Ansichten eines Informatikers

ChromeOS

Hadmut
20.7.2024 17:03

Zu früh gefreut.

Ich schaue mir ja gerne mal die verschiedenen Arten der Linux-Implementierung an, einfach auch weil ich berufsbedingt ja immer in der Lage sein muss, Leuten etwas zu empfehlen, womit sie pflegeleichte, robuste Arbeitsplätze oder Rechner für bestimmte Anwendungen betreiben können.

Ich hatte ja auch schon erwähnt, dass ich mir deshalb Fedora CoreOS, Silverblue, Kinoite und Ubuntu Core angesehen habe, weil diese monolithische, weitgehend schreibgeschützte Betriebssystemimages verwenden und die en bloc aktualisieren, dabei aber immer den Rollback zum vorangegangenen erlauben (gerade in Bezug auf den weltweiten IT-Ausfall von gestern). Wobei ich anmerken möchte, dass ich nicht übermäßig glücklich darüber bin, dass Silverblue/Kinoite btrfs verwenden. Das ist zwar bezüglich seiner Eigenschaften eigentlich ideal dafür, aber ich habe früher mal schlechte Erfahrungen mit btrfs und seiner Stabilität gemacht, und seither die Finger davon gelassen, das wirkte so zusammengewurschtelt. Da es inzwischen viele verwenden, nehme ich an, dass sich da einiges verbessert hat, aber so ganz überzeugt bin ich davon noch nicht. Dennoch: Wer beispielsweise einen älteren, übrig gebliebenen Rechner mit Linux ausstatten will, der zu schade zum Wegwerfen ist, um noch etwas zu surfen oder sowas, und keine zusätzlichen Programme braucht (kann man zwar über rpm-ostree, flatpak und toolbox installieren, aber dann ist eigentlich der Witz weg und die Sache umständlicher, als wenn man gleich ein normales Linux verwendet, dann muss man schon wieder „Bescheid wissen“ und „sich kümmern“), sollte durchaus mal Silverblue (wer Gnome mag) oder Kinoite (wem KDE besser gefällt) ausprobieren, ob ihm das behagt. Für die meisten Normalanwender reicht das eigentlich schon. Müsste eigentlich auch für die Kinder für Homeschooling und so etwas reichen, habe ich aber noch nicht ausprobiert.

Ausprobiert habe ich auch ChromeOS in verschiedenen Darreichungsformen, weil die ebenfalls dem Prinzip folgen, monolithische Updates durchzuführen. ChromeOS ist allerdings sehr beschränkt in der Auswahl seiner eigenen Applikationen (dazu gleich mehr) und vor allem sehr stark mit Google verwoben. Ob man das als Vor- oder Nachteil ansieht, muss sich jeder selbst überlegen. Es hat starke Vor- und Nachteile. Freilich ist dann alles, was man da eingibt, gleich bei Google gespeichert. Dafür hat man dann aber auch backups und den automatischen Austausch mit Android-Geräten.

Es gibt seit einiger Zeit sogar eine Version für normale PCs, ChromeOS Flex, die ich auch einmal ausprobiert, es bald aber wieder habe bleiben lassen. Das ist zwar ein normales ChromeOS, dem nur eine einzige Eigenschaft fehlt – aber das ist die entscheidende Eigenschaft. Ein normales ChromeOS hat nämlich kaum Software und macht alles nur über den Chrome-Browser, auch Softwareerweiterungen werden als Browser-Erweiterungen installiert. Eigentlich ist ChromeOS nur dazu da, den Chrome-Browser zu betreiben. Der Witz an ChromeOS ist nun, dass man aber auch die meisten (nicht alle) Android-Apps aus dem Android-Appstore installieren kann. Und das ist der eigentliche Brüller an AndroidOS, weil man damit an Funktionen kommt, die es normalerweise nur unter Android gibt, etwa Kindle oder Prime Videos, Readly und solches Zeug. Diese und andere Apps haben nämlich gegenüber den Online-Funktionen den Vorteil, dass sie auch Filme, Bücher, Videos herunterladen und offline nutzen können, man sie also auch da nutzen kann, wo man kein oder nur schwaches Netz hat. Im Flugzeug, am Strand und so weiter.

