Ansichten eines Informatikers

Die Polizei beschlagnahmt Tonträger

Hadmut
28.5.2024 11:13

Über das Verhältnis von Polizei und Meinungs- und Kunstfreiheit.[Update]

Ständig ist die Rede von Meinungsfreiheit. Gesang fällt aber auch unter die Freiheit der Kunst.

Pressemitteilung des Polizeireviers Magdeburg:

Polizeimeldung Polizeirevier Magdeburg
Disco Hit mit volksverhetzenden Inhalten

27.05.2024, Magdeburg – 238 / 2024

Polizeirevier Magdeburg

Bereits am Freitagabend, d. 24.05.2024 wurde der Magdeburger Polizei gegen 20:15 Uhr mitgeteilt, dass aus einem Fahrzeug am Magdeburger Dom lautstark ein bekannter Disco Hit abgespielt wurde, bei dem ein volksverhetzender Inhalt mitgesungen wurde.

Ein Zeuge stand gegen 20:15 Uhr am Magdeburger Dom, als ein PKW mit lauter Musik an ihm vorbeifuhr. Aus der geöffneten Scheibe der Beifahrertür konnte man dabei gut wahrnehmbar laute Musik hören, wo unter anderem zu einem Lied von Gigi D’Agostino „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ gesungen wurde. Der Zeuge informierte daraufhin die Magdeburger Polizei, welche kurz darauf den beschriebenen PKW mit zwei Insassen im Breiten Weg feststellen und kontrollieren konnte. Der PKW sowie die beiden männlichen Insassen wurden daraufhin nach möglichen Tonträgern durchsucht, woraufhin die Mobiltelefone als mögliche Tatmittel beschlagnahmt wurden. Gegen die beiden Fahrzeuginsassen, zwei Magdeburger im Alter von 22 und 27 Jahren wurde zudem ein Ermittlungsverfahren zum Verdacht der Volksverhetzung eingeleitet. (sa)

Irgendwie muss die „Volksverhetzung“ gerade für alles herhalten. Früher hatte man Gummiknüppel, heute hat man Gummiparagraphen.

Was mich jetzt interessieren würde, ich muss da mal nachfragen, ob die Musik das Original war und die Insassen des Fahrzeuges gesungen haben, oder ob das auf dem Tonträger selbst war.

Seltsam erscheint mir auch, dass jetzt jeder durchsucht wird, von dem ein Zeuge behauptet, er hätte etwas gehört.

Zudem halte ich das für unverhältnismäßig, weil die Wegnahme eines Handys ganz massive Auswirkungen haben kann, man kann damit heute den Zugriff auf Bankkonten, Zahlungsmittel, Fahrscheine usw. verlieren. Ich halte das für rechtlich ziemlich kritisch, dass die heute so leichtfertig Handys beschlagnahmen. Ganz abgesehen davon, dass „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ meines Erachtens und auf Grundlage der zitieren Verfassungsrechtsprechung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und die Polizei hier verfassungswidrig agiert. Sich spontan ein neues Handy kaufen zu müssen, weil das bisherige erst einmal weg ist, kann für viele Leute finanziell sehr belastend sein. Das riecht nach einer vorweggenommenen Bestrafung durch die Exekutive. Das wäre eine interessante Frage, wie das da mit dem Schadensersatz aussieht – und vor allem, ob der „Zeuge“ überhaupt eindeutig identifiziert wurde und gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Deshalb sollte man durchaus die Frage stellen, ob das in Liedform nicht nur unter die Meinungs-, sondern auch unter die Kunstfreiheit fällt, denn zweifellos wird dazu ja auch getanzt, es ist also nicht nur Alibi-Musik.

Ebenfalls höchst bedenklich ist ein anderer Vorgang, auf den mich gerade ein anderer Leser aufmerksam macht, der bei Nachprüfung allerdings schon 2022 passierte. Damalige Meldung des Merkur: Schläge und Tritte gegen den Kopf – Teenager verprügeln Mädchen in Karlsruhe

Kritisch sieht die Polizei laut Echo 24, dass durch die Verbreitung des Videos strafrechtlich Relevantes öffentlich diskutiert und kommentiert werde. Das sei in erster Linie Aufgabe der Justiz. Womöglich könne das Video zwar zur Identifizierung der Täterinnen beitragen, heißt es. Doch die Verbreitung durch Dritte ohne einen Zeugenaufruf der Polizei sei wenig sinnvoll.

Die Polizei sieht es kritisch, wenn „strafrechtlich Relevantes öffentlich diskutiert und kommentiert werde“ – das muss man sich mal vorstellen.

Update: Die Polizei Magdeburg hat mir auf meine Nachfrage geantwortet:

Sehr geehrter Herr Danisch,

der Magdeburger Polizei wurde der hier beschriebene Sachverhalt durch einen Zeugen gemeldet, welcher das Fahrzeug sowie die darin abgespielte Musik wahrnahm. Nach gegenwärtigen Kenntnisstand habe der Zeuge dabei die veränderten Liedzeilen direkt vom Interpreten des abgespielten Musikstückes wahrgenommen. Somit soll die veränderte Textzeile also direkt von einem Tonträger gekommen sein. Die Ermittlungen dauern an.

Mit freundlichen Grüßen

Es geht also nicht darum, dass die im Auto mitgesungen hätten, sondern dass es das jetzt als Musikstück gibt.