Ansichten eines Informatikers

Alte Rechner weiter benutzen?

Hadmut
3.6.2024 21:29

Nicht ganz so einfach wie gedacht.

Ich bekomme gerade viele Zuschriften, wonach viele Leute keine Lust auf Wegwerfgesellschaft haben und nicht einsehen, einen alten Rechner wegzuwerfen, weil er keine aktuelle Software mehr bekommt und Bildformat X nicht mehr anzeigt.

Vorab: Ich bin auch kein Fan der Wegwerfgesellschaft. Ich trage meine Klamotten, bis sie auseinanderfallen, und ich habe für Sonder- und Testzwecke noch Rechner im Einsatz, die über 10 Jahre alt sind. Weil darauf noch prima Linux läuft. Selbst einen alten Mac von 2011 habe ich unter Linux noch als Testrechner laufen.

Ganz so einfach, wie das aussieht, ist das dann aber doch nicht.

Für ganz einfache Zwecke reicht das.

Es gibt aber Probleme, die dem entgegenstehen.

Da sind die Prozessorerweiterungen und -features. Für manche Anwendungen wie Videos, Kryptographie und Ähnliches braucht man Prozessorfunktionen, die ältere Rechner nicht haben. Die können das zwar teilweise in Software emulieren, aber dann dreht der Prozessor hoch, wird heiß, verbraucht viel Strom, der Lüfter auch. Und dann kann man sich ausrechnen, ob es sich überhaupt lohnt, den alten Rechner weiter zu betreiben, oder einen neuen zu beschaffen, der weniger Strom braucht. Eine ähnliche Rechnung wie beim Kühlschrank: Man soll keine Kühlschränke betreiben, die wesentlich älter als 10 Jahre sind, obwohl sie noch prima funktionieren, weil die Stromersparnis durch einen neuen höher ist als der Preis des neuen Kühlschranks.

Das merkt man auch an Ersatzteilen: DDR4 RAM ist meist billiger als DDR3, und NVMe SSDs inzwischen nicht selten sogar schon billiger als SATA. Es kann also sein, dass es teurer ist, den alten Rechner aufzurüsten, als einen neuen zu kaufen. Zumal neue Netzteile oft (nicht immer) effizienter sind und sich im ausgeschalteten Zustand besser verhalten. Ich habe mal eine kleine Hifi-Anlage rausgeworfen, obwohl sie gut war, weil sie im Ruhezustand über 20 Watt gezogen hat. Man sollte sich das tunlichst überlegen, ob man noch Geräte verwendet, die aus der Zeit vor dem großen Energiesparen stammen, und dazu mal ein Strommessgerät befragen.

Neulich stand ich vor der Entscheidung, ob ich für eine Anwendung CouchDB oder MongoDB verwende. Die haben beide so ihre Vor- und Nachteile. Dann aber fiel mir auf, dass Mongo zwar schneller ist, der Docker-Container aber auf vielen Rechnern mit billigen Prozessoren nicht läuft, weil die seit der letzten Major-Version eine Prozessorerweiterung verwenden, die nur neue oder teure Prozessoren haben, die Celeron-Reihe aber nicht (angeblich ab N100), und auch etwas ältere Core-Modelle noch nicht.

Auch gibt es Software wie Qubes, die Virtualisierungsoptionen benötigen, die nur neuere Prozessoren haben.

Das ist nicht ganz so einfach mit den alten Rechnern, die man nutzt, bis sie kaputt sind. Eine alte Hose oder Jacke kann ich tragen, bis sie hin ist, weil sie dann, wenn ich sie mal habe, keine laufenden Kosten verursacht und keine neuen Features braucht. Wenn ich eine Hose habe, dann host sie auch. Und fast alle meiner Jacken jacken ganz normal. Neue hätte keinen praktischen Vorteil. Eine 2024er Hose hat keine nennenswerten Vorteile gegenüber der von 2010 (außer vielleicht, dass sie größer ist und mir deshalb passt).

Das ist bei Computern aber eben nicht so. Da gibt es Gründe, die für neue sprechen können, die den Kaufpreis überwiegen.

Allerdings auch Nachteile. Früher konnte man in Rechnern den RAM austauschen und aufrüsten, das geht heute bei vielen Notebooks nicht mehr.

Die Anforderungen an Computer wachsen eben ständig. Theoretisch nämlich müsste man sonst immer noch mit dem C64 rumsitzen, weil die Dinger ziemlich robust waren. Bei guter Behandlung sind die bis heute nicht kaputt.

Und dann kommt noch die Frage der Verfügbarkeit dazu. Mir ist schon lange keine Festplatte mehr kaputt gegangen (früher ziemlich viele, kaputte SSD übrigens schon), was daran liegen mag, dass ich nur noch im Server NAS-Platten verwende, aber eine alte Faustregel besagte, dass sie nach drei Jahren unzuverlässig werden. Man muss sich immer überlegen, ob man einen Ausfall hinnehmen kann und sich sagt, dass man dann eben einen neuen kauft, wenn der alte futsch ist, oder ob man – meist beruflich – gewisse Verfügbarkeitsanforderungen hat. Zumindest Lüfter und Platten/SSD

Es kann also sehr sinnvoll sein und mitunter sogar Geld sparen, alte Rechner durch neue(re) zu ersetzen, selbst wenn sie noch funktionieren.