Ansichten eines Informatikers

Die Miniwasserpumpenzange

Hadmut
12.8.2024 13:46

Heute wieder eine neue entsetzliche Episode aus dem nie enden wollenden Drama „Ich und die Flughafensicherheit“ (sehr seltene, aber persistente Serie in diesem Blog seit etwa 15 Jahren).

Kennt Ihr das Gefühl, wenn einen eine absolute Nichtigkeit und Belanglosigkeit trotzdem bläht bis zum Anschlag, bis Ihr sie behoben habt?

Es gibt manchmal so Dinge, die eigentlich völlig unwichtig sind, die mich aber trotzdem umtreiben, bis sie in Ordnung gebracht sind, auch wenn der Aufwand dafür außer Verhältnis zum Ergebnis steht.

Vor einigen Monaten hatte ich auf Zypern (neben den üblichen Baumärkten) ein Fachgeschäft für professionelles Werkzeug entdeckt und war interessiert reingegangen, weil auf Zypern doch die Tendenz herrscht, entweder billiges, qualitativ eher mittelprächtiges Werkzeug aus China (nicht schlecht, aber eher für Amateurgebrauch), oder überteuertes Werkzeug aus England oder den USA anzubieten. Deshalb fand ich es interessant, ein Geschäft für Profikram zu finden, der zwar überhaupt nicht billig ist, aber ein ordentliches Verhältnis zwischen Qualität und Preis leistet, also „preiswert“ ist.

Bin mal so rumgegangen, um zu gucken, was die haben, und hatte mir, aus Höflichkeit, um nicht rauszugehen, ohne etwas zu kaufen, und weil sie mir so gefallen hat, eine winzige, nur etwa 10 Zentimeter lange Zange gekauft, eine Wasserpumpenzange. Kostenpunkt knapp unter zehn Euro, so neun irgendwas.

Ich hatte aber nicht so auf die Marke geachtet, das Ding zuhause ausgepackt, fand sie gut, weil sie auch eine Öse zum Anbinden hatte, und dachte mir, die sei prima für unterwegs für die Fotoausrüstung, um irgendwelche festsitzenden Teile zu lösen. Ich kann das zwar eigentlich gar nicht leiden, an Dinge mit einer scharfkantigen Zange zu gehen, weil man damit wirklich alles verhunzt und verkratzt, weshalb ich es für zwingend und unumgänglich halte, einen passenden Sechskantschlüssel oder eine Stecknuss zu verwenden, die die Stücke nicht beschädigt. Aber manchmal geht es nicht anders, und man kann auch nicht immer einen Steckschlüsselkasten mit sich herumschleppen. Und gerade bei diesen weichen Schrauben habe ich es schon erlebt, dass Kreuzschlitzschrauben ausfressen und nichts mehr fasst. Mein Geheimtipp: Den Schraubenkopf mit einer Gripzange richtig fest einspannen und dann damit herausdrehen. Aber Gripzangen wiegen eben, selbst die ganz kleinen mit 10cm Länge.

Als dachte ich mir: Diese Zange macht sich gut in meiner Werkzeugkiste für den Fotokram. Und ich habe sie in den Rucksack für den nächsten Rückflug nach Deutschland gesteckt.

Aber, ach.

Röntgenkontrolle am Flughafen. Rucksack auseinandergenommen. Wasserpumpenzange geht gar nicht. Werkzeug sei in der Kabine nicht erlaubt. Ich hätte die Wahl zwischen Mülltonne und sie ins Checkin-Gepäck zu stecken. Ich habe aber kein Checkin-Gepäck, weil ich immer nur mit dem kleinen Rucksack pendele. Zack, weg, in der Tonne für konfiszierten Kram, ohne dass ich sie noch mal hätte sehen können.

Eine Nichtigkeit.

Eine Petitesse.

Und doch etwas, was mich wurmt. Nicht so sehr, weil die Zange weg war, sondern weil ich nicht wusste, wie ich sie wiederbeschaffen sollte. Viel mehr, als etwas zu verlieren, wurmt und ärgert es mich, es nicht wiederbeschaffen zu können.

