Ansichten eines Informatikers

Frau und Mode

Hadmut
25.6.2024 22:29

Mal was frauenzeitschriftiges …

Dass Mode weiblich ist und deshalb absurde Mengen von Kleidung produziert werden, die man entweder nie verkauft, kauft und nie trägt oder nur einmal trägt, ist bekannt. Es heißt ja immer, die Klimazerstörung sei männlich, aber der Modekram wurde als umweltschädlicher eingestuft, als der gesamte weltweite Flugverkehr zusammen.

Neulich hatte ich so ein Aha-Erlebnis.

Ich wohne seit über zehn Jahren in Berlin, und bin am Alexanderplatz stets an einem großen Kaufhausgebäude vorbeigegangen, ohne das auch nur ein einziges Mal zur Kenntnis zu nehmen. Freilich habe ich das Gebäude gesehen, aber dieses gesamte Gebäude hat mich geradezu angebrüllt, dass es für mich völlig uninteressant ist.

Neulich schleppte mich eine Freundin in genau dieses Gebäude. Dabei ist die gar nicht mal so modeaffin. Die wusste sofort, was es darin gibt, obwohl sie nicht mal aus Berlin ist. Mode. Genauer gesagt, Restposten von teuren Marken, die die nicht verkaufen konnten, und da nach dem Ramschladenprinzip abverkauft werden. Ich konnte nicht widerstehen und habe mir eine ehemals teure Marken-Jacke mit Batman-Muster gekauft, weil die exakt zu meiner Batman-Unterhose passt, obwohl das keinen Sinn ergibt, weil ich eigentlich nie in Jacke mit Unterhose rumlaufe. Der, der seine Unterhosen offen trug, war Superman. Und Jacken hatten sie eigentlich beide nicht. Ich jetzt schon.

Es war frappierend. Ein Kaufhaus, vollgestopft mit Überproduktionen, der Aussage besagter Freundin nach keine Plagiate oder Fälschungen oder Schrott, sondern Originalware, nur eben nicht mehr in der Kollektion.

Es gab ja neulich schon im Blog, dass man in der Atacama-Wüste in Chile regelrechte Berge von Kleidungsmüll gefunden hat. Eine Art der Entsorgung von Überproduktionen. Die machen da große Haufen und zünden die dann an.

Unfassbare Mengen von Kleidung werden überproduziert, und das fast nur für Frauen, weil Frauen ständig neue Angebote haben wollen. Geht mal in Berlin in die einschlägigen Schuh- oder Klamottenläden. Alles für Frauen, und die Männerecke ist dann im Keller oder im 1. OG ganz hinten rechts. Oder im 2. Und im Prinzip gibt es da den gleichen Kram wie letztes Jahr. Und vorletztes. (Außer Batman-Jacken, die sind sowas von aus der Mode, kein Mensch läuft mehr in Batman-Jacke rum.)

Nun scheint es aber, als erlebe der Mode-Zirkus eine Zäsur. Ein Leser wies mich auf das da hin: 61,8 Millionen Zara-Artikel im Vinted-Angebot – ist die zirkuläre Mode in Schwierigkeiten?

Die stolze Zahl von 61,8 Millionen Zara-Kleidungsstücken auf dem beliebten Online-Secondhand-Marktplatz Vinted zeigt ein komplexes Bild von Verbraucher:innenverhalten, Fast Fashion und Nachhaltigkeitsbemühungen im Einzelhandel. In ähnlicher Weise listet die Plattform 59,7 Millionen H&M-Artikel, 21,8 Millionen Shein-Teile, 21 Millionen Primark-Artikel und 10,2 Millionen Mango-Artikel.

Über 100 Millionen überflüssige Artikel. Und das ist ja nur ein kleiner Teil, und wohl nur Deutschland. Insgesamt dürften das einige Milliarden sein.

Der Modeunternehmer Stuart Trevor, Gründer der High-Street-Marke All Saints und der nachhaltigen Vintage-Marke Stuart Trevor, verfolgte die Anzahl von Zara-Artikeln, die zwischen März und Juni an 77 Tagen auf Vinted gelistet waren. Trevors Daten, die er auf LinkedIn veröffentlichte, zeigen, dass die Anzahl der Artikel von 52,4 Millionen Ende März auf 61 Millionen Mitte Juni gestiegen ist, was einem Anstieg von durchschnittlich 100.000 Artikeln pro Tag entspricht.

Was mir an der Sache nicht ganz klar ist: Manchmal ist da die Rede von Wiederverkaufsplattformen, also Second-Hand und nicht Überproduktion.

Die weite Verbreitung dieser Artikel auf einer Wiederverkaufsplattform deutet auch auf einen zunehmenden Trend zur zirkulären Mode hin: Verbraucher:innen scheinen sich zunehmend bewusst zu sein, dass sie den Lebenszyklus ihrer Kleidung verlängern wollen, anstatt die Kleidungsstücke nach begrenztem Gebrauch wegzuwerfen. Dieser Wandel steht im Einklang mit umfassenderen Nachhaltigkeitszielen und könnte als positiver Schritt zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Modebranche gesehen werden. Allerdings sollte kreislauffähige Mode darauf abzielen, dass qualitativ hochwertige Kleidung länger als eine Saison hält, und nicht darauf, dass Fast-Fashion-Marken jedes Jahr Hunderte von Millionen Kleidungsstücke, meist aus Polyester, produzieren, die dann ungetragen bleiben.

Ganz ehrlich?

Glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass die plötzlich alle umweltbewusst geworden sind und die Kleidung weiterer Verwendung zuführen wollen, statt sie wegzuwerfen.

Ich vermute eher, dass die Kundschaft zwar an der Mode und dem ständigen Wechsel festhält, aber das Geld knapp wird. Die Leute versuchen, aus den Klamotten wieder etwas Geld herauszuholen.

Wie dem auch sei, ob es nun Umweltbewusstsein, Geldknappheit oder einfach ein Mentalitätswechsel ist, es das in unserer Gesellschaft vielleicht einfach nicht mehr gibt, „chic“ auszusehen, und wir zum sozialistischen Mao-Kittel, dem Hidschab, der Burka oder ähnlichem hintrenden, es könnte durchaus sein, dass die Zeit dieser Massenverbrauchsmode ihrem Ende entgegensieht.

Man mag das bejubeln und sich darüber freuen, dass der Wahnsinn zumindest ein bisschen ein Ende hat. Zumal ich das ja auch schon beschrieben hatte, dass wir hier das Maul aufreißen von Sozialstaat und Mindestlohn, uns gleichzeitig aber die Klamotten aus Billiglohnländern wie Bangladesch oder China kommen lassen, also auf den Mindestlohn pfeifen. Es wird zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen.