Ansichten eines Informatikers

Schwangere in Chemnitz beschlagnahmt

Hadmut
18.7.2024 17:19

Noch mehr Verwerfungen zum Compact-Verbot. [Update]

Also, nicht die Schwangere selbst wurde beschlagnahmt, sondern ihr T-Shirt, ohne das sie ja auch nicht konnte, weil darauf einen Spruch des Compact-Maganzins und eeben deren C-Logo zu sehen war, das als verboten gilt, was ja im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Es ist Staatsbürgerpflicht, den Bundesanzeiger täglich zu lesen und seine Garderobe tagesaktuell auszusondern.

Was die Beschlagnahme eines T-Shirts allerdings praktisch bedeutet, ob die Schwangere dann halbnackt umherzuschreiten hat, oder ob die der jetzt polizeilich an den Möpsen rumfummeln, war dem Video nicht zu entnehmen.

Was mich jetzt wieder zu der Frage bringt, ob ein solches Vereinsverbot überhaupt Wirkung gegenüber Dritten hat, die nicht dem Verein angehören, sondern nur ein solches T-Shirt tragen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Verfügung eines Ministeriums über ein Vereinsverbot ist aber weder allgemein, noch ein Gesetz, und schon gar kein allgemeines Gesetz.

Die Verfügung stützt sich auf § 3 Vereinsgesetz

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz)
§ 3 Verbot

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1. des Vereinsvermögens,
2. von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3. von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,

zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1. die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2. das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.

Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.
(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.
(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1. ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2. die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3. nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Ach, da steht das mit der Zuständigkeit des BMI. Na, ob das ausreicht, in die Bund-Länder-Zuständigkeit einzugreifen, wird man prüfen müssen.

Nun würde mich interessieren, ob eine solche Verfügung ausreicht, um in das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 einzugreifen und so ein Symbol über den Verein hinaus auch Dritten zu verbieten und gar Straftaten aus dem Tragen eines T-Shirts zu machen, das am Sonntag noch legal war. Denn in diesem § 3 sehe ich jetzt nicht, dass die Wirkung eines solchen Verbotes über den Verein hinaus ginge und auch gegenüber der Öffentlichkeit gelte.

Das Bundesverfassungsgericht hat irgendwann mal entschieden, dass solche Klauseln, die die Einschränkung oder Beschränkung eines Grundrechts durch ein einfaches Gesetz ermöglichen, keineswegs ein Freibrief sind, sich der Grundrechtsbindung der Staatsgewalten zu entziehen, indem man einfach Gesetze macht, sondern das umgekehrt heißt, dass die Gesetze nur so sein dürfen, dass sie das Grundrecht in seinem Wesen nicht antasten.

In dem Moment, in dem ein solches Gesetz also zur Einschränkung der Meinungsfreiheit herangezogen wird, heißt das verfassungsrechtlich zunächst erst einmal genau das Gegenteil, nämlich dass zuerst das Gesetz darauf zu prüfen ist, ob es nicht das Grundrecht der Meinungsfreiheit in seinem Wesen antastet.

Und so eine Schwangere ist als Bürgerin eben nicht nur T-Shirt-, sondern eben auch Grundrechtsträgerin, und genießt das Grundrecht der Meinungsfreiheit, auch in Wort, Schrift und Bild.

Und ich glaube eben nicht, dass die Möglichkeit eines Vereinsverbotes schon per Verfügung der Regierung (nicht einmal des Gesetzgebers selbst) es erlauben würde, der Öffentlichkeit das Tragen eines T-Shirts wegen des C-Logos zu verbieten.

Wie gesagt, ich freue mich sogar darüber, weil jetzt endlich mal ein paar Dinge auf den Tisch kommen und sich der Staat erklären muss, wie er es mit den Grundrechten hält.

Update: Ich habe etwas zu den Symbolen gefunden. Auf Seite 77 der Verbotsverfügung steht, dass auch verboten werde, Kennzeichen des Compact-Magazins zu verwenden, was aus § 9 Vereinsgesetz folge:

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz)
§ 9 Kennzeichenverbot

(1) Kennzeichen des verbotenen Vereins dürfen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr

1. öffentlich, in einer Versammlung oder
2. in einem Inhalt (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches), der verbreitet wird oder zur Verbreitung bestimmt ist,

verwendet werden. Ausgenommen ist eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden. Ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins wird insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.

(4) Diese Vorschriften gelten auch für die Verwendung von Kennzeichen einer Ersatzorganisation für die Dauer der Vollziehbarkeit einer Verfügung nach § 8 Abs. 2 Satz 1.

Wie gesagt: Ich bezweifle, dass eine Verfügung eines Ministeriums die Anforderungen an Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz erfüllt, ein allgemeines Gesetz zu sein. Es gibt ein gesetzliches Verbot, die Symbole des Nationalsozialismus zu verwenden, was diese Anforderung erfüllen dürfte, weil ein allgemeines Gesetz. Aber eine Verfügung des Innenministeriums ist eben kein Gesetz.