Vom traurigen Schicksal Darth Vaders
Ich habe ihn heute gesehen. Armer Kerl.
Ich hätte vorher genauer lesen sollen.
Ich hatte vor einiger Zeit irgendwo gelesen, dass eine temporäre Star Wars Ausstellung in Berlin eröffnet, und hatte im Radio noch darüber gehört, wo sie sie empfohlen hatten. Ich hatte zwar noch irgendwo gelesen, dass das nichts mit Disney zu tun habe, denen Star Wars ja inzwischen gehört, aber ich dachte mir, ich muss mal raus und mal was anderes sehen, und ich könnte ja mal … und war vorhin dort.
Ich hätte vorher genauer lesen oder wenigstens nachdenken sollen.
Ich hatte nämlich eigentlich – und irrtümlich – gedacht, dass es da Requisiten aus den Filmen zu sehen gibt. Das hat man ja häufig bei erfolgreichen Filmreihen und Serien, dass die dann das Zeug ausstellen. Von Star Trek habe ich schon einige Original-Requisiten und -Uniformen gesehen. In den Filmparks in Hollywood, Berlin, München, Neuseeland steht jede Menge Zeugs aus Filmen rum. Ich hätte mir gerne mal das Zeug aus Star Wars aus der Nähe angesehen. Ein für mich wesentlicher Unterschied zwischen Star Trek und Star Wars – ich mag beide – war schon immer, dass Star Trek weit intellektueller ist, es da um die Story und die Probleme geht, und das futuristische Science-Fiction-Umfeld nur Vehikel dafür ist, während es bei Star Wars genau umgekehrt ist. Bei Star Wars steht die Optik, der Eindruck, im Vordergrund, und die (ohnehin eher dünne und nicht sehr logische) Story ist nur das Vehikel dazu. Letztlich geht es ja auch nur um einen Familienkrach.
Deshalb haben mir auch die ältesten drei Episoden (IV-VI) am besten gefallen, weil ich die Optik da einfach wunderbar finde. Vieles einfach so abgeranzt, abgenutzt, provisorisch, uralt. Aber: Echt gebaut, optische Tricks, noch keine Digitalisierung. Die später erschienene Trilogie I-III fand ich ganz entsetzlich, weil man da mit Ray-Tracing rumgespielt hat und alles zu glatt, zu glänzend, zu sauber aussieht.
In den letzten drei Teilen haben sie zwar die Optik wieder gut hinbekommen, und auch wieder einige Sachen richtig gebaut statt gerendert, dafür war die Story richtig schlecht.
Und nun ist ja auch bekannt, dass da bei den Requisiten viel geschummelt wird. Es gibt ein Video von der „Enterprise“ im Studio, in dem das gezeigt wird, dass das alles nur angepinseltes Sperrholz ist, dass das nur Röhren im Studio sind. Und viele Requisiten sehen aus der Nähe schlicht popelig bastelig aus. Im Bletchley Park in England steht der Enigma-Bombe-Nachbau aus einem Kinofilm, und wenn man davor steht, glaubt man es kaum, weil die „Stromkabel“ in Wirklichkeit nur ordinäre Schnüre sind, die gar nichts leiten. Vieles ist erstaunlich banal. Für die Kettenhemden in Herr der Ringe haben sie eigens eine Maschine entwickelt, die ordinäre Plastikrohre aus dem Baumarkt in Ringe schneidet, die man ineinanderhaken kann, aus denen man die Kettenhemden „gewoben“ und die dann mit Silberspray angesprüht hat, was selbst dann, wenn man direkt davor steht, unglaublich echt aussieht, aber rostfrei und vor allem viel leichter ist. Es wäre unmöglich gewesen, mit echten Kettenhemden zu drehen, die waren alle nur aus Plastik. Dafür sind die Waffen wirklich ganz toll gemacht, sehr detailliert, sehr hohe Qualität – aber nicht nur stumpf, damit man sich nicht verletzt, sondern aus poliertem Aluminium, damit sie schön leicht sind. Kämpfen könnte man damit kaum. Frodos Schwert gibt es in drei, optisch identischen, aber verschieden großen Ausgaben, weil je nach Perspektive das Schwert zum – normal großen – Schauspieler passen muss, der also immer das größte tatsächlich in der Hand hatte, während in den Einstellungen, in denen die Hobbits im Vergleich zu anderen klein aussehen müssen, die kleinen Versionen zum Einsatz kamen und dann eben die Frodo-Puppe mit dem kleinen Schwert auf dem Pferd saß. Auch die Elbenschwerter sahen richtig wertvoll aus, sehr gut gearbeitet, richtig edel. Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt habe ich mir ja auch schon im Original angesehen. Das echte Fliewatüüt hängt da an der Decke. Herrlich. Auch Robbi ist in der Nahansicht aus Sperrholz gefertigt und silbern angesprüht.
