Ein seltsamer Leistungsunterschied
Es tut mir leid. Aber ich habe damit ein Problem.
Ich hatte ja schon beim Skateboarden gesagt, dass ich das als olympische Disziplin nicht verstehe. Die rutschen da irgendwie herum, dann scheppert es mal kurz, weil sie über ein Geländer rutschen, und der Moderator überschlägt sich, weil irgendwas mit seltsamen englischen Namen ganz toll gezeigt worden seien. Für mich sieht das aus, als hätte es jemand geschafft, die Treppe runterzurutschen, ohne dabei aufs Maul zu fallen, und die jubeln irgendwas von reverse triple backflip oder so ähnlich, als der hätte der gerade ein neues Geschlecht erfunden.
Gerade kam erst die Sportsendung mit den beiden aus der rhythmischen Sportgymnastik (die Bezeichnung hört sich an, als wäre sie in der DDR erfunden worden), Darja Varfolomeev, die Gold geholt hat, und Margarita Kolosov, die so ganz knapp und unglücklich Bronze verfehlt hat.
Jetzt ist das Turnen nicht unbedingt so mein Ding, aber ich zolle da höchste Anerkennung, weil das ja schon Körperbeherrschung im höchsten Grad ist. Wobei die Meinungen vielleicht etwas auseinandergehen, ob das normale Turnen mit Schwebebalken und Akrobatik nicht nochmal schwerer ist, aber das ist vielleicht schwer zu vergleichen. Das eine ist eher tänzerisch, das andere mehr Kraft und Akrobatik. Und es sind auch unterschiedliche Kompaktklassen. An den Gymnastinnen ist ja eher wenig dran, dafür sind die extrem beweglich. Da geht es ja um Körperberrschung und Ausdruck, und eben kleine, leichte und nicht große, beturnte Sportgeräte. (Wie transportieren die eigentlich ihre Reifen zum Wettbewerb? Die verwenden ja ihre eigenen. Gibt es da eigene Transportkoffer?)
Und danach zeigten sie „Breaken“. („Breakdance“ soll man ja nicht sagen, das sei ja nur ein von den Medien erfundener Begriff.) „Battle“ zwischen zwei Frauen.
Es tut mir leid, aber ich kann dem überhaupt nichts abgewinnen. Noch nie, seit es das gibt, aber noch weniger als Olympische Disziplin.
Ich sage nicht, dass es einfach ist. Das dürfte schon schwer zu erlernen sein. Aber ich kann die Kunst daran nicht entdecken. Ich will es mal so erklären: auf einem Bügelbrett Handstand zu machen, um mit den Arschbacken die Glühbirne zu wechseln, ist auch nicht einfach, daran muss man auch lange üben. Und es kann nicht jeder. Ich auch nicht. Aber es beeindruckt mich nicht, ich halte es nicht für medaillenwürdig.
Ich kann dem nichts abgewinnen, wenn jemand Kopfstand macht, komisch mit den Beinen wackelt, als hätte er Wespen in der Hose, und dann einen „freeze“ macht, als wären die Wespen ganz raus oder ganz rein.
Ich tue mir mit diesen ganzen modernen „Sportarten“ sehr schwer, bei denen man nicht sieht, worin da die Leistung stecken soll, und für die die einen Moderator brauchen, der sich for Jubel überschlägt, weil die da einen [englische Schnickschnackbezeichnung] in Perfektion gezeigt haben, während ich da nur etwas sehe, wofür man zu meiner Zeit vom Hausmeister Hausverbot bekommen hätte.
Nun könnte es ja sein, dass ich einfach ein alter Sack bin und das nicht zu würdigen und zu schätzen weiß.
Wenn mir nicht im beruflichen Umfeld derselbe Effekt untergekommen wäre, und man zunehmend irgendwelche Modeerscheinungen bringen würde, in denen irgendeine Banalität per neuem Begriff gehyped wird.
Sorry, aber bei manchen Darbietungen komme ich mir da verarscht vor, so ähnlich wie beim Parteiprogramm der SPD.
Und es wirkt auf mich auch unfair, ungerecht, verfehlt, wenn die verschiedenen Sportarten auf mich wirken, als lägen die Leistungsniveaus, die man bringen muss, um eine Medaille zu gewinnen, meilenwert auseinanderliegen.
Ich weiß, die Standardantwort ist „Mach’s doch mal nach!“
Aber erstens bin ich dreimal so alt, und konnte in jungen Jahren auch allerhand, was die garantiert nicht können.
Zweitens muss man etwas nicht nachmachen, nur weil man es für bekloppt hält – oder um es für bekloppt halten zu dürfen. Im Gegenteil.
Und drittens: Glühbirne!
(Wobei mir gerade auffällt, dass ich schon seit 12 Jahren kaum noch Glühbirnen gewechselt habe, weil die LEDs nicht kaputt gehen. Die Kunst der Light Bulb Jokes ist deshalb auch untergegangen. Aber ich habe sie schon immer nur mit der Hand gewechselt.)
Außerdem hätte ich beides, Skateboardfahren und Break(dance) für Zeitgeistleichen der 80er und 90er Jahre gehalten. Ich habe Break(dance) immer für so eine Art Getto-Aerobic gehalten.
„Breaken“ verhält sich für mich zu Sport so ähnlich wie „Rappen“ zu Musik. Wenn der Tonumfang der Stimme keinen vollen Ton umfasst und man deshalb nicht sauber zwei verschieden Töne singen kann, dann macht man Rap. Da ist es nämlich nicht schlimm, wenn innerhalb des Tonumfangs der Stimme gar kein Ton aus dem Sortiment handelsüblicher Tonleitern zu finden ist.
Und wenn man keinen ordentlich Sport hinbekommt, klebt man sich mit dem Kopf auf den Boden, zappelt mit den Beinen und gibt dem komische Namen. Als ob man einen Klimakleber unter Strom setzt, nachdem der Kleber ausgehärtet ist.