Ansichten eines Informatikers

Die drei Prüfungsrechtsfehler des Dozenten

Hadmut
30.6.2024 15:29

Ein Dozent schreibt mir. Ich finde drei Fehler darin. [Nachtrag]

Leserzuschrift zu meinem Artikel über Prüfungsrecht und die Befangenheit des Prüfers:

Sehr geehrter Herr Danisch,

haben Sie vielen Dank für Ihren Artikel “Die Befangenheit des Prüfers im Allgemeinen und in Essen im Besonderen” vom 29.06. Ihre Empörung kann ich in vielen Punkten nachvollziehen, in einem bin ich jedoch anderer Ansicht.

In Kürze: Ich denke, daß eine mit einer Lehrveranstaltung verbundene Prüfung Bestandteil dieser Lehrveranstaltung und damit Teil der Lehre ist.

Ausführlich: Sie schreiben, daß “[…] Prüfungen aber weder Forschung noch Lehre, sondern ein hoheitlicher Akt sind […]”. Ich möchte unterscheiden:

a) Studienabschluß- und berufsqualifizierende Prüfungen. Hier haben Sie m. E. recht.

b) Prüfungen (Klausuren u. dgl., auch abschließende Prüfungen) zu einer Lehrveranstaltung, z. B. einer Vorlesung oder einem Sprachkurs. Das sind keine Studienabschluß- und berufsqualifizierende Prüfungen, und sie gehören m. E. zur Lehre: Der Dozent prüft, in welchem Umfang seine Studenten den in der Lehrveranstaltung vermittelten Stoff beherrschen (“Sitzscheine” wollen wahrscheinlich weder Sie noch ich). Ihrem Argument bzgl. der Rechte von Prüfern und Prüflingen und der weltanschaulichen Neutralitätspflicht jener tut das m. E. jedoch keinen Abbruch, da für die Prüfung als Teil der Lehre Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG gilt: “Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.” Das gilt selbstverständlich auch für nicht verbeamtete Dozenten, und so komme ich auf anderem Wege zu demselben Ergebnis wie Sie.

Mit freundlichen Grüßen

So denken viele Hochschuldozenten. Es sind aber drei Fehler drin, die ich beleuchten möchte, weil sie praktisch allgegenwärtig und grob verfassungswidrig sind:

Berufsbezogene Prüfungen

Das Prüfungs- als Verfassungsrecht unterscheidet nicht zwischen harten Studienabschluss-/Berufszugangsprüfungen und den weichen Noten- oder studienbegleitenden Prüfungen, auch nicht zwischen Staatsexamen/Approbation, die man braucht, um einen Beruf ausüben zu dürfen, und etwa einem Informatik-Diplom, das man formal nicht braucht.

In zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (habe sie jetzt gerade nicht parat, ich glaube, eine davon war die Fundamentalentscheidung zum Prüfungsrecht von 1991 und die andere eine zeitnahe Begleitentscheidung) wurde das ausdrücklich ausgeführt, dass es nicht nur um harte Zugangsprüfungen geht, sondern um alles, was auch das berufliche Fortkommen und den Wettbewerb mit anderen Bewerbern um eine Stelle betrifft. Wenn es also schon die Studiendauer beeinflusst (etwa, weil man eine Vorlesung oder Prüfung wiederholen muss, oder zum Beispiel auch nicht teilnehmen konnte) oder eben die Note, fällt das unter den Prüfungsrechtsschutz, denn das Prüfungsrecht geht zentral aus den Artikeln 12 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG hervor. Und damit ist jeder Eingriff des Staates (und damit auch des Prüfers) in das berufliche Fortkommen daran zu messen, und muss auch dem Prüfungsrecht unterliegen, weil es die Rechtswegsgarantie gibt.

So denken viele, aber es ist halt immer falsch. Schönes Beispiel dafür, dass Mehrheit und Konsens auch an der Uni komplett falsche Ergebnisse liefern können, denn darüber gibt es einen Konsens. Akademiker-Konsense sind wertlos.

Prüfungen gehören, solange sie den Beruf betreffen – alles, was Artikel 12 Absatz 1 GG umfasst:

Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz:

Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Ein Prüfer ist kein Gesetz, auch wenn sich die meisten Dozenten dafür halten.

