Ansichten eines Informatikers

Von rechts nach links?

Hadmut
16.8.2024 1:23

Ausgezeichnete Leserfrage:

Zum Aleph-Artikel:

Das ist eine ganz hervorragende Frage, und weil man die Graphik beim eingebetten Tweet nicht gut sieht, erlaube ich mir mal, die rauszukopieren:

Das war mir auch aufgefallen, dass viele spiegelverkehrt aussehen.

Aleph oder Alef (אלף) ist der erste Buchstabe im hebräischen Alphabet. Hebräisch schreibt man von rechts nach links. Das wurde wohl ursprünglich alles von rechts nach links geschrieben.

In meiner Forscherzeit an der Uni hatten wir einen israelischen Gastwissenschaftler, einen Kryptologen, und die Israelis sind gut in Kryptographie. Mit dem hatte ich mich unter anderem über Alphabete unterhalten, weil die in der (zumindest in der historischen und in der theoretischen) Kryptographie wichtig sind, und irgendwie sind wir auf links-rechts und rechts-links gekommen, und der sagte mir, dass die Israelis/Juden nicht etwa dominant Linkshänder waren, sondern dass man nach dem Stand der wissenschaftlichen Wissens davon ausgeht, dass das Schreiben von rechts nach links eine Konsequenz der ersten Schreibmittel war:

Wenn man nämlich mit Hammer und Meißel in Stein schreibt, wie man das ursprünglich getan hat, führt ein Rechtshänder den Hammer mit der rechten Hand und den Meißel in der Linken. Und arbeitet damit zwangsläufig tendenziell von rechts nach links.

Schreibt er aber mit Pinsel, Feder, Rohr und Farbe, muss er von links nach rechts schreiben, um die Tinte nicht zu verwischen.

Im alte Rom, und ich vermute, auch in Griechenland, waren früher mit Wachs beschichtete Tafeln (tabula) recht gebräuchlich für kurzzeitige Notizen, in die man mit mit einem Holzgriffel den Text ritzte. Und um ihn zu löschen und die Tafel wieder benutzen zu können, strich man mit einem flachen Spatel oder Spachtel das Wachs wieder glatt: tabula rasa. Von lateinisch radere = kratzen, schaben, scheren, reinigen, glatt machen. Daher: Radierer. Und vom Perfekt bzw. Partizip rasum, rasura, eben das Rasieren.

Auch die dürften bei Rechtshändern das Schreiben von links nach rechts befördert haben, weil man den Griffel eher ziehen als schieben muss, und man das Geschriebene nicht verwischen will.

Die Schreibrichtung hing wohl sehr stark vom verwendeten Schreibwerkzeug ab. Vermutlich dürfte der Wechsel von Stein zu Papyrus und von Hammer zu Tinte oder diesen Wachstafeln für die Änderung der Schreibrichtung gesorgt haben. Technischer Fortschritt. Modernität wie heute das Handy – oder, „tabula“, der tablet computer. Moderne Medientechnik eben.

Und weil die Buchstaben wohl ursprünglich für das Schreiben von rechts nach links gemacht waren und es schwer ist, sie von links nach rechts zu schreiben, konnte man wohl auf die – naheliegende – Idee gekommen sein, sie zu spiegeln.

Es ist übrigens recht interessant, in arabischen Ländern die arabischen Ziffern ( die Null heißt auf arabisch Siffr, daher Ziffer, aber auch Chiffre), obwohl sie eigentlich indische Ziffern sind. Es ist etwas kurios, wenn man in Dubai einen scheinbaren 0-Dirham-Schein bekommt, aber der kleine Kringel wie o ist keine 0, sondern eine arabische 5. Und die Null ist ein Punkt. „o.“ heißt also 50. Wenn man das vergleicht, sieht man, dass unsere Ziffern zwar davon abgeleitet, aber gedreht, etwas verschlunzt, und an flüssiges, schnelles Schreiben und andere Schreibgeräte angepasst.

Wenn man das bei Ziffern so ersehen kann, dass die der Schreibtechnik angepasst und gedreht wurden, dann war das wohl naheliegenderweise auch bei Buchstaben so.

Der „Buchstabe“ konnte übrigens aus naheliegenden Gründen so nicht heißen, bevor das Buch erfunden wurde, und hieß auf lateinisch littera. Literatur.