Ich habe also dort bei der Polizei am Flughafen gefragt, warum und wieso, und hinterher auch gegoogelt und so weiter, und eigentlich ist Werkzeug in der Kabine eben nicht verboten, sondern nur dann, wenn es scharfkantig ist oder schießen kann, also keine Messer, Klammernschussgeräte, spitze Schraubenzieher und so weiter. Das beruht auf einer EU-Richtlinie, für die auch bei der EU keine Quelle oder Rechtsgrundlage genannt ist, das ist einfach eine Webseite, von der mir keiner sagen konnte, wie sie zustandekam oder wieso die EU dafür zuständig sei, und dann ist das per Stille-Post-Syndrom verbogen, bis das über drei Ecken beim Flughafenpersonal in Zypern angekommen ist, und letztlich haben sie da auch noch so einen Gummiparagraphen, nach dem sie alles verbieten können, was ihnen irgendwie gefährlich vorkommt. Keine Ahnung, wie man damit Schaden anrichtigen könnte. „Sie fliegen nach Mogadischu, oder ich ziehe dem Piloten die Schneidezähne!“ Aber man könnte halt auch einiges am Flugzeug kaputt machen.

Wie auch immer: Zange weg, Danisch sauer.

Nicht, dass ich sie wirklich gebraucht hätte. Ich hätte sie nie gehabt und sowas nicht gekauft, wenn ich nicht zufällig an diesem Tag in diesen Laden gegangen wäre und dort noch das letzte Exemplar gehangen hätte.

Aber manchmal treibt einen sowas einfach um.

Also habe ich gesucht und gegoogelt und kam zu dem Ergebnis, dass es die Zange, die ich da hatte, eigentlich gar nicht gibt.

Ich kam zwar auf ein äquivalentes Modell, eine Knipex Cobra XS, Made in Germany, oder um mal einen Amazon-Afiliate-Werbe-Link auszuprobieren, für den ich angeblich Provision bekomme (was aber noch nie gereicht hat um über die Auszahlungsschwelle zu kommen): 17,64 Euro bei Amazon, neulich hat sie noch 20 gekostet.

Ich habe mir also sofort so ein Ding bestellt, obwohl ich es eigentlich nicht brauchte, damit die Seele etwas Ruhe hat, die Amerikaner würden es „mental health“ nennen.

Das war aber nicht die aus Zypern, weil die Knipex geschwungene Griffe und keine Öse hat.

Also habe ich gegoogelt und gesucht, dachte, das kann doch nicht sein, dass es diese Zange nicht gibt, die habe ich mir doch nicht eingebildet, und habe sie letztlich doch gefunden und an ihren geraden Griffen und der Öse wiedererkannt: Es ist eine Tactix 200721. Irgendwas Chinesisches.

Also hatte ich den Händler auf Zypern angemailt, ob der die nochmal bekommt, ich hatte ja die letzte gekauft. Ja, antwortete der, die seien wieder da, drei Stück hängen im Laden.

Als ich aber das nächste Mal dort war: Schon wieder ausverkauft, kommen nicht mehr nach.

Und ärgern und ärgern und ärgern. Kein Laden mehr zu finden, in dem sie überhaupt im Sortiment sind und nicht als ausverkauft gekennzeichnet sind.

Die Tage habe ich nochmal gegoogelt und zur Überraschung zwei Versandhandel in Griechenland gefunden, die die Dinger im Angebot hatten und von denen einer nach Deutschland versendet (noch 21 auf Lager). 8 Euro pro Stück plus ungefähr 8 Euro Versand nach Deutschland.

Jetzt oder nie, dachte ich, und habe mir am Donnerstag fünf Stück bestellt. Denn hätte ich nur eine bestellt, wäre sie ja mit Versand so teuer wie eine Knipex, dann wäre der Witz weg. Wahrscheinlich rätseln die in Griechenland jetzt, welcher Bekloppte sich fünf Wasserpumpenzangen aus Griechenland nach Deutschland bestellt. Aber es gibt Dinge, die ein Mann einfach tun muss.

Eben kam die Sendung an, ich habe jetzt fünf dieser Zangen, die ich eigentlich nicht brauche, aber die Seele hat Ruh’.

Im direkten Vergleich muss ich aber sagen, dass die Knipex am Maul schmaler, aber insgesamt deutlich besser verarbeitet ist. Ihre Aufgabe erfüllen sie beide, aber die Knipex ist viel präziser gearbeitet. Da ist alles tadellos, etwa die Riffelung der Griffe, während die Tactix recht unsauber geriffelt ist. Außerdem ist die Knipex 3 mm kürzer. Und die Tactix ist zwar kein Plagiat der Knipex, aber scheint doch irgendwie davon „inspiriert“.

Wenn man die Öse nicht braucht und es auf die paar Euro nicht ankommt, ist also die Knipex die bessere Wahl. Das weiß ich jetzt.

Sorry, aber das musste jetzt einfach raus. Das Thema ist erfolgreich zum Ende geführt. Und in gewisser Weise ist es doch mein Sieg über die Flughafensicherheit: Ihr kriegt mich nicht klein!

Ich rate aber um des Seelenheils Willen dringend davon ab, Miniaturwasserpumpenzangen im Bordgepäck mitzuführen.