Interessanterweise gilt das Prüfungsrecht damit formal nur für Deutsche. Es würde aber keiner wagen, das auf Deutsche einzuschränken, zumal man immer mit Art. 3 GG argumentiert, dass man ja nicht aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden dürfe, und deshalb alle Deutschen-Rechte auch für alle anderen gälten. Ich halte das für überaus problematisch, aber nicht beim Prüfungsrecht, weil da sowieso der Gleichheitsgrundsatz gilt, und würde man Deutsche und Ausländer unterschiedlich prüfen, das die ganze Prüfung ihrer Rechtsgrundlage entheben würde, man gar nicht mehr prüfen dürfte, weil die Rechtfertigung dafür, überhaupt prüfen zu dürfen, entfallen wäre.

Verfassungsrechtlich gesehen darf der Staat nämlich wegen Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz eigentlich gar keine Prüfungen durchführen – als Ausnahme davon gilt, wenn der Staat berechtigte und selbst geschützte Interessen der Öffentlichkeit schützen will, etwa dass man nicht von Scharlatanen operiert oder vor Gericht anwaltlich vertreten wird, deshalb Approbation und Staatsexamen. Und auch die weichen Prüfungen wie etwa ein Informatik-Diplom dienen dazu, der Öffentlichkeit und damit Arbeit- und Auftraggebern eine Ausbildung nachzuweisen. Damit wäre es systematisch unvereinbar, wenn für Deutsche und Ausländer unterschiedliche Anforderungen gelten. Auch wenn sie aus politischen Gründen zugunsten von Ausländern ausfielen.

Aus diesem Grund ist es übrigens verfassungswidrig, etwa an Männer und Frauen unterschiedliche Anforderungen zu stellen, um Frauen zu fördern.

Vereinfach gesagt: Wenn man an zwei Gruppen A und B unterschiedliche Anforderungen und Maßstäbe stellt, verletzt man die Rechte derer, an die die strengeren Maßstäbe angelegt werden, weil die andere Gruppe beweist, dass diese nicht erforderlich sind.

Etwas anderes gilt an Schulen, weil da pädagogische Aspekte zugelassen sind (auch wenn die Abi-Note oder das Durchfallen genauso relevant sind, aber ich habe die Entscheidungen ja nicht gemacht, das wird halt komplett anders betrachtet.)

Und etwas anderes gilt auch dann, wenn es nicht den Beruf betrifft, etwa im Sportverein, oder im Studium Generale. Bei uns wurden an der Uni auch Sprachkurse angeboten, beispielsweise Japanisch, just for fun. Auf derartige Prüfungen, beispielsweise Gürtelprüfungen im Judo, ist das nicht anwendbar, weil erstens keine Berufsprüfung und zweitens keine staatliche Prüfung. Der Prüfer prüft ja nicht hoheitlich.

Theoretisch ist es also schon möglich, dass ein Dozent Studenten über seine Vorlesung prüft und dabei nicht dem Prüfungsrecht unterliegt, nämlich dann, wenn es für den Abschluss und das Zeugnis nicht darauf ankommt. Es gab schon Vorlesungen an Universitäten, für die der Dozent, weil er eben nicht nur Professor, sondern auch privatrechtlicher Prüfer war, irgendein Zertifikat in IT-Sicherheit ausstellte (weiß es nicht mehr, ich glaube, es war CISSP, aber ich weiß auch nicht mehr, ob das in Deutschland war, mir fällt nur gerade kein besseres Beispiel ein), das die Studenten damit gratis zum Abschluss dazugeschenkt bekamen, und das formal nicht Teil des Studiengangs war, sondern einfach ein netter Zug des Dozenten, obwohl selbst das schon zweifelhaft und strittig wäre. In dem Moment aber, in dem die Prüfung irgendetwas mit dem Abschluss zu tun hat, man also etwa eine schlechtere Note oder das Zeugnis nicht bekommt, weil man durchgefallen ist oder schlecht abgeschnitten hat, unterliegt das in vollem Umfang dem Prüfungsrecht.

Und nein, Prüfen gehört in keinem Fall zur Lehre.

