Warum das Wasser von Paris zu langsam ist
Irgendwo zwischen Physik und Verschwörungstheorie.
Ich verfolge die olympischen Spiele nur am Rande. Eigentlich nämlich interessieren mich Sportveranstaltungen überhaupt nicht, ich gucke keine Sportsendungen. Nur bei olympischen Spielen schaue ich so ab und an etwas rein (ich hatte ja schon erklärt, warum ich beim Arbeiten manchmal gern nebenher den Fernseher laufen lasse). So richtig nachvollziehen kann ich das, was da kommt, ohnehin nur bei einer Sportart, die ich mal selbst ausgeübt habe, und selbst da interessiert es mich eigentlich gar nicht.
Das einzige, was ich bisher sagen kann, ist, dass ich die Sportart mit dem Skateboard am allerwenigsten verstehe, weil ich da nur sehe, dass Leute irgendwo runterrollen, dann irgendwie ganz kurz auf oder gegen ein Geländer scheppern, dann riesig jubeln, während die Moderatoren voller Begeisterung irgendwelchen Phantasienamen runterblubbern, ein 270, ein double side flip, ein reverse jump, ein sonstwas twist, weiß der Kuckuck, ich versteh’ kein Wort, ich verstehe nicht, was das alles soll, ich höre es nur scheppern, dann jubeln sie, und am Ende bekommen welche Medaillen dafür. Aber sie scheinen jede Menge Spaß dabei zu haben, und es hieß, dass sie danach alle zusammen noch durch die Stadt skaten gehen. Ich doch schön. Wann hätte man je gehört, dass die Stabhochspringer, Kugelstoßer, Weitspringer, Boxer, Speerwerfer danach zusammen in die Stadt gehen, um dort noch zu springen, Kugeln zu stoßen, zu Boxen, Speere zu werfen?
Nun gibt es Verschwörungstheorien, weil die Schwimmer zu langsam wären, die blieben alle weit hinter Rekorden und sogar ihren eigenen Bestzeiten zurück. Die Becken seien „zu langsam“:
A new theory has emerged appearing to explain why the swimming at the Paris 2024 Olympic Games has been "embarrassingly slow".https://t.co/5F2miukdAE
— Sky News Australia (@SkyNewsAust) July 30, 2024
Nun ranken sich die Theorien, warum die dort zu langsam schwimmen und manche schon sagen, dass es dort nicht mehr um Zeiten gehe, sondern nur noch darum, wer als erster an der Wand anschlage, darunter Spott:
“Can someone explain why the pool at the Olympics is ‘slow’? Is the water the wrong viscosity? Or maybe there’s a headwind? Slightly uphill?” they wrote.
Gegenwind, bergauf schwimmen, aha.
Dass das Becken schief steht und die da immer bergauf schwimmen müssen, wäre natürlich eine interessante Theorie, wobei sie ja nur bei den 50 Metern nur in einer Richtung schwimmen, da könnten sie ja auch bergab schwimmen, einfach in die andere Richtung. Ansonsten müssten die ja abwechselnd bergauf, bergab schwimmen, wovon der Laie glauben würde, das müsse sich ausgleichen, tut es aber nicht. Es gibt ja solche Rechenaufgaben, dass jemand mit dem Boot oder mit dem Flieger von A nach B und wieder zurück fährt/fliegt, mal mit und mal ohne Strömung/Wind. Es ist tatsächlich so, dass der Gegenwind einem mehr schadet als der Rückwind nutzt, und zwar, weil man von A nach B und zurück jeweils die gleiche Strecke, aber nicht die gleiche Zeit fährt. Es wäre anders, wenn man je eine Stunde mit Gegenwind und eine Stunde mit Rückenwind fahren/fliegen würde.
Geschenkt. In der Halle werden sie wenig Gegenwind haben, und dass das Wasser dort schräg steht und die bergauf schwimmen, dürfte nicht mal in Frankreich der Fall sein, auch wenn sich Macron für das Center of Gravity hält.
Gar nicht mal so abwegig wäre die Theorie, dass man falsches Wasser mit der falschen Viskosität eingefüllt habe (wahrscheinlich so veganes, klimaneutrales Bio-Wasser). Es gab doch mal den Verdacht, dass man in irgendeinem Land bei irgendeinem Wettbewerb, bei dem es so verdächtig viele Rekorde gab, das Wasser in der Filter- und Aufbereitungsanlage besonders stark mit Sauerstoff angereichert habe, damit es leichter wird und weniger Widerstand bietet. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das funktioniert, denn wenn das Wasser leichter ist, hat es wohl weniger Widerstand, aber man hat auch weniger Auftrieb und liegt tiefer im Wasser.
Ich persönlich würde eher die Frage stellen, ob vielleicht die Maße nicht stimmen, das Becken vielleicht einfach ein paar Zentimeter zu lang ist. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der internationale Schwimmverband so etwas nicht ausmessen würde. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass sie sagen würden „Nein, hier schwimmen wir nicht, das Becken ist 10cm zu lang“. Das würfe peinlich Fragen auf.
Nun kommen sie aber mit der Theorie, dass das Becken zu flach sei. Empfohlen sei eine Wassertiefe von 2,50 Meter. Manche Schwimmmer wünschten sich 3 Meter. Das Becken in Paris sei aber nur 2,15 Meter tief.
Das nun aber führe dazu, dass – je nach Schwimmart, am schlimmsten angeblich beim Brustschwimmen – die Turbulenzen stärker an der Oberfläche bleiben und stärker vom Boden reflektiert werden, und das Schwimmen stören.
Interessantes Problem. Benachteiligt ein zu flaches Becken die Schwimmer gegenüber denen bei anderen Wettbewerben?
Im Prinzip könnte man das ja mal ausprobieren, indem man ein Becken baut, das nur 1,50 Meter tief ist und eines mit 3,50 Metern, und die mal ausprobiert, und zwar am besten mit einem Schwimmroboter, um den Placebo-Effekt zu vermeiden.
Nun weiß ich aber, dass manche Schwimmer – obwohl sie ja eigentlich schwimmen können – durchaus Angst vor Wasser haben, und deshalb nicht in Wasser schwimmen, in dem sie nicht weit und nicht den Boden sehen können (See, Fluss), oder den Boden nicht erreichen können. Ich war ja schon einige Male draußen auf dem freien, offenen Meer schwimmen, und irgendwie fühlt sich das schon komisch an, ins Wasser zu springen und zu wissen, dass es da 1000 Meter tief ist. Eigentlich ist das völlig egal, ob das Wasser 10 oder 1000 Meter tief ist, aber irgendwie fragt man sich dann doch, was wäre, wenn jetzt plötzlich die Physik ausfällt und man keinen Auftrieb mehr hat, oder man beim Sprung ins Wasser nicht mehr auftauchen würde. Manche haben aber ein Problem damit, den Boden nicht sehen zu können, und ertragen die Tiefe nicht, auch wenn sie den Boden sowieso nie erreichen würden.
Deshalb wäre es mal eine sehr interessante Frage, ob die Schwimmer etwas gegen ein 4 Meter tiefes Becken hätten. Denn es hieß ja, dass ein 2,15-Meter-Becken die Schwimmer auch irritiere, weil sie den Boden zu nahe sähen. Was aber, wenn ihnen der Boden in einem 3- oder 4-Meter-Becken zu weit weg ist?
Das wäre doch jetzt mal physikalisch und sportwissenschaftlich zu erforschen.