Nur ein Ladendieb
War gerade einkaufen.
Supermarkt. Paar Lebensmittel. Wollte eigentlich schon bezahlen, hatte aber was vergessen und bin nochmal schnell quer durch den Laden Richtung Eingang. Kommen zwei Polizisten rein. Ich dachte erst, die sind zum Einkaufen da, weil hier auch ab und zu mal die Feuerwehr im Laden ist – zum Einkaufen. Die gingen aber sehr zügig Richtung Kassen und gleich wieder an denen Vorbei in den Bereich hinter den Kassen. So verhält sich niemand, der einkauft, und die wollten auch gleich in das Dienstzimmer.
So weit ist das mit unserer Gesellschaft schon gekommen. Ich stand da, und überlegte, ob ich mir besser irgendwo eine schusssichere Deckung suchen und mich hinter die Kühltruhen auf den Boden werfen sollte (was nicht funktioniert hätte, denn die haben sie neulich durch Kühlregale an der Wand erstetzt), oder das Handy auf Video schalten sollte, um zu berichten, was auch immer passieren möge.
Ich habe mich entschieden, einfach gar nichts zu tun und ganz normal meinen Kram aufs Kassenband zu legen und zu bezahlen.
Als ich dann hinter der Kasse meinen Kram vom Einkaufswagen eingepackt habe, habe ich mitbekommen, worum es ging.
Ein Mann stand mit verschränkten Armen, einem durch und durch uneinverstandenem Gesichtausdruck in der Ecke, in der ihn Verkäuferinnen blockiert hatten, die Polizisten dabei und ein – kleiner – Einkaufswagen voll mit Waren, aber fast alle die gleichen. Sah aus wie Riesen-Packungen Lachsfilet, und davon ein Dutzend oder so, dazu noch ein paar Sachen. Und obwohl es in Berlin gerade warm ist und ich in T-Shirt und kurzen Hosen unterwegs war, stand der da mit einem großen gefütterten Wintermantel, diese abgesteppten Balonseide-Dinger. Polizist ungläubig mit Blick auf den Einkaufswagen: „Und das war alles in dem Mantel?“ Die Verkäuferin bejahte und erklärte, dass das nicht mehr zu verkaufen sei, Kühlkette unterbrochen.
Da hat einer eine Riesenladung von Filet, ich habe es nicht so genau gesehen, würde es aber der Farbe nach für Lachs halten, und das waren keine kleine Packungen, sondern so lang wie oder länger als der Einkaufswagen, so richtig große Packungen, und davon einen Einkaufswagen voll, irgendwie in den Mantel gestopft, und ich habe noch überlegt, warum einer im Juni im langen Wintermantel rumläuft – ob der hier friert, das gibt es ja tatsächlich, ob der für das Volumen sorgen sollte oder ob das als Isolation für die Kühlware gedacht war.
Es war aber ganz sicher kein Diebstahl aus Hunger. Entweder wollte der ein Familienfest mit 150 Personen versorgen, oder das Zeug weiterverkaufen. Eine Familie alleine könnte das gar nicht alles essen bevor es verdorben ist.