Schon deshalb nicht, weil die Lehre das ist, was der Dozent tut, und die Prüfung etwas ist, was der Prüfling tut, nicht der Prüfer.

Es ist aber schier unmöglich, das Professoren begreiflich zu machen, dass Lehre und Prüfung zwei gänzlich unterschiedliche Dinge sind und eigentlich fast gar nichts miteinander zu tun haben, und dass die Freiheit von Forschung und Lehre die Wahrnehmung ihres individuellen Grundrechts gegenüber dem Staat ist, während die Prüfung ein hoheitlicher Akt des Staates gegenüber dem Prüfling ist, und es deshalb an der Universität ein Prüfungsamt gibt oder die Universität als Prüfungsamt handelt, und es einen Prüfungsbescheid gibt, gegen den man Widerspruch einlegt, weil die Prüfung ein Verwaltungsakt ist.

Geht Professoren nicht in die Birne. Gefühlte 98% sind zu doof dazu, und die restlichen 2% im Forschungssemester.

Dazu kommt dann noch die mafiöse korrupte Interessenvertretung.

Und als ob das noch nicht genug sei, dazu noch das völlige Missverständnis der „Freiheit von Forschung und Lehre“. Reden, darauf pochen, sie beanspruchen, das tun sie alle.

Kennt Ihr auch nur einen einzigen Professor, der mal nachgelesen hätte, was das überhaupt ist, und nicht einfach nur die Phrasen nachschwätzt?

Die sind alle fest davon überzeugt, die „Freiheit von Forschung und Lehre“ sei eine Eigenschaft ihrer Stellung als Professor, gehe mit der Professur einher, und sei inhaltlich grenzenlos, erlaube zu tun und zu lassen, was man gerade will.

Dabei ist es genau umgekehrt: Die Freiheit von Forschung und Lehre steht jedem zu, der auch nur forschen will. Sie ist in keiner Weise an einen Abschluss oder Grad gebunden, schon gar nicht an die Professur, und auch nicht, wie das Amtsgericht meinte, das damals den Professor Ulrich Kutschera verurteilte, weil er sagte, dass es zwei Geschlechter gäbe, räumlich an den Campus gebunden sei, und deshalb nicht für Radiointerviews gelte. Sie gilt überall und für jeden, ist personell und räumlich unbegrenzt.

Dafür aber ist sie keine Handlungsfreiheit, sondern inhaltlich auf bestimmte, deutlich eingrenzte Handlungen beschränkt, nämlich (ich müsste die genauen Formulierungen jetzt heraussuchen) planmäßig und mit einem bestimmten Ziel und nachprüfbar, dokumentiert, Wissen zu finden und weiterzugeben. Und genau das tun die meisten Professoren ja nicht – oder nicht mehr. Viele haben es nie gelernt und wissen gar nicht, was das ist.

Und das ist ein großes Problem. Während manche Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit und Meinungsfreiheit immer und sofort gelten – man kann völlig ungebildet sind, nichts wissen, spontan irgendetwas rufen können und sofort das Grundrecht genießen können. Sogar ein Mensch, der – theoretisch – zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt etwas – öffentlich oder zu anderen – sagt, hätte schon in seinem ersten Satz Meinungsfreiheit. Sogar dann, wenn er dumm und falsch wäre.

Die Grundrechte der Presse-, Forschungs- und Lehrfreiheit sind aber anders. Sie sind zunächst mal daran gebunden, dass man etwas nachhaltig, geschäftsmäßig unternimmt. Ich kann mal eben meine Meinung kundtun, aber ich kann nicht mal eben schnell für 10 Minuten forschen oder Presse sein, weil mir gerade mal spontan danach ist. Es muss nachhaltig, qualitativ, systematisch, regelmäßig, planmäßig erfolgen. Diese Grundrechte muss man sich erarbeiten, weil sie nur die nachhaltige Tätigkeit schützen (und damit ist nicht klimaschonend gemeint, was viele heute unter „nachhaltig“ versehen, sondern im juristischen Sinne, auf Dauer und Bestehen angelegt).

