Ansichten eines Informatikers

Das Versagen des Verfassungsschutzes

Hadmut
13.6.2024 15:24

Institutionelle Dysfunktionalität des Staates.

Ich hatte neulich schon geschrieben, dass verschiedene Teil der Exekutive und Judikative sich schon allein deshalb auf „gegen Rechts“ stürzen, damit sie ein relativ ungefährliches Alibi und eine Beschäftigung haben, um nicht gegen Links oder gegen Islamismus eingesetzt zu werden, weil das zu gefährlich ist. Im Prinzip braucht man „Rechts“ und die AfD als vergleichsweise harmlosen Ersatzgegner, um nicht untätig zu erscheinen.

Vor ein paar Tagen hatte die Schwäbische [Zeitung] einen interessanten Artikel über einen Whistleblower des Verfassungsschutzes: Verfassungsschützer schlägt Alarm: “Der Rechtsstaat wird ausgehöhlt”

Überaus lesenswert – dringend empfohlen.

„Ich weiß daher aus eigener Erfahrung, wovon mein Mandant spricht. Und ich weiß, wozu der Verfassungsschutz fähig ist, wenn man sich mit ihm anlegt.“ Der Gang an die Öffentlichkeit soll nun helfen, dass „nichts vertuscht und unter den Teppich gekehrt“ werden kann, sagt die Anwältin. „Die Menschen müssen erfahren, was da Tag für Tag passiert beim Verfassungsschutz“, sagt der Verfassungsschützer.

Er beschreibt zunächst, dass der Verfassungsschutz wegen katastrophaler Zustände eigentlich gar nicht in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Schon deshalb, weil er seine Mitarbeiter weder vor Aufdeckung, noch vor Angriffen schützt, etwa weil deren Handy und KFZ-Kennzeichen rückzuverfolgen sind:

Doch in der täglichen Arbeit herrschen laut S. „Zustände, die die Arbeit nicht nur erschweren, sondern den Dienst in seiner Gesamtheit völlig dysfunktional machen“.

So habe der Dienst zum Beispiel keine unregistrierten SIM-Karten, weder für den eigenen Gebrauch noch für Kontaktpersonen. Damit sei letztendlich immer nachvollziehbar, von wem die SIM-Karte ursprünglich stamme und wem das Telefon gehöre. “Und das kann für alle Beteiligten schnell gefährlich werden.” Auch die Einsatzfahrzeuge des sächsischen Verfassungsschutzes seien „offiziell auf das Innenministerium des Landes angemeldet“. Über eine simple Halterabfrage könne also „jeder mit ein wenig Einfallsreichtum bei den entsprechenden Ämtern herausfinden, auf wen die Fahrzeuge angemeldet sind, mit denen verdeckt operierende Nachrichtendienstler wie ich herumfahren. Und das war’s dann mit der Tarnung.“

Was ich zum Quieken finde. Ich hatte ja, wie schon oft erwähnt, vor fast 40 Jahren meinen Grundwehrdienst und musste dabei auch einige Male Wache schieben, war am Schluss so erfahren, dass ich da auch stellvertretender Wachhabender war.

