Die Kaskade
geht los:
Mehrere Städte haben Konsequenzen aus dem Anschlag in Solingen gezogen und eigene Feste abgesagt. Auf der Herbstkirmes in Wermelskirchen müssen Händler Messer aus der Auslage nehmen. […]
Wegen des Anschlags in Solingen wurde das für Samstag und Sonntag geplante »Fest der Kulturen« in Hilden abgesagt. Die furchtbare Tat in Solingen lasse es nicht zu, dass man nur wenige Stunden später unbeschwert zusammenkomme und feiere.
Oder die Bedrohungslage?
Auch in Haan ist die Trauer groß: »Wir denken gemeinsam an die Angehörigen der Toten und hoffen und beten für die, die noch um ihr Leben kämpfen«, erklärte Bürgermeisterin Bettina Warnecke. Das Weinfest in Haan sei für Samstag und Sonntag abgesagt worden. »Wir können nicht feiern, wenn wenige Kilometer von uns entfernt unsere Nachbarstadt trauert.« Der Täter sei zudem noch flüchtig, und die Sicherheitslage sei unklar, ergänzte sie. […]
Knapp zehn Kilometer westlich des Anschlagorts läuft seit Freitagabend ebenfalls ein Volksfest, die Wermelskirchener Herbstkirmes. Zehntausende Besucherinnen und Besucher werden bis zum Dienstagabend erwartet. Teil der Veranstaltung ist immer auch ein traditioneller Krammarkt für Haushaltswaren. Fünf Händler für Messer und Schneidwaren, alle aus Solingen, waren für dieses Jahr angemeldet.
Zumindest am Samstag dürfen sie die Messer nicht mehr in der Auslage haben und verkaufen. »Ich kann die Entscheidung verstehen«, sagt einer der Händler, während er die Kisten mit Messern wieder in seinem Wagen verstaut.
Ja, das wird helfen. Etwas trauen, etwas gedenken, und auf Veranstaltungen zumindest samstags keine Messer mehr vor Ort verkaufen.
Ein Kollege ein paar Meter weiter hat diese Chance nicht: Er hat ausschließlich Solinger Messer im Angebot und mehrere Schleifscheiben, an denen er mitgebrachte Scheren und Messer wieder schärft. Auch diese Aufträge zum Schleifen kann er nicht mehr annehmen. »Was für ein Scheiß«, flucht er. Ob wirklich jemand glaube, dass ein Attentäter vorher an den Stand komme und dort ein Messer kaufe?
Warum auch nicht? Solinger Messer sind die besten, die bleiben lange scharf. Und manchmal bekommt man ja auch erst spontan Ideen.
Wenige Schritte vom Tatort in Solingen entfernt hat jemand einen Zettel hinterlassen. Darauf ist zu lesen: „Wir vergessen Euch niemals.“
In einer Woche, spätestens bei der nächsten Wahl, kräht kein Hahn mehr danach.
Hätten welche auf dem Volksfest „döp dö dö döpp“ gesungen, ja, das wäre ein großes Ding gewesen, da hätte sich die Presse verausgabe, alle würden donnern und Konsequenzen fordern. Aber doch nicht wegen drei Toten und vier Schwerstverletzten.