Die deutsche Professorenschaft wähnt sich zwar immer gerne als im Besitz und als Hüter der Freiheit von Forschung und Lehre. Die Realität ist aber, dass die allermeisten nicht nur nicht wissen, was das überhaupt ist, sondern auch nur die wenigsten tatsächlich etwas tun (und können), was diese Freiheit überhaupt erst eröffnet. Die meisten deutschen Professoren haben das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre nicht, weil sie weder forschen noch lehren im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern dazu auch viel zu doof und zu faul wären – und das in solchen Schwafelfächern wie Gender Studies mangels jeglicher wissenschaftlicher Substanz auch gar nicht möglich wäre. Die meisten deutschen Professoren sind bei Licht betrachtet nichts weiter als kleine (aber teure) korrupte Beamte, die ihre Stellung missbrauchen und auf ihre Pflichten pfeifen, und das Glück hatten, durch Politik und Korruption an einen lebenslangen Vollversorgungsposten zu kommen, statt auf dem Arbeitsmarkt zu verhungern.

Verhältnis Dozent-Student

Die Freiheit von Forschung und Lehre ist – wie alle Grundrechte – ein Abwehrrecht des Grundrechtsträgers (hier: des Dozenten) gegenüber dem Staat, genauer gesagt, gegenüber den drei Staatsgewalten, Legislative, Judikative und Exekutive. Der Staat darf ihm nicht vorschreiben, was er lehrt oder nicht lehrt. Das Bundesverfassungsgericht hat das mal in einer Scheidung als „Freiheit von jeder staatlichen Ingerenz“ formuliert.

Der Prüfer hat aber überhaupt kein Rechtsverhältnis gegenüber den Studenten (außer die, die er gegenüber jedem hat, wie etwa Urheberrecht auf sein Lehrmaterial usw.).

Der Prüfer hat keinerlei Recht oder Anspruch gegenüber den Studenten darauf, dass sie ihm das glauben, was er sagt, oder das irgendwie übernehmen.

Die Studenten sind nicht Sklaven, nicht Untergebene, nicht Empfehlsbefänger des Dozenten. Der Dozent darf in weiten Grenzen lehren, was er will, aber er hat keinerlei Anspruch auf Anwesenheit oder darauf, dass ihm jemand zuhört oder gar glaubt.

Der Dozent hat überhaupt kein Recht darauf, Studenten darauf zu überprüfen, ob sie das, was er gelehrt hat, verstanden, verinnerlicht oder überhaupt zugehört haben. Studenten sind nicht dazu da und auch nicht dazu verpflichtet, dem Dozenten die Lehrfreiheit zu erfüllen oder ihm die Macht zur Durchsetzung zu geben.

Auf auffälligsten tritt gerade dieser Fehler bei Gendersprache zu Tage: Wir haben an den Universitäten Massen von dummen, dümmsten und noch dümmeren Quotentussis, die sich allen Ernstes einbilden, dass sie in irgendwelchen Seminaren oder Hausarbeiten Gendersprachen verlangen und Arbeiten schlechter benoten oder ablehnen dürften, die nicht gendern. Insbesondere Gender, Feminismus, Frauenquote und Frauenförderung haben zu einer unfassbaren Verblödung und Verwillkürlichung der Universitäten geführt.

Zugegeben, früher war das in diesem Detail auch nicht besser. Ich habe damals als Mitarbeiter auch geprüft und schriftliche Arbeiten bewertet usw., ohne dass mir vorher irgendwer gesagt hätte, was man dazu zu tun und zu lassen hat. Wie auch, es wusste ja an der ganzen Universität (Karlsruhe) niemand, nicht einmal die Justiziare. Als ich mich dann wegen des Promotionsstreites da durchgefressen habe, war ich weit und breit der Einzige, der (außer einer winzigen Zahl jener Jura-Professoren, die selbst Verwaltungsrichter und mit dem Thema befasst waren, und bundesweit einer Handvoll Rechtsanwälte) wusste, dass es so etwas wie Prüfungsrecht überhaupt gibt. Die waren ja damals überzeugt, dass sie mir das ablehnende Prüfungsgutachten meiner Dissertation nicht einmal zeigen müssten, dass ich nicht einmal das Recht hätte zu erfahren, warum man das überhaupt abgelehnt hat, noch weniger dagegen Widerspruch äußern dürfte.