Und zu den Dingen, die ich damals gelernt habe (und zweimal je einen vom Geheimdienst damit verblüfft habe, das überhaupt zu wissen, weil man das höchstens halboffiziell und nicht als einfacher Wehrpflichtiger wissen sollte), gehörte, wie die getarnten Fahrzeuge des MAD und anderer Geheimdienste zu kontrollieren sind. Die hatten nämlich falsche Kennzeichen, falsche Fahrbefehle, falsche Zulassungen, und sonst noch einiges. Man hätte die also für ein ganz normales Dienstfahrzeug irgendeiner Feld-Wald-und-Wiesen-Einheit gehalten. Ich weiß heute nicht mehr genau, woran, aber es gab irgendein kleines Detail, irgendeine unscheinbare Winzigkeit, woran man die (nur) erkennen konnte. Und wenn ich es noch wüsste, müsste ich erst überlegen, ob ich das überhaupt sagen darf. Mir sind jetzt beim Nachdenken auch noch ein paar Details eingefallen, die ich nicht nur nicht nenne, sondern das jetzt so ein kleines bisschen unrichtig darstelle, um keinen Ärger zu kriegen. Ich stand da nämlich mal am Tor, und es kam tatsächlich einer vorbei, der völlig korrekt und unauffällig aussah, und bei dessen Kontrolle mir irgendetwas aufgefallen war, und ich sagte zu dem „Ja, schön, alles gut gemacht … und jetzt möchte ich noch die Echten sehen!“ Der guckte mich wie vom Schlag getroffen an, war völlig fassungslos, total baff … und packte dann die Echten aus. Der hatte alles doppelt, Kennzeichen, KFZ-Schein, Fahrbefehl, und was noch alles, weiß ich heute nicht mehr genau. Eins zur Tarnung und eins in echt. Und auf den echten stand der Geheimdienst. Der Wachhabende und der Wachoffizier hatten das vom Wachgebäude aus beobachtet und mich hinterher irritiert gefragt, was denn das da eben für eine Nummer gewesen wäre, warum der KFZ-Kennzeichen aus dem Kofferraum gezeigt und alles doppelt gehabt hätte. Bis dahin galt das da nur als Legende. Danisch hat einen Geist gefangen. Wurde nach oben gemeldet, dass sich der Geheimdienstler von einem Wehrpflichtigen hatte ertappen lassen. Und damit für jeden, der die Szene beobachtet hatte, enttarnt war, spätestens, als er mir das zweite Paar KFZ-Kennzeichen aus dem Kofferraum zeigte.

Was aber auch heißt, dass die zumindest mal in der Lage waren, sich so zu tarnen, dass man es nicht einfach erkennt, und sie damals tatsächlich auch Tarn-Kennzeichen hatten, die sie beliebig wechseln konnten. Damals war aber kalter Krieg, und der Gegner waren DDR und Russen, Stasi und KGB. Da hat man sich noch halbwegs Mühe gegeben.

Allerdings war das damals auch einfacher, da war ja noch alles analog und gar nicht digitalisiert, das konnte damals niemand nachprüfen und schnell genau herausfinden, dass die echt gesiegelte Kennzeichen hatten, die offiziell nicht vergeben waren. Damals war ja das Kennzeichen als solches der Urkundenbeweis, und nicht ad hoch nachprüfbar, ob das auf eine echte – natürliche oder juristische – Person vergeben war. Auch feindlichen Leuten, die das beobachteten, standen damals noch keine IT-Systeme zur Verfügung, weshalb das viel schwerer war, zu erkennen, dass das Kennzeichen, das heute an einem roten Auto hängt, letzten Monat woanders an einem grünen gesehen wurde. Das ist heute nicht mehr so einfach. Es fliegen ja auch immer öfter Agenten auf, weil sie per Gesichtserkennung in den Social Media unter ihrer echten Identität wiedererkannt werden – oder damit auffallen, in den Social Media noch nie aufgetaucht zu sein.

Das könne dann „sehr schnell sehr gefährlich werden, wenn etwa die örtliche Antifa oder auch eine Neonazi-Truppe oder islamistische Gefährder wie auch Mitglieder ausländicher Nachrichtendienste auf diese Weise herausfinden, wer aus ihren Kreisen in Wahrheit zum Verfassungsschutz gehört, nur weil er mal in einem unserer Autos gesehen wurde“. Dazu komme, dass „viele Kollegen überhaupt nicht in der Lage sind, sich im Fall der Fälle zu wehren und verteidigen”.

Es gebe „keinerlei angemessene Möglichkeit“ seitens der Behörden, „einen Kampfsport oder zumindest ausreichend Selbstverteidigungskünste zu lernen oder zu trainieren“, sagt S.

Die Gefahr

Eine Frage drängt sich auf, und genau die stellen sie auch: Wie kann ein so unfähiger Dienst zur Gefahr für die Öffentlichkeit werden?

Und da sind wir genau bei dem Punkt, den ich auch schon erwähnt hatte, nämlich dass die den „Kampf gegen Rechts“ als Ersatztätigkeit verwenden:

„Das ist kein Widerspruch, sondern Teil der Erklärung“, sagt S. Weil der Dienst es „mit ernstzunehmenden Gegnern wie wirklich gewaltbereiten Links- oder Rechtsterroristen oder radikalen und teils kriegserfahrenen Islamisten nicht aufnehmen kann, kümmert er sich zunehmend um Leute, die eigentlich gar kein Fall für den Verfassungsschutz sind. Und in der Vergangenheit auch nicht waren.“

