowie das Abstellen darauf, dass sich der Angriff nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richte, sondern undifferenziert sei, weil er sich auf alle in Augsburg lebenden Ausländer beziehe, tragen die Qualifizierung des Plakattextes als Menschenwürdeverletzung jedoch nicht. Ausgehend von dem Erfordernis einer besonders sorgfältigen Prüfung für die Annahme einer Menschenwürdeverletzung darf aus der Pauschalität einer verbalen Attacke nicht ohne weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, das den Betreffenden ihre Anerkennung als Person abspricht.

38

cc) Auch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, die im Wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts nur bestätigt, genügt den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG nicht. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat zwar eingangs seiner Erwägungen auf die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung von Meinungsäußerungen hingewiesen. Es hat auch erkannt, dass nach einer Bejahung eines Angriffs auf die Menschenwürde Belange der Meinungsfreiheit nicht mehr berücksichtigt werden können, daraus aber auf der Ebene der Auslegung der Strafnorm nicht die gebotenen Konsequenzen gezogen. Die von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze für die Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Strafnormen, die im Tatbestand eine Verletzung der Menschenwürde voraussetzen, hat es im Folgenden weder erwähnt noch der Sache nach geprüft. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat auf eine Abwägung der widerstreitenden Belange verzichtet, ohne die Entbehrlichkeit einer solchen Abwägung aufzuzeigen. Es hat sich vielmehr in einem einzigen Satz mit der Feststellung begnügt, dass ein Angriff auf die Menschenwürde vorliege, ohne dies näher zu begründen. Die Strafgerichte müssen jedoch im Interesse des materiellen Grundrechtsschutzes durch Offenlegung der für den Ausgang der Abwägung maßgebenden Gründe in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise erkennen lassen, dass in die Abwägung die dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind oder warum hierfür im Einzelfall etwa wegen einer Antastung der Menschenwürde kein Raum mehr war (vgl. zuletzt: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. März 2008 – 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, S. 2907 <2909>; vgl. auch die einschlägige fachgerichtliche Rechtsprechung zur Subsumtion der Parole „Ausländer raus“ unter § 130 StGB – Nachweise oben III 3 a bb a.E.). Den Anforderungen an eine besonders sorgfältige Prüfung der Menschenwürdeverletzung, wie sie verfassungsrechtlich geboten ist, genügt dies nicht.

Ergänzend würde ich dazu anmerken, dass die Grundrechte auch im 75. Jahr ihres Bestehens sogar auf Sylt gelten.

Ich könnte mich nicht erinnnern, dass diese Anforderungen irgendwo in Politik oder Presse berücksichtigt worden wären.

Aber alle schreien sie, „Die Würde ist unantastbar“.