Nur: Wir waren ja damals noch „normale“ Leute, und intelligent. Wir sind ja intuitiv und mit logischem Denken und wissenschaftlichem Anspruch von selbst darauf gekommen, uns im Prinzip richtig zu verhalten und alle gleich und rein sachlich zu bewerten. Wenn wir hunderte von schriftlichen Prüfungsarbeiten bewertet haben, haben wir erst die fachlichen Fehler und Lösungsansätze darin gesammelt, uns dann zusammengesetzt und diskutiert, wie wir die bewerten und wieviele Punkte wir dafür vergeben oder abziehen, und danach in einem zweiten Durchgang die Punkte vergeben – und teils diese internen Entscheidungen sogar gegenüber den Prüflingen veröffentlicht.

Heute dagegen herrscht an den Universitäten das linke Großdeppentum, bei dem jeder dahergelaufende Schwachsinnende meint, die Gesellschaft verbessern zu müssen, indem er Noten nach Willkür und Quoten vergibt, Frauen Gratis-Noten schenkt und weiße Männer niedermacht. Und das ist nicht nur meine Einschätzung, das steht auch in den Schriften der Gender-Studies und der Rechtssoziologie, wonach Recht nicht mehr Gesetzen, sondern einer „Gerechtigkeit“ zu folgen hat, man also subversiv seinem Gerechtigkeitsgefühl zu folgen habe. Und „Quality is a myth“ – zu finden auch bei der Gender-Professorin Susanne Baer, die dann Verfassungsrichterin für – ausgerechnet – auch Promotionsrecht war.

Studenten sind insbesondere nicht da, das Ego des Dozenten, dessen Ideologie, Dachschaden, Schnapsidee oder auch Konto zu füllen.

Genau genommen gibt es gar kein direktes, unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen Dozent und Student, und der Dozent kann einen Studenten genauso wenig prüfen, wie man von einem wildfremden Passanten auf der Straße angesprochen und geprüft werden kann.

Warum also sollte sich ein Student von irgendeinem Dozenten prüfen lassen müssen? Er hat doch rechtlich mit dem gar nichts zu tun. (Wer das jetzt nicht versteht: Den folgenden dritten Fehler lesen.

Studenten studieren nicht beim Professor. Sie studieren an der Universität. Und der Professor ist, auch wenn Beamter, letztlich ein ordinärer Angestellter der Universität, der deren Aufgaben erfüllt, und nicht Herr und Gebieter der Studentenschaft.

„Vorlesungsbegleitende Prüfung“

Das ist einfach: Es gibt (prüfungsrechtlich) keine „Vorlesungsbegleitende Prüfungen“.

Was erstaunlicherweise niemand unter den Professoren und Dozenten zu wissen scheint, obwohl es so einfach ist, weil Professoren nie darüber nachdenken, was sie da eigentlich tun, und sich nicht ansatzweise über die Rechtsgrundlagen informieren. Das ist alles Professorenfolklore, weil die einfach nachmachen, was sie da als Student selbst gesehen hatten, wie Schafe im Rudel.

Nochmal: Es gibt keine „Vorlesungsbegleitende Prüfung“.

Es ist umgekehrt: Es gibt prüfungsvorbereitende Vorlesungen – und solche, die das nicht sind. Die Vorlesung gehört zur Prüfung, und nicht die Prüfung zur Vorlesung.

In einem der Prüfungsrechtsbücher (weiß es jetzt gerade nicht auswendig, steht in meiner Wohnung in Berlin, und ich bin gerade nicht dort, ich glaube, es war das schmale mit dem orangefarbenen Umschlag) steht das nämlich als Regel und Zusammenfassung der Rechtsprechung in einem tollen, knackigen Satz (aus dem Gedächtnis):

Geprüft wird, was zu lernen war, nicht was gelehrt wurde.

Es ist prüfungsrechtlich nämlich scheißegal, was der Dozent da vorne erzählt oder nicht erzählt hat. Deshalb kann sich ein Prüfer im Streit nicht darauf berufen, was er gelehrt hat, und ein Prüfling nicht darauf, dass etwas in der Vorlesung nicht dran war oder anders gelehrt wurde, als in der Prüfung verlangt.