Ein Beispiel hierfür, sagt der 36-Jährige, sei die neue Extremismus-Kategorie „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Hier würden „durch eine Umdeutung und Pervertierung der Sprache“ neue Stichwörter geschaffen, durch die Menschen bereits zum Verdachtsfall werden würden. „Was gestern legale Kritik war, kann heute ein Grund sein, ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten“, sagt S. Und weiter: „Plötzlich wird versucht, auch Menschen zu diskreditieren, zu dämonisieren und auszugrenzen, bei denen das vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre. Bei denen man gesagt hat, das ist doch alles im völlig normalen und verfassungsmäßigen Rahmen.“

Man müsse sich bewusst machen, wie ein Nachrichtendienst arbeitet: “Wenn man etwa eine Organisationsstruktur aufklären will, guckt man sich natürlich auch an, mit wem die Zielpersonen verkehrt. Und dann überprüfen wir auch diese Leute. Wir durchleuchten das Umfeld, den Arbeitgeber, die Geliebte, die Kumpels, die zum Grillen kommen, also eigentlich alles, was wir finden können. Wir versuchen, ein Gesamtbild zu bekommen. Das machen wir nach handwerklichen Regeln, und diese Regeln sind für alle gleich, egal ob Linksextremist oder Staatsdelegitimierer. Wir machen alles, was das Handwerk hergibt und fahren alles auf, was wir bei echten Extremisten auch auffahren.“

Und das könne nun „auch jemanden treffen, der lediglich die Grünen nicht mag und ein nach offizieller Lesart staatsdelegitmierendes Plakat aufhängt, ein entsprechendes Schild bei einer Demo hochhält oder einen entsprechenden Post in sozialen Medien absetzt. Das reicht schon aus.“

In diesem Zusammenhang sagt S. im Gespräch mit unserem Reporter, er sehe derzeit „die ganz große Gefahr, dass der Dienst instrumentalisiert wird, etwa für politische Zwecke”.

Und genau das ist mir mit dem Konto passiert.

SPD und Grüne

Und es gibt Informationen, die sind nicht erwünscht, die sind unbequem. Und die werden dann ignoriert.“ Das seien vor allem „Informationen mit Bezug auf extremistische Tendenzen oder Entwicklungen, auf radikale Strömungen innerhalb etablierter Parteien. Die möchte man nicht sehen und nicht hören.“

Konkret würde es hier, so der Vorwurf des Mannes, um „die SPD, die Grünen und die Linke“ gehen. So würde man „gewisse gewaltbereite Strömungen etwa bei der Linken“ nicht sehen wollen, bei den anderen Parteien seien es auch „strukturelle, organisatorische und ideologische Überschneidungen“ mit Szenen, die ihrerseits eigentlich relevant „für den Dienst“ seien. „Aber da traut sich der Verfassungsschutz schon gar nicht mehr ran.“ Offiziell sei der Verfassungsschutz zwar politisch neutral. „In der Realität ist es aber nun mal so, dass diese Behörde eine Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums ist“, sagt S. Und hier gebe es wie in jedem größeren Unternehmen auch ein „sehr enges Geflecht an persönlichen Kennverhältnissen. Und natürlich wird in so einer Melange auch hinter verschlossenen Türen gesprochen und werden Absprachen getroffen. So funktioniert das System nun mal.“

Und die Wertung

Der Dienst sei „eine Kakistokratie, also eine Herrschaft der Schlechtesten“. Er sehe, sagt S., “ein Pervertieren von Werten, ein Pervertieren der Grundpfeiler dessen, wie man sich die neue Gesellschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges gedacht hat. Das alles sehe ich als Bürger und auch als Beamter. Ich denke, man muss sich ernsthaft fragen, ob die Verantwortlichen innerhalb des Systems dafür zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Mindestens aber müsste man viel, viel kritischer mit den Entscheidungsträgern in den Diskurs gehen, intern und öffentlich.“

Denn die „derzeitige Melange“, sagt S., „höhlt den Rechtsstaat sehr viel stärker aus, als es irgendein Skinhead oder irgendein Autonomer jemals schaffen könnten.“

Im Ergebnis haben wir einen unfähigen Verfassungsschutz, der Grünen-Kritiker jagt, um davon abzulenken, dass er sich um Islamismus nicht kümmern kann und um Linksextremismus nicht kümmern darf.

Also geht man ersatzweise auf Blogger und Bürger los, die getwittert haben.