Deshalb habe ich ChromeOS als so eine Art Chimäre, so ein Zwischending zwischen Android-Tablet und Notebook betrachtet, mit dem man mal per Tastatur schnell eine E-Mail schreiben oder auch was in den Social Media oder im Blog schreiben kann, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit hat, die Apps zu verwenden um etwa im Flugzeug Videos der Streamingplattformen zu schauen, die ja mit dem Browser nicht herunterzuladen sind. Insbesondere seit die Fluggesellschaften das Bord Entertainment einsparen finde ich das sehr angenehm, ein Android-Tablet dabei zu haben, das ich vorher mit aktuellen Filmen und Zeitschriften beladen habe, die ich mir dann unterwegs anschaue. Deshalb halte ich ChromeOS für ein interessantes Mittelding etwa für Zugfahrten und dergleichen, um gleichzeitig etwas „notebookmäßig“ zu arbeiten, etwa zu mailen oder zu bloggen, und „tabletmäßig“ Androidapps zu verwenden. Und wenn man doch mal etwas braucht, was nur unter Linux läuft, gibt es noch eine (allerdings von Plattenplatz und RAM sehr beschränkte) virtuelle Linux-Box mit Debian. Eigentlich ganz nett, wenn man hinnimmt, dass alles, was man darauf macht, in der Google-Cloud landet.

ChromeOS Flex, das man nutzen könnte, um alte Notebooks wiederzubeleben, kann das aber nicht, weil da die Möglichkeit fehlt, Apps zu installieren. Und ohne diese Möglichkeit ist ChromeOS Flex eigentlich völlig witzlos, denn es kann nichts, was ein normales Linux nicht auch könnte (den Chrome-Browser starten), ansonsten aber viel weniger.

Die Sache hat aber einen gewichtigen Punkt: Ich ärgere mich ständig über Android-Tablets, weil man sie immer wieder vorzeitig ausmustern oder gar wegwerfen muss, obwohl die Hardware noch gut ist, weil man nur kurze Zeit Updates bekommt. Neulich wurde eines verkauft, bei dem die Updates schon zum Zeitpunkt des Kaufes abgelaufen waren.

ChromeOS ist zwar in vielerlei Hinsicht nicht so gut wie Android und kein Ersatz dafür, kann auch weniger Apps ausführen, hat aber gegenüber einem Android-Tablet (neben der besseren Hardware und einer richtigen Tastatur) drei entscheidende Vorteile:

  • Die sind nicht „customized“ und mit irgendwelchem nervigen Herstellerschnickschnack aufgedonnert, sondern sehen alle gleich aus und funktionieren gleich.
  • Die Updates kommen nicht vom Hersteller des Rechners und sind deshalb nicht von dessen Wohlwollen abhängig, sondern kommen direkt von Google, also alle Rechner sind zeitnah aktuell.
  • Google verspricht 10 Jahre Updates, es gibt also nicht den Effekt, dass man ein Gerät nach ein oder zwei Jahren schon wieder wegschmeißen kann, weil es keine Updates und Sicherheitspatches mehr gibt.

Man könnte meinen, dass das den – häufig deutlich überhöhten – Mehrpreis für Chromebooks rechtfertigt, denn billig sind die nicht und meist sehr, sehr knauserig mit RAM und SSD ausgestattet.

Aber, ach.

Ich hatte mir, so um 2020, ich glaube, es war zu Anfang der Pandemie, kann es aber nicht mehr genau sagen, ein Chromebook von Acer gekauft, aus drei Gründen:

  • Sonderangebot
  • Zwar etwas bullig in der Erscheinung, aber robust mit umlaufender Gummileiste, wie es Acer bei Notebooks für Schüler und Schulranzen gerne macht.
  • Eines der damals ganz wenigen oder sogar das einzige Gerät, das reisetauglich klein war und trotzdem 8GB RAM hatte.

Aus irgendwelchem bekloppten Gründen sind die Hersteller der Meinung, dass die RAM-Größe proportional zur Gehäusegröße sein müsste und 8GB RAM erst ab 15 Zoll geboten werden.

Eigentlich war ich mit dem Ding auch ganz zufrieden, obwohl ich es nie ernstlich, nur zum Ausprobieren, Testen, Rumspielen verwendet habe. Hat einen N3450 Prozessor.