Denn – und das weiß praktisch auch kein Professor, kein Dozent, keine Fakultät, kein Justiziar – den Prüfungsstoff legt nicht der Dozent fest. Der hat da gar nichts zu melden. Ich habe nie herausgefunden, warum die – außer dem Prinzip der hirnlosen Nachahmung und souverän verbeamteten Willkür – alle glauben, dass sie da ihren Vorlesungskäse abprüfen könnten, dürften, sollten.

Die Anforderungen, Kriterien, Inhalte, Bewertungsmaßstäbe, welche Prüfungen es überhaupt gibt, kann verfassungsrechtlich nur einer festlegen: Der Gesetzgeber.

Erstens, weil das in Art. 12 Abs. 1 GG (s.o.) so steht, dass überhaupt nur durch Gesetz in die Berufsausübung eingegriffen werden kann, und das nicht jeder dahegelaufende Honk kann, den irgendein korruptes dummes Hochschulgremium politisch ausgesucht hat. Und zweitens, weil „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, also der, der die Kriterien festlegt, demokratisch legitimiert sein muss. Und das ist nur die Legislative, aber nicht die Exekutive (der Professoren, Dozenten, Prüfer angehören).

Der Gesetzgeber muss das in allen wesentlichen Punkten selbst tun. (Was er freilich nicht tut, weil nicht nur politisch unerwünscht, sondern auch die Bundes- und Landesversammlungen von Studienabbrechern und Zivilversagern, die Parlamente zu nennen wir die Naivität besitzen, dazu schlicht nicht in der Lage wären, wie sollen auch Ungelernte und Studienabbrecher solche Gesetze machen können?)

Erst die Einzelheiten darf der Gesetzgeber an die Verwaltung zur Normierung in einer untergesetzlichen Verwaltungsverordnung delegieren, indem er sie dazu ermächtigt. In akademischem Deutsch: Die Studien- und die Prüfungsordnung, die zu erlassen und im Amtsblatt zu veröffentlichen sind.

Da, und nur da, steht, was Gegenstand einer Prüfung sein darf und sein muss: Gesetz, Studienordnung, Prüfungsordnung.

Und nicht an der Tafel des Dozenten.

Das war vielleicht mal im Mittelalter so (nein, falsch, das Mittelalter ging bis zum 15. Jahrhundert, und da wurden erst die Universitäten gegründet, also die „Frühe Neuzeit“), wohl auch bis ins 19. Jahrhundert und in gewisser Weise auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Aber: Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist das eben nicht mehr so. Es gehört zu den Grundrechten, dass man sich nicht von irgendeinem dahergelaufenen Dozenten (der ja meist über keinerlei eigene Berufserfahrung verfügt) in den Beruf reinreden lassen müsste. Der kann da vorne in weiten Grenzen erzählen, was er will – aber er kann es nicht abprüfen.

Deshalb muss ein Prüfer auch „zuvörderst“ (BVerwG) vor einer Prüfung zur Kenntnis nehmen, was eigentlich an Prüfungsleistung gefordert und an Maßstäben vorgegeben war. Die Kenntnis seiner eigenen Vorlesung ist da völlig irrelevant und hilft ihm gar nichts.

Deshalb gilt im Prüfungsrecht nämlich auch der zwingende Grundsatz dass Richtiges nicht als falsch, und Falsches nicht als richtig gewertet werden darf. Was frappierend sein mag, aber das Bundesverfassungsgericht fühlte sich 1991 genötigt, das ausdrücklich zu urteilen, weil das Professoren und Dozenten nicht bekannt zu sein schien und da grenzenlose Willkür herrschte – und die Professoren fest davon überzeugt waren, dass sie das auch dürften.

Und dazu gehört, dass der Prüfling auch andere Meinung sein darf, als der Prüfer. Wenn der Prüfling eine vertretbare und etwa in der Literatur ernstlich vertretene Meinung äußert, darf diese nicht als falsch gewertet werden, schon gar nicht, weil der Prüfer andere Meinung ist. Es gibt sogar ein Urteil, wonach eine Antwort nicht als falsch gewertet werden darf, weil sie von der Musterlösung abweicht oder das Prüfungsgremium anderer Meinung ist.