Also dachte ich mir, guckste Dir auch Star Wars mal an.
Aber, ach.
Das sind nicht die Originalrequisiten, sondern aus Fan-Sicht gebaut Nachbauten, oft auch einfach nur die Plastikspielzeugfiguren aus dem Spielzeughandel.
Das hat überhaupt nichts mit den Dreharbeiten des Films zu tun, sondern es geht darum, aus Fan-Sicht in der Star Wars-Welt zu leben, eher so wie die Cosplayer. Es wird nicht gezeigt, wie Szenen gedreht wurden, sondern die Szenen selbst werden nachgestellt. Lieblingsbegriff „Diorama“ für kleine Szenen. Wie Puppenhaus für Jungs, wie elektrische Eisenbahn mit Millennium Falcon.
Nachgemachte Podracer, nachgemachte Kostüme.
Manchmal ersichtlich mit Baumarktmaterial. Es gibt ein X-Wing-Fighter-Cockpit aus einem Amateurfilm, zu dem auch erklärt wird, dass man da alles verwertet hat, was so als Haushaltsmüll anfängt, um ein Cockpit zu bauen: Plastikdeckel jeder Art, der Sprühkopf einer WC-Ente, zwei leere Patronenhülsen aus einer Pistole (ich hätte es für Revolver gehalten), eine Plastikschale vom Sushi. Schön hingepappt und angesprüht, fertig ist das Cockpit. Kennt man ja aus vielen Fernsehfilmen, auch Raumpatrouille Orion. Die haben auch alles hingepappt, was sie finden konnten. Plastikbecher, Bügeleisen, Badewannenwasserhähne. Und Wesley Crusher auf dem Raumschiff Enterprise hatte exakt denselben futuristischen Koffer wie mein Vater – gehörte zu seiner JVC-Videokamera. Dafür hatte ich exakt die gleichen Stahltassen wie auf Deep Space Nine, habe aber nicht verstanden, wie die da daraus getrunken haben – ich habe mir daran ganz fürchterlich das Maul verbrannt. Und in fernen Galaxien in Star Trek Picard muss es wohl IKEA geben – zumindest hängen IKEA-Lampen an der Decke.
Ich will das nicht grundsätzlich in Abrede stellen, dass die das Zeug aus normalem Kram zusammenbasteln. Aber es ist etwas anderes, ob man die Originalteile aus den Requisitenstudios sieht, oder eine Amateurinterpretation, in der irgendeiner nach Feierabend was gebastelt hat, auch wenn er sich noch so viel Mühe gegeben hat.
Interessant fand ich allerdings einen Film, der zeigte, wie sich jemand ein Raumschiff aus reinweißem Kunststoff – schön zerklüftet, aber rein weiß – mit irgendeinem dreckigen Öl begießt und abwischt, das sich in die Fugen und Kanten setzt, und das danach so richtig echt dreckig im Star Wars-Look aussieht.
Wenn ich dann allerdings vor einem Schild stehe, in dem nicht etwa etwas über die Dreharbeiten steht, sondern erklärt wird, dass Darth Vader der Bösewicht ist (ach, echt?), dass Leia eine toughe Politikerin ist (ach, echt?), Han Solo Charme hat (ach, echt?) oder gar Yoda klein und grün ist und komisch spricht (Is’ nich wahr …), komme ich mir da verarscht vor. Sowas hätte ich eher in der Spielzeugabteilung bei Kaufhof und Karstadt erwartet.
Ich will das jetzt nicht runtermachen.
Aber es hat mich nicht angesprochen. Ich bin da eigentlich nicht hin, um Hobby-Bauten und Industriespielzeugfiguren anzusehen.
War auch nicht voll. Zuerst dachte ich sogar, ich sei alleine, habe dann aber doch noch andere Leute gesehen.
Armer Darth Vader. Das hat er nicht verdient.