Ansichten eines Informatikers

Mehr zur Compact-Verbotsverfügung

Hadmut
18.7.2024 16:27

Stirnrunzeln für Fortgeschrittene.

Ich habe jede Menge Hinweise und Zuschriften bekommen, und muss mich da mal durchwühlen. Einige Punkte erscheinen mir aber unmittelbar wichtig, eine weitere Überlegungen habe ich auch:

  • Es wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel gegen eine solche Verbotsverfügung – und das werden sie ja wohl hoffentlich eingelegt haben oder einlegen – aufschiebende Wirkung habe. Die könne zwar, wurde irgendwo gesagt, vom Gericht ausgesetzt werden, man könne aber beantragen, die wieder einzusetzen.

    Was aber die Frage aufwirft, ob so ein Überraschungsüberfall überhaupt zulässig ist und welchem Rechtszweck der überhaupt gedient haben sollte. Die Frage ist, warum man es nicht bei der Zustellung des Verbotes belassen und dessen Rechtskraft abgewartet hat. Denn selbst wenn der Verlag zu Recht verboten wäre (was ich derzeit nicht sehe), hätten sie immer noch das Grundrecht der Rechtswegsgarantie und des Rechtlichen Gehörs. Und die besagt auch, dass man nicht ohne Gehör und Rechtsweg vor vollendete Tatsachen gestellt werden darf. Der Schaden ist aber effektiv gar nicht mehr abzuwenden, und welchem Zweck es dienen soll, Tische und Stühle zu beschlagnahmen, erschließt sich mir da auch nicht.

    Selbst wenn man das unter „Vereinsvermögen einziehen“ ablegt, dürfte nur das wirtschaftliche Guthaben eingezogen werden, man also auch die Verbindlichkeiten berücksichtigen, dürfte also den Verein/Verlag nicht in die Insolvenz treiben, indem man die Einnahmen absägt und die Möglichkeit entzieht, ihre Ausstattung zu verkaufen um etwaige Schulden zu begleichen. Ich habe größte Zweifel an der Vorgehensweise.

    Vor allem erschließt sich mir überhaupt nicht, worin der juristische Grund und Anlass für einen Überraschungseffekt bei einem Verbot liegen sollte.

  • Ich war deshalb zunächst davon ausgegangen, dass die parallel strafrechtlich und behördlich gegen den Verlag vorgehen, weil ich einige Vorgänge dem Strafrecht zuordnen würde.

    Leser schrieben aber, dass bei solchen Vereinsverbote die Beschlagnahmen auch vom Verwaltungsgericht ausgesprochen werden könnten. Weiß ich nicht, ich lasse das mal ungeprüft so stehen.

    Das aber führt in ein anderes Problem, das auch anderenorts schon angesprochen wurde: Zuständigkeit.

    Normalerweise sind nämlich sowohl für Strafrecht, als auch für die Presse nach dem Grundgesetz die Länder zuständig. Für bestimmte Straftaten und Strafbereiche, den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, Grenzen gibt es Zuständigkeiten des Bundes.

    Artikel 30 Grundgesetz

    Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

    Da das Grundgesetz (laut mancher Webseiten, müsste ich noch prüfen) aber nur drei Ministerien vorschreibt, nämlich Justiz, Verteidigung, Finanzen, aber nicht des Inneren, müsste man mal suchen, worin die Handlungskompetenz dafür liegt. Es gibt zwar die Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG), aber eine Gesetzgebungskompetenz ist noch keine Handlungskompetenz. Beispiel: Strafrecht, Zivilrecht, werden vom Bund gemacht, trotzdem sind Polizei und Gerichte erst einmal Ländersache.

    Das ist auf jeden Fall ein Punkt, den ich aufmerksam verfolgen werde, worauf die Zuständigkeit der Bundesinnenministerin für das Verbot eines Presseerzeugnisses liegt, denn Presse ist Ländersache. Und aus all dem, was da bisher behauptet und veröffentlicht wurde, geht nicht hervor, dass Compact den Bestand der Bundesrepublik gefährdet hätte, sondern nur das Wahlergebnis der SPD.

    Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
    Art 87

    (1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.

    (2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.

    (3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

    Außerdem gibt es noch polizeiliche Zuständigkeiten nach Artikel 96 GG.

    Da müsste man sich jetzt mal durchwühlen.

    Ich halte es deshalb – zumindest auf den ersten Blick – von der Bund-Länder-Zulässigkeit für ersichtlich, warum sich der Bund für Leute zuständig fühlt, wenn da Reichsbürger und Prinz Reuß putschen wollen, weil das mit Gewalt und Waffen einherging (oder gangen sein soll).