Gestern hatte ich das Ding nach einiger Zeit mal wieder aufgeladen und aktualisiert. Und bekomme eine Meldung:

Google hält sein Versprechen, 10 Jahre Updates zu liefern, so ganz und vollständig nur für Rechner, die ab 2021 verkauft wurden. (Ich habe inzwischen noch ein neueres Gerät, das scheint weiter vollen Support zu bekommen.) Für viele ältere Geräte wie dieses gibt es aber eine Einschränkung: Ich müsse mich nun entscheiden, ob ich weiterhin Support und Sicherheitsupdates und so weiter und ein aktuelles ChromeOS bekommen wolle, dann aber würden alle Android-Apps und der App-Store irreversibel entfernt und ich könnte das Gerät nur noch ohne Android-Apps verwenden. Oder ich bleibe bei dem jetzt installierten Stand, dann kann ich auch weiterhin Apps verwenden, bekomme aber keine Sicherheitsupdates mehr.

Das ist so ähnlich wie Zehn Jahre Garantie auf eine Waschmaschine, die aber nur gelten, wenn man nach 5 Jahren aufhört, noch Hosen oder Handtücher damit zu waschen.

Ich verstehe auch nicht ganz, welcher technische Grund dahinter steckt, denn zwischen einem N3450 und einem 5000er oder einem N100 neuerer Geräte besteht kein so wesentlicher Unterschied, dass der eine solche Ungleichbehandlung erklären könnte.

Plausibler dürfte sein, dass der Hinweis, dass ich mich jetzt zwischen Apps und Sicherheit entscheiden müsse, und die Entscheidung für Sicherheit nicht mehr rückgängig zu machen sei, mit dem deutlichen Hinweis verbunden war, dass ich doch bitte auf umweltfreundliche Entsorgung achten solle, sollte ich mich jetzt entschließen, das Gerät zu entsorgen. (Wink mit dem Zaunpfahl.)

Es macht so ein bisschen den Eindruck auf mich, als würde sich Google über seinen eigenen 10-Jahres-Support ärgern und die Leute darauf stupfen wollen, sich doch früher ein neues Gerät zu kaufen, ähnlich wie auch Apple durch Support-Ende steuert, wann die Leute sich neue Rechner kaufen sollen.

Denn einen objektiven Grund, das Gerät nicht mehr zu unterstützen, sehe ich nicht, denn sie bieten ja das Betriebssysteme weiterhin an, stellen nur die Unterstützung für Apps ein. Es könnte natürlich sein, und das will ich jetzt auch nicht ausschließen, dass die aus Sicherheitsgründen als Sandbox für Apps Prozessorfunktionen verwenden, die ältere Prozessoren noch nicht hatten. Manche andere Software wie etwa Qubes OS läuft auch nur auf neueren Rechnern, die eine bestimmte Erweiterung für Virtualisierungsfunktionen haben (Hardware-Virtualisierung), und das dann der Grund ist, warum sie keine neueren ChromeOS-Versionen für diesen Rechner mit der Funktion für Android-Apps ausliefern, es könnte also durchaus auch nachvollziehbare, vernünftige Gründe haben.

Ich persönlich wäre aber eher bereit, mir neuere ChromeOS-Rechner zu kaufen, wenn die mal veranlassen würden, dass die nicht alle nur deutlich weniger RAM haben als vergleichbare normale PCs oder Windows-Tablets. Es ist so gut wie unmöglich, einen ChromeOS-Recher zu finden, der mindestens 8GB RAM hat und auf einen Flugzeugtisch passt. Gerade da würde ich aber wegen der Apps einen primären Einsatzort solcher Rechner sehen. Ohne die Android-Apps brauche ich das Ding auch nicht mit in den Flieger zu nehmen, denn Offline ist das Ding ohne Apps mit Downloads wie Videos und Bücher komplett nutzlos.

Nachtrag: Nachzulesen hier:

Eligible Chromebooks released before 2021 will have the option to receive extended updates for a total of 10 years of automatic updates from the platform’s release. To maintain security, performance and stability, extended updates do not include support for Android apps or the Google Play Store. Because extended updates carry this change in features, you’ll need to opt-in to receive them.