Ansichten eines Informatikers

Ein selbstverstärkender Fehler

Hadmut
15.6.2024 15:21

Mein Steckenpferd.

Ich sammle ja diese Kategorie von Fehlern, in denen jemand zwar merkt, dass etwas schief geht, und Gegenmaßnahmen einleitet, aber aus einem funktionalen Irrtum heraus die Maßnahme in der entgegengesetzen, falschen Richtung betreibt, weil er irrtümlich annimmt, dass das helfen würde und müsse, und damit den Fehlerzustand verstärkt, und dann in einen letztlich fatalen Wechsel zwischen Verstärkung des Fehlers und Verstärkung der – vermeintlichen – „Gegenmaßnahme“ gerät, die alles nur noch schlimmer macht.

Die Informatik behandelt ja nicht nur digitale Systeme, auch die analogen Systeme sind Gegenstand der Theorie, Mathematik, Betrachtung (obwohl die eher in die Elektrotechnik passen). Und da weiß man, dass die negativ rückgekoppelten Systeme die stabilen sind, weil die Wirkung dem Zustand entgegenwirkt, das System also gedämpft ist. Im Prinzip wie die Stoßdämpfer im Auto, die das Fahrzeug beruhigen, weil sie der Fahrzeugbewegung entgegenwirken. Eine positive Rückkopplung dagegen ist fatal, weil sich das System immer weiter aufschaukelt, in Resonanz gerät. Klassisches Beispiel die Tacoma-Narrows-Brücke. Positive Rückkopplungen, die den Zustand, die Auslenkung weiter versterken, sind ein Problem, die gehen schief, die „hauen ab“, weil sich das System selbst immer weiter hochpumpt.

Und solche selbstverstärkenden Fehler passen genau in diese Systemtheorie. Denn weil man sich im Irrtum über das „Vorzeichen“ befindet, glaubt man, den Fehlerzustand dämpfen und rückführen zu können, indem man eine Maßnahme einleitet, die aber nur vermeintlich negativ wirkt, tatsächlich positiv. Und weil man sieht, dass der Zustand zunimmt, statt abnimmt, verstärkt man die Maßnahme, verstärkt also die positive Rückkopplung und bringt das System nur immer schneller zur Eskalation. Selbstverstärkende Fehler lassen sich wunderbar in der Systemtheorie erklären.

Aktuelles Beispiel:

In den Social Media wird behauptet, er sei durch den Stimmenverlust der Grünen aus dem Stadtrat geflogen. Und anstatt sich mal zu fragen, was sie falsch machen, ob sie nicht wegen ihrer Politik abgewählt wurden, meint er, das läge daran, dass sie nicht intensiv genug seien: Mehr Klima, mehr Umweltschutz, mehr Asylrecht.

Interessante Frage übrigens, warum „Nie wieder Deutschland!“ nicht als verfassungsfeindlich und als „Delegitimation“ angesehen wird.