Ansichten eines Informatikers

Frankreich hat mir heute wirklich leid getan

Hadmut
27.7.2024 0:16

Über die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele.

Ich fand die Eröffnungsfeier wirklich schön, sehr gut gemacht. Die letzte Feier, die mir wirklich gefallen hatte, war die in Sydney von 2000, und noch viel in London. Seither fand ich das immer wie einen Neuaufguss desselben Teebeutels, wobei mir bei London auch einiges gefallen hat, eben dass sie auch Stadtansichten gebracht und die Queen von James Bond haben abholen lassen, um sie dann aus dem Helicopter zu werfen.

Ich finde das eine überaus tolle Idee, die Feier nicht in einem miefig-piefigen Sportstadion abzuhalten, sondern die Stadt zu zeigen, das auf dem Wasser zu machen (wenn man denn Stadt und Wasser zum klotzen hat), und sie werden ja auch einige Sportveranstaltungen an historischen Plätzen veranstalten.

Ich fand das richtig gut und toll gemacht, weil das den Charakter der Stadt zeige, weil das öffentlich stattfand, weil das nicht in einem x-beliebigen Stadion vor irgendeiner Stadt, sondern mitten in der Stadt stattfindet. Das finde ich wunderbar. Ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, ob ich nicht vielleicht doch mal nach Paris sollte, obwohl mich das bisher eigentlich nicht angesprochen hat. Ich war noch nie in Paris, außer Umsteigen auf CDG. (Es hat sich bewährt, dorthin zu fahren, wo gerade olympische Spiele waren, weil vieles neu und ordentlich gemacht und Überkapazitäten waren.)

In der Sportsendung dazu sagten sie gerade, dass die Einfahrt der Athleten auf dem Boot etwas „beliebig“ sei und für die Athleten nicht den Wumms wie der Einmarsch in das Stadion hat, aber sie sagten auch, dass durch die Fahrt von 6km einfach viel mehr Leuten die Möglichkeit gegeben hat, sich das anzusehen, und das ist doch eine tolle Sache (zumal ich als Zuschauer den Einmarsch der Athleten immer stinklangweilig fand).

Die Entzündung des Feuers war etwas langatmig, aber das über Paris schweben zu lassen ist auch eine tolle Idee (obwohl ich irgendwie den Verdacht habe, dass das kein Feuer, sondern orange illuminierter Wassernebel ist), viel besser, als wenn das in einer Ecke des Stadions brennt (gab es nicht irgendwelche Spiele, bei denen sie das Feuer nachts ausgemacht haben um Gas zu sparen?)

Hat mir sehr gut gefallen, nämlich schon deshalb und besonders deshalb, weil man nicht den ständigen Käse wiederholt hat, sondern sich etwas wirklich Neues hat einfallen lassen und damit die Latte deutlich höher gelegt hat. Das muss man erst einmal toppen oder wenigstens gleichziehen können.

Tolle Sache das, richtig gut gemacht. Hätten wir in Deutschland schlicht nicht hinbekommen.

Mir hat das nur so leid getan, dass sie sich da so viel Mühe gegeben und das so schön gemacht haben, so viel Zeit, Aufwand, Arbeit reingesteckt haben, und es dann so geregnet hat. Das war nicht fair. Da haben sie mir wirklich leid getan. Eben hieß es irgendwo, es sei der einzige Ort in ganz Frankreich gewesen, an dem es geregnet habe.

Trotzdem: Respekt und Hochachtung dafür, einfach mal die Form zu zerbrechen und die Stadt, ihren Charakter darzustellen, statt das übliche Gehampel mit irgendwelchen Papierdrachen und Ringelpiez zu zeigen.

Und ich habe so den Eindruck, dass sie damit sogar die Olympischen Spiele vor zunehmender Ödnis und Langeweile gerettet haben. Denn noch so eine Eröffnungsshow wie die der letzten 52 Jahre (1972 sind die ersten Spiele an die ich mich überhaupt erinnern kann, viel habe ich davon aber noch nicht mitbekommen, außer dass es Ärger gab und ich damals bei den Großeltern war, und sie dort im Fernsehen gesehen habe) hätte man (zumindest ich) jetzt auch nicht nochmal sehen wollen. Ich glaube, sie haben das richtig gut neu erfunden.

Und wenn sie das so weitermachen, dann haben sie auch die ganzen Spiele neu erfunden.

In Deutschland hatte man die Eröffnungsfeier in die Behörden verlegen können, in denen die nötigen Genehmigungen stecken geblieben sind, und dann tanzende Beamte und fliegende Formulare zeigen können. Und den Einmarsch der Athleten per Videokonferenz, weil die Züge ausgefallen sind und sie nicht fliegen durften.

Ach, was mir noch auffiel (ganz habe ich es nicht gesehen, weil ich zwischendrin mal für das Abendessen in der Küche war): Im Gegensatz zu Deutschland kamen sie da, soweit ich das gesehen habe, ohne Trans, Gender, Regenbogen aus, auch wenn da mal eine Drag Queen auftrat, aber nicht, um sich zu beschweren oder jemanden zu beschimpfen, sondern um Show zu machen.

Dafür Can-Can. Dagegen hätten in Deutschland Parteien und Medien den Kriegszustand gefordert.

Und das zentrale Show-Element, der Eiffelturm. Neulich gab es mal eine Dokumentation über Gustave Eiffel, und was das damals für ein Krampf war, bis der den Turm bauen durfte, und wer sich alles darüber aufgeregt und beschwert hatte, würde die ganze Gegend verschandeln und überhaupt, so eine widerliche Suppe aus Künstlern, Journalisten und Geisteswissenschaftlern. Einer der größten Gegner des Eiffeltums saß dann wohl, als der dann stand, auffällig oft im Restaurant auf der Zwischenebene, und gefragt, wie sich das verträgt, dass er so dagegen war und nun drin sitzt, das damit begründete, dass es der einzige Ort in Paris wäre, von dem aus der Turm die Aussicht nicht verschandele.

Und heute ist der Eiffelturm ein Wahrzeichen der Stadt und des Landes, wie es weltweit wohl kaum ein zweites gibt, zumindest fällt mir gerade keines ein, das solchen Bekanntheitsgrad hat, und da kommt nicht einmal das Opera House in Sydney dran. Der – auch ästhetische – Triumpf des Ingenieurs über Künstler und Schwätzer.

Mögen die Spiele beginnen!