Warum? Weil in der Prüfung nur die Meinung und die Antworten des Prüflings, aber nicht die des Prüfers geschützt sind.

Und daraus folgt multipel zwingend, dass ein Prüfer keine vorlesungsbegleitende Prüfung zu seiner Vorlesung durchführen kann. Nicht nur, weil er als Prüfer gar nicht befugt ist, selbst den Prüfungsgegenstand festzulegen, sondern auch, weil eine Vorlesung als solche nicht prüfungsfähig ist und ein Prüfling nicht darauf abgeprüft werden darf und kann, ob er die Vorlesung verstanden und gefressen hat.

Im Prinzip kann ein Prüfling nämlich sagen „Alles Quatsch, was Sie da erzählen, Sie haben keine Ahnung! Ich halte es da mit den Dozenten X, Y und Z, die weithin anerkannt sind und in ihren Büchern A, B und C etwas ganz anderes schreiben als Sie, da steht nämlich bla, bla und bla!“

Und das darf nicht als falsch gewertet werden. Deshalb geht das prüfungsrechtlich gar nicht, eine bestimmte Vorlesung abzuprüfen.

Und auch die Anwesenheit ist problematisch. Denn der Studienabschluss bestätigt Befähigungen und Leistungen, und nicht Anwesenheiten. Vereinfacht gesagt: Der Chirurg muss operieren und der Mathematiker multiplizieren können, aber sie müssen nicht die Vorlesungen von Meier und Müller gehört haben. Sie könnten das auch aus den Büchern von Schmidt und Schulze gelernt haben. Deshalb muss die Prüfung darauf lauten, ob sie das können, und nicht, ob sie in der Vorlesung waren.

Anmerkung dazu: Ich habe selbst keine einzige der Vorlesungen, über die ich zum Hauptdiplom geprüft wurde, gehört. Weil ich Anfang des Hauptdiploms 2-3 Semester schwer krank und außer Gefecht war, und mich auch danach erst erholen musste, deshalb mit der Diplomarbeit angefangen habe, bei der ich erst einmal in Ruhe sitzen konnte, während die Operationen verheilten und vernarbten. Dummerweise hatte die Fakultät in dieser Zeit das Hauptdiplom komplett umgestellt, und die alten Vorlesungen nicht mehr angeboten, und ich hatte die Übergangszeit durch die Krankheit verpasst. Deshalb wollten sie mich exmatrikulieren, weil sie keine Lust hatten, Pläne zu machen, welche neuen Vorlesungen welche alten ersetzen sollten. Das haben sie sich dann aber nicht getraut, weil ich krankheitsbedingt für ein paar Jahre einen Schwerbehindertenausweis hatte, und das politisch nicht zu halten gewesen wäre, einen Schwerbehinderten rauszuwerfen. Also habe ich durchgesetzt, dass ich mit jedem Professor ausgehandelt habe, um welche Bücher es zu gehen hatte, und ich mich ausschließlich aus Büchern und ein paar alten Skripten vorbereitet habe. Sie meinten, das ginge ja gar nicht, das wäre unmöglich. Hat aber schneller funktioniert als normales Studieren. Ich habe das gesamte Hauptdiplom in zwei oder drei Semestern durchgeprüft. Ich kann mich noch erinnern, dass ich bei einem Professor, einer der wenigen netten und umgänglichen Menschen, der mich aber bis dahin nicht persönlich kannte, zur Prüfung war, auch bestanden hatte, und der dann nach der Prüfung besorgt fragte, er hätte von meinem Fall gehört, das sei ja schrecklich, das könne man ja gar nicht leisten, so lange seien doch die Prüfer gar nicht mehr an der Uni, ich armer Kerl, und wie denn das noch alles gehen soll und wie lange das dauere, und dann völlig baff war, als ich ihm antwortete „Fertig, das war die letzte Prüfung, ich gehe mir jetzt mein Diplom abholen“. Der Mistbock aus dem Prüfungssekretariat der Fakultät, der mich die ganze Zeit schon deshalb aus dem Studium hatte kicken wollen, weil ihm nicht in den Kram passte, dass da einer noch nach dem alten Prüfungsplan studiert und noch die Prüfungsakte mit den alten Formularen verwendete, wo er doch die neuen gemacht hatte und die so schön fand, soll, wie mir auf vertraulichem Wege berichtet wurde, schier vom Stuhl gefallen und fast geplatzt sein, als er aus dem Urlaub zurückkam, mich da rauswerfen wollte und feststellen musste, dass in seiner Abwesenheit durch die Vertretung in meiner Akte schon alle Prüfungen als bestanden eintragen worden waren und das Studium damit schon erfolgreich beendet worden war.

