Wie man deutsch wurde
Was Deutsche mit Affen zu tun haben.
Ich hatte vor einigen Jahren schon geschrieben, dass man bei Goldstumpfnasenaffen ein bestimmtes Verhalten beobachtet hat, dass erklären könnte und wohl auch zutrifft, warum kaukasisch-europäische Typen („Weiße“) recht kooperativ und erfindungsreich wurden (u.a. hier, hier und hier, auch hier).
Die – zuvor unkooperativen und feindlichen – Affen wurden in einer kalten Gegend eingeschlossen und mussten sich nicht nur bei Fell, Fett und Nahrung anpassen, sondern auch im Verhalten. Sie mussten kooperieren, um überleben zu können. Gemeinsam Nahrung sammeln, sich bei Kälte zusammenkuscheln und so weiter.
Kooperation ist aber die Grundlage jeder modernen Gesellschaft, der Ausbildung von Berufen, um irgendetwas hervorzubringen, was die Möglichkeit des Einzelnen übersteigt. Das fängt schon bei Schrift und Schulbildung an.
Ich halte es nicht nur für möglich, sondern für hochwahrscheinlich, dass der Umstand, dass praktisch die gesamte Neuzeit, die Moderne, von Weißen erfunden wurde, ein Produkt der evolutionär erzwungenen Kooperation und Vorausplanung ist. Wer kalte Winter überleben muss, ist gezwungen, sich ein ordentliches Haus zu bauen und Lebensmittel zu bevorraten.
Die WELT beschreibt – aus dem Magazin Science – nun einen ähnlichen Fall: „Der Wirbelsturm hat die Spielregeln in der Gesellschaft der Affen verändert“
Rhesusaffen gehören zu den streitlustigsten Primaten überhaupt. Das war auf Cayo Santiago nicht anders – bis ein Hurrikan über die karibische Insel zog. Inzwischen leben wesentlich tolerantere Äffchen dort. Wie es dazu kam? Die Evolution siebte aggressive Tiere aus einem ganz bestimmten Grund aus, wie ein US-Forschungsteam aktuell im Fachmagazin „Science“ berichtet.
Cayo Santiago ist auch als Monkey Island (Affeninsel) bekannt. Die unbewohnte kleine Insel im Karibischen Meer gehört zu Puerto Rico, die Temperaturen übersteigen dort regelmäßig 40 Grad. Der Hurrikan „Maria“ hatte 2017 mehr als die Hälfte der Vegetation auf Cayo Santiago zerstört, darunter viele der schattenspendenden Bäume, wie das Team um Camille Testard von der University of Pennsylvania in Philadelphia berichtet. Noch immer ist der Baumbestand demnach weitaus geringer als vor dem Wirbelsturm.
In der Hitze ist der Schatten von Baumkronen eine sehr wertvolle, lebensrettende Ressource. Und genau hier kam die Evolution ins Spiel, wie die Forschenden erläutern: War es zuvor kein Problem, wenn Affen aggressiv auf ihren Schattenplätzen beharrten, haben seit „Maria“ tolerantere, sich schattige Stellen teilende Rhesusaffen einen Überlebensvorteil – und die Zahl garstigerer Artgenossen nahm ab.
Zwar jetzt Hitze statt Kälte, aber dasselbe Prinzip: Harte Lebensbedingungen, in denen der Einzelne nicht überleben kann, zwingen zur Kooperation und Anpassung. Sobald die Lebensbedingungen so sind, dass der Einzelne überleben kann – auch wenn sie karg sind und gerade dann, wenn sie zum Konkurrenzproblem werden – fördert das die Aggressivität und Feindlichkeit, die ihrerseits wiederum evolutionäre Anpassungen sind.
Es kommt also darauf an, was sich evolutionär gerade als vorteilhaft erweist: Kooperation oder Aggressivität.
Arabische Länder sind keine typischen Kooperationsländer. Im Gegenteil herrschte dort das aggressive Nomadentum, weil die Lebensbedingungen zwar teilweise hart und karg waren, aber nicht so, dass sie Kooperation bevorteilten. Im Gegenteil förderten sie Konkurrenz und Aggressivität, weil die Resourcen knapp waren. Das Wasserloch musste verteidigt werden.
Und das geht eben nicht zusammen.
Ich hatte schon mal die gescheiterten Hühnerzuchtversuche meines Vaters erwähnt: Wir hatten im Garten Zwerglachshühner. Kleine, liebe, gedrungene, rundliche, gemütliche, (von einer Ausnahme abgesehen) gutmütige, sehr friedliche, fleißige, nette Hühner, die gerne in der Sonne liegen oder im Schatten sitzen, scharren, Kirschen fressen, das Leben im Garten genießen, und jeden Tag ein Ei legen (die Weibchen). Total brav und produktiv. Und genug Fleisch dran, um sie zu essen. Sowohl die Eier, als auch das Fleisch wohlschmeckend, gute Qualität. Konnte man auch streicheln oder auf den Arm nehmen.
Eines Tages kam mein Vater auf die Schnapsidee, eine eigene Hühnerrasse züchten zu wollen, und kam mit einer Kiste „russische Orloffs“ an, die er irgendwo gekauft hatte. Fiese Viecher. Schlank, aufrecht, kaum was dran, lohnen nicht zum Verzehr, legen wenige Eier, hochaggressiv, starkes Revierverhalten, sehr, sehr schnell. Vom Menschen distanziert, nicht anzufassen. Ab da war Terror im Garten. Die Orloffs – obwohl etwas in der Minderheit – haben ständig angegriffen, die Zwerglachshühner waren nur noch auf der Flucht, versuchten sich zu verstecken, verletzt, verängstigt, fertig mit den Nerven – und obwohl wir fast doppelt so viele weiblich Hühner hatten – praktisch keine Eier mehr, weil die Orloffs kaum welche legten und die Zwerglachshühner zu verängstigt und gestresst dazu waren. Die hatten überhaupt keine Ruhe mehr, die hatten nur noch Angst und waren permanent auf der Flucht. Die Orloffs in ihrem aufrechten Gehabe und dem Kamm, der eher aussah wie ein Barett, sahen schon aus wie irgendwelche Elitekämpfer oder irgendeine Guerillatruppe, die waren von vornherein auf Kampf geeicht. Die wären was für Hahnenkampfwetten gewesen. Wir mussten die abends – teils mit Gewalt – in getrennten Käfigen unterbringen, damit die überhaupt zum Schlaf kamen.
Das Ende vom Lied war, dass mein Vater erst die Orloffs notschlachtete, und schließlich, weil sich die Zwerglachshühner davon nicht mehr erholten und keine Eier mehr legten, nach einiger Zeit auch die. Wir hatten dann keine Hühner mehr.
Das hat nicht funktioniert, kooperativ-produktive mit konkurrierend-aggressiven Hühnern zu mischen. Obwohl jedes Verhalten für sich unter bestimmten Umweltbedingungen das Überleben sichern kann. Und vielleicht wären auch die Orloffs erträglich gewesen, wenn sie nicht mit künstlicher Konkurrenz konfrontiert worden wären, denn untereinander waren die drastisch weniger aggressiv. Es geht aber nicht zusammen.