    Wenn es hier aber nur um Worte und Publikation ging, und das überhaupt kein Polizei-, sondern ein reines Verwaltungsverfahren war, dann erschließt sich mir ad hoc nicht, worauf da die Zuständigkeit des Bundes beruhen soll. Nach der Konstruktion der Verfassung sind nämlich die Länder für alles zuständig, wofür nicht ausdrücklich der Bund zuständig ist. Und solche ausdrücklichen Zuständigkeiten für Verwaltungshandeln sehe ich hier jetzt nicht.

Ich sehe da also einige spannende Aspekte: Zuständigkeit. Maßstäbe. Rechtsgrundlagen. Rechtliches Gehör. Rechtswegsgarantie. Pressefreiheit. Meinungsfreiheit.

Letztlich komme ich zu dem vorläufigen Zwischenergebnis, dass ich das zwar zumindest aromatisch für rechts- und verfassungswidrig halte, was da passiert ist (auch wenn ich das noch nicht abschließend beurteilen kann, weil ich weder den Sachverhalt noch die Rechtslage kenne, aber auch gar nicht der Meinung bin, dass man das nach drei Tagen schon beurteilen kann oder können soll, das wird Monate, eher Jahre dauern, bis das durchdrungen ist), und trotz der Verfassungswidrigkeit froh darüber bin, dass es passiert ist, weil es nämlich zu einer Nagelprobe über Meinungs- und Pressefreiheit führt. Der Staat wird sich nun erklären müssen.

Überaus interessant dürfte dabei die bei Alexander Wallasch veröffentlichte Verbotsverfügung sein. (Ich habe sie noch nicht gelesen, will den Hinweis aber trotzdem weitergeben.)

Zumindest bei einem ersten Überfliegen entsteht für mich aber der Eindruck, dass es hier nicht um Staatsfeindlichkeit geht, sondern um eine verbotene Zensur, weil der Schwerpunkt wohl darauf liegt, unerwünschte, regierungskritische, oppositionelle Ansichten mit Kritik an der Migration zu verbieten.

Zumindest beim sehr schnell Durchblättern entsteht da bei mir der Eindruck, als sollten Migration und Durchlässigkeit der Grenzen, die völlige Durchmischung Deutschlands mit der Durchgängigkeit einer Bushaltestelle zur unkritisierbaren Staatsdoktrin gemacht werden, an der eben jede Kritik durch radikale und maßlose Zensur unterbunden wird. Irgendwo wurde in einem Video von irgendeinem Juristen schon kommentiert, dass wenn da etwas Rechtswidriges in einem Artikel gestanden hätte, man strafrechtlich gegen den Autor hätte vorgehen müssen, nicht aber verwaltungsrechtlich gegen das ganze Magazin vorgehen dürfte.

Und das ist auch verfassungsrechtlich so, Art. 5 GG: „Eine Zensur findet nicht statt.“

Dazu muss man die Verfassungsliteratur und auch den Ursprung in der Reichskirchenverfassung und den Karlsbader Beschlüssen kennen. Das Zensurverbot wird verfassungsrechtlich nämlich so ausgelegt, dass nur die Vorzensur verboten ist, man also nicht von vorherein verbieten kann, etwas zu veröffentlichen, oder das vorab zur Kontrolle vorzulegen. Eine Nachzensur, also eine strafrechtliche Verfolgung des Veröffentlichten, wird damit nicht verboten.

Und das ist genau der springende Punkt.

Verfassungsrechtlich könnte man also einen Autor oder vielleicht sogar einen verantwortlichen Redakteur dafür bestrafen, dass sie das und das geschrieben haben. Man kann und darf sie aber nicht von künftigen Äußerungen abhalten, denn das wäre eine ausdrücklich ausgeschlossene Vorzensur: Das Verbot von Compact bezieht sich ja auf das, was sie künftig geschrieben hätten. Und das darf gar nicht verboten werden.

Dazu kommt, dass damit faktisch ein Grundrechtsentzug einhergeht. Und der kann nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden.

Das ist Bullshit. Schon allein, weil die Angabe fehlt, welche Straftat man damit begehen sollte. Und ein „Hinweis des Bundesverwaltungsamtes“ ist meines Erachtens auch nicht wirksam, sondern das Verbot selbst müsste wohl den Mitarbeitern nicht nur zugestellt, sondern auch an sie gerichtet werden, denn es ist ja ein Verwaltungsakt, über den man nicht durch Hinweis von Dritten informiert werden kann. Leider nur die erste Seite zu sehen.

Genug Stoff für mindestens 20 juristische Doktorarbeiten.

Genug Mist für die erste Regierung, die nach ihrer Abwahl noch rückwirkend wird zurücktreten müssen.