Man kann Vorlesungen hören.

Man muss es aber nicht.

Weil nicht die Anwesenheit in der Vorlesung, sondern das Können, das Beherrschen des Stoffs geprüft wird.

(Anders allerdings bei praktischen Sachen, etwa Übungen und Vorführungen der Mediziner.)

Es gibt prüfungsrechtlich keine „vorlesungsbegleitenden Prüfungen“, in denen der Dozent nachprüft, ob die Studenden den Käse, den er an die Tafel geschrieben hat, auch gefressen und akzeptiert haben. Prüfungen dienen nicht dem Ego des Prüfers und auch nicht dazu, Meinungen aufzuzwingen oder Studenten zu inhaltlichen Anhängern zu machen.

Im Gegenteil ist es so, dass es zu den Pflichten und Aufgaben der Professoren gehört, mindestens die Vorlesungen anzubieten, die auf den von Gesetz, Studien- und Prüfungsplan vorgeschriebenen Prüfungen vorbereiten. Dienstrechtlich kann er auch nur damit sein Lehrdeputat (oder einen von der Universität festzulegenden Anteil daran) erfüllen. Freiheit von Forschung und Lehre ist Bonus-Programm.

Deshalb dürfte es die vielen Gender- und Quotenprofessorinnen nicht geben, die zu jedem beliebigen Thema immer nur Genderschwachsinn erzählen. Die können damit nämlich ihre Dienstpflichten nicht erfüllen.

Interessante Frage, wie die alle darauf kommen, dass sie lehren und prüfen könnten, was ihnen gerade in den Sinn kommt, um Studenten auf ihre Meinung abzurichten.

Nachtrag: Mir ist kurz nach dem Publizieren noch etwas aufgefallen, weil das Hirn noch um das Thema kreiste. Nämlich worauf der Denkfehler der „vorlesungsbegleitenden Prüfung“ beruht.

Es gibt nämlich verschiedene Prüfungsarten. Mündliche, große schriftliche und so weiter. Und eine der Arten, eine Prüfung abzuhalten, ist vorlesungsbegleitend, also etwa am Ende einer Vorlesung, also am Ende des Semesters, oder parallel dazu mit Hausarbeiten, Übungsblättern und so etwas.

Damit ist aber die Art gemeint, wie die Prüfung erfolgt, und nicht, dass die Prüfung die Vorlesung zum Inhalt hat. Das kann zwar so aussehen, weil die Vorlesung auf die Prüfung vorbereiten soll (wieder mal Korrelation und Kausalität), ist es aber nicht. Früher hieß das dann „Die Prüfung erfolgt vorlesungsbegleitend“. Und manche machen daraus eben, dass das eine Prüfung zur Vorlesung wäre. Es bezieht sich aber nur auf die Art, und nicht den Inhalt.

Historisches

Meine Prüfungsrechtswebseiten, die ich damals im Uni-Streit mit den wichtigsten Entscheidungen gebastelt hatte, sind 20 Jahre alt und damit nicht mehr belastbar und verwendbar.. Aber online sind sie noch. Nur so als Beleg, dass ich mir das nicht aus den Fingern sauge, frei ausdenke oder das nur meine persönliche Meinung ist.

Macht Euch bewusst, wie unfähig, inkompetent, korrupt die deutsche Professorenschaft ist. Und was für ein verfassungswidriger willkürlicher Blödsinn da an den Universitäten abläuft und politisch ausgenutzt wird.

Und solche Leute bestimmen dann willkürlich, nach Gutdünken und Wokeness darüber, wer Karriere macht und wer nicht.