Ansichten eines Informatikers

Du oder Sie?

Hadmut
12.6.2024 23:10

Es ist mal wieder an der Zeit für eine Ansage:

Weil ich in letzter Zeit wieder sehr viele Mails von Lesern bekomme, die mir erstmal schreiben und damit anfangen oder sich entschuldigen, dass sie nicht wissen, ob sie mich siezen oder duzen sollen, das Sie sei so komisch bei jemandem wie mir, das Du trauen sie sich auch nicht, ist es mal wieder Zeit für die Durchsagen, die alle paar Jahre hier im Blog kommt:

Leute, ich bin Informatiker. Das ist mir völlig egal, ob mich jemand duzt oder siezt. Könnt Ihr machen, wie Ihr wollt. Stört mich gar nicht.

Nur: Ich kann mir beim besten Willen nicht merken, mit wem ich per Du und mit wem ich per Sie bin.

Außerdem: In den Fällen, in denen ich die Leser direkt anspreche, duze ich ja auch (plural: „Ihr“).

Mindestens 99,5% der Informatiker duzen sich untereinander sowieso alle. Schon deshalb, weil wir von Berufs wegen viel international zu tun haben und oft englisch reden oder schreiben müssen, und es unheimlich bescheuert wirkt, wenn wir innerhalb weniger Sekunden jemanden auf deutsch „Herr Meier, haben Sie…“ und dann, wenn einer reinkommt, der nicht deutsch spricht, auf englisch zu fallen und dann „Fritz, have you …“ zu nutzen. Das ist uns zu blöd, deshalb duzen wir uns eh alle von Berufs wegen. Es hat auch mit der Denkweise in Sprachen und Syntax zu tun, dass wir „Du“ und „Sie“ einfach nur als zwei verschiedene Sprachen für die gleiche Aussage auffassen.

Kurzum, wenn ich da mal für die Mehrheit der Informatiker sprechen darf, die mir bisher begegnet ist: Es ist uns völlig wurscht. Wir geben uns nicht mit solchen aufgesetzten Formalismen und Gesellschaftstänzen ab.

Wobei ich doch auf ein Detail aufmerksam machen will: Man denkt oft, dass die sich im Englischen (genauer: im amerikanischen Kulturraum) alle duzen, weil sie sich mit Vornamen und „you“ ansprechen. Wie ich aber vor einiger Zeit gelernt habe, ist es historisch tatsächlich so, dass sie sich alle siezen, weil die Anrede ja vom höfisch-höflischen Anreden in der dritten Person plural abstammt. Den einfachen Knecht fragt man „Hat er gegessen?“. Die höher stehenden Adligen spricht man im plural an (pluralis majestatis), „Haben sie gegessen“. So entstand das meines Wissens, und „you“ ist wohl die Anrede aufwärts und „thou“ die Anrede abwärts, weshalb „thou“ dem „Du“ entspräche, was im Englischen aber völlig weggefallen ist. Siehe Anglistik Uni München:

“Thou is the language of a lord to a servant, of an equal to an equal and expresses also companionship, love, permission, defiance, scorn, threatening, whilst ye is the language of a servant to a lord, and of compliment, and further expresses honour, submission or entreaty.”

(William of Palerne, The Romance of William of Palerne ed. W.W. Skeat, EETS es, 1876)

So, wie auch die Anreden „Herr“ und „Frau“ ursprünglich Adelstitel sind, denn ursprünglich waren sie ja Mann und Weib. In irgendeinem der nordeuropäischen Länder – bin nicht ganz sicher, war es Dänemark? – duzen sich grundsätzlich und ausnahmslos alle, nur König und Königin werden mit Sie angesprochen. Was ja genau dieser Herkunft entspricht.

Also gibt es im Englischen eigentlich nur noch das „Sie“, was aber längst völlig wertlos geworden ist und gesellschaftsadäquat mit durchschnittlich drei „fucking“ pro Satz verschnitten wird.

Langer Rede, kurzer Sinn: Macht, wie Ihr wollt. Mir egal.

Aber bitte: Die Eingangserklärungen, nicht zu wissen, was Ihr sollt, oder ob man darf oder was passt, oder Entschuldigungen, einfach weglassen. Kommt einfach direkt zur Sache.

🙂