Ansichten eines Informatikers

„Man glaubt dem Rundfunk in Teilen der Bevölkerung nicht mehr und uns Politikern auch nicht“

Hadmut
13.7.2024 16:06

Die Ersten merken was.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Interview mit der Süddeutschen: „Man glaubt dem Rundfunk in Teilen der Bevölkerung nicht mehr und uns Politikern auch nicht“

Grundsätzlich redet der Mann da ja schon dummes Zeug:

Dann müssen wir festhalten, der Erosionsprozess ist nicht eingebildet, es gibt ihn.

Es gibt ihn, und mathematisch ist er daran erkennbar, dass die demokratischen Parteien mit absoluter Mehrheit in Ostdeutschland bei der Europawahl abgewählt wurden. Mit absoluter Mehrheit! Die Stimmanteile von AfD und Wagenknecht summierten sich auf rund 50 Prozent der Mandate im Parlament. Aus Ostdeutschland sind also mehrheitlich Parlamentarier ins Europäische Parlament entsandt worden, die sich nicht zur demokratischen Mitte zugehörig fühlen.

Quatsch. Denn Demokratie besteht ja gerade darin, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, und das Volk wählt, was es will und nicht, was es soll.

Es herrscht da so eine seltsame Auffassung, dass das Volk die etablierten Parten wie CDU, SPD und vielleicht auch Grüne – egal, was die anstellen – immer mit einer Koalitionsmehrheit auszustatten und hinzunehmen hätte und dann nur ein paar Prozente in der B-Note als Denkzettel verwendet werden dürfen. Demokratie heißt aber auch, jemanden abzuwählen, und es heißt auch, CDU, SPD und Grüne abzuwählen.

Die meinen, ihnen gehöre das Land, sie hätten einen Regierungsanspruch darauf, und der Wähler dürfe nur mit den kleinen Prozentzahlen so ein bisschen unbeachtlich meinungswedeln.

Und deren Problem ist nun, dass der Steuerungsmechanismus, mit dem man dem Volk bisher mitteilte, was es zu wählen hat, nicht mehr funktioniert:

Ich sehe jedenfalls an meinen Enkeln, der älteste wird 21, dass sie völlig andere Schwerpunkte setzen in ihrer Informationsbeschaffung. Die sind nicht mehr in den Leitmedien unterwegs, wie ich sie noch kennengelernt habe, die gucken wenig ARD und ZDF, sondern sind in den sozialen Medien zu Hause.

Was folgt daraus?

Ich denke, es muss gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen weniger gemacht werden, das aber konzentrierter und in hoher Qualität. Man darf nicht die Menge immer weiter erhöhen, indem ich zu den 70 Radiosendern noch da einen Podcast hinzufüge und dort einen Account und überall hört nur eine Handvoll Leute zu. Es sollte eine Konzentration mit hoher Qualität erfolgen, die aus der übrigen Medienlandschaft herausragt, auch um effektiver zu sein.

[…]

Es gibt eine Verfassung, die klar sagt, aufgrund der deutschen Geschichte brauchen wir einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und der sollte deutlich sichtbar herausragen aus all dem anderen Wust der Gegenwart. Er sollte eine eigene Autorität sein auch durch seine Diskursfähigkeit und er sollte Binnenpluralität abbilden. Und weil er über verpflichtende Beiträge verlässlich finanziert ist, muss er sich mit dieser Privilegierung auch unterscheiden von denen, die sich durch Klicks, durch Werbung und auch nach völlig anderen ethischen Grundsätzen organisieren.

Und die merken nun, dass der Propagandapparat ARD/ZDF eben nicht mehr funktioniert, weil die Leute a) merken, dass sie da von Dummen verarscht werden und b) Alternativen haben.

Und damit kommen sie in ein Dilemma – einer dieser selbstverstärkenden Fehler, die ich so gerne betrachte: Denn um der Wählerflucht entgegenzuwirken, machen sie den Rundfunk immer linker, immer mehr Gender und Migration und Marxistenquatsch. Dadurch laufen ihnen aber noch mehr Zuschauer davon, und das führt dazu, dass sie die Propaganda noch weiter intensivieren. Herrliches Beispiel für die Kategorie selbstverstärkender Fehler.

Und dann der Hammer:

Mit welchem Ergebnis?

Die Mehrheit der Menschen wählt abweichend von der Prononcierung im Öffentlich-Rechtlichen, auch abweichend von der Kommentierung.

Das müsst Ihr Euch auf der Zunge zergehen lassen: Der beklagt sich, dass die Leute nicht das wählen, von dem ihnen ARD und ZDF sagen, dass sie es wählen sollen.

Mit anderen Worten: Der beschwert sich darüber, dass wir eine Demokratie und nicht die DDR sind. Dass die Leute selbst denken und einen eigenen Willen haben und nicht blind der Propaganda folgen, wonach sie immer die zu wählen haben, die gerade die Macht haben.

Und den Verlust der Presse beklagt er auch:

Wenn dann auch noch, gerade im ländlichen Raum, die Zeitungen abschmieren, weil Sender massenhaft komplette Essays als Text ins Netz stellen, verlieren wir die Binnenpluralität.

Nicht die Pluralität. Die Lufthoheit.

Haben die staatstragenden Parteien und der Rundfunk am Ende das gleiche Problem: Sie werden als zu gleichförmig wahrgenommen?

Ja, wir haben das gleiche Problem, wir haben ein Legitimations- und ein Akzeptanz- und wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es wird so eine diffuse Mithaftung aller Eliten und Politiker gesehen, man wirft alle in einen Topf. Und so sind wir mit völlig unterschiedlichen Rollen in der gleichen Situation. Man glaubt dem Rundfunk in Teilen der Bevölkerung nicht mehr, und uns Politikern, die die meisten Menschen nur aus den Massenmedien kennen, auch nicht. So, und jetzt können wir überlegen, ändern wir das, indem wir da noch mal mehr Quantität schaffen, erhöhen wir also die Leistungen des Staates trotz kritischer Finanzen und machen im Öffentlich-Rechtlichen noch ein weiteres Feature auf, weil das besser ist und die Leute dann zum Beispiel endlich mal begreifen, dass das schon in Ordnung ist mit der mangelhaften Steuerung der Migration?

Das ist ja auch richtig, dem Rundfunk nicht mehr zu glauben, so wie die uns seit Jahrzehnten anlügen und auf links gebügelt wurden. Wenn man sich das mal von innen angeschaut hat und was da für Leute arbeiten, dann können die gar nicht glaubwürdig sein.

Das heißt für mich, dass Haseloff nicht nur selbst – „demokratiefeindlich“ wäre das zeitgeistige Modewort, das ich aber nicht wähle, weil es mir eigentlich viel zu blöd ist – undemokratisch ist, sondern dass er auch vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk erwartet, demokratiewidrig zu agieren, nämlich den Leuten zu sagen, wen uns was sie zu wählen haben, und sich dabei so aufzuführen hat, dass die Leute das dann auch machen.

Kompetent ist Haseloff da nicht. Denn dann wüsste er, dass das dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk gar nicht erlaubt ist, sondern dass die Entscheidung darüber, was man wählt, beim Wähler verbleiben muss.