Ansichten eines Informatikers

Richter, Staatsanwälte und Digitalisierung

Hadmut
6.9.2024 1:48

Zwei Welten prallen aufeinander.

Ich finde das ja immer ganz gruselig, wie Juristen mit Daten umgehen. Die kommen ja von dem Schema des Aktenbündels nicht weg.

Ich war ja mal Informatiker in einer Rechtsabteilung. Dass die nur Windows machen, das habe ich noch hingenommen. Nun hatte ich denen extra Sharepoint-Datenbanken eingerichtet, damit Schriftsätze, Verträge und so weiter zentralisiert, versioniert und Locking, damit immer nur einer drauf arbeitet, ordentlich abgelegt und ins Backup genommen werden können. Word und Excel usw. unterstützen das ja auch noch, Dokumente aus Sharepoint zu holen und als neue Version dort wieder abzuspeichern. Aussichtslos. Haben die rundheraus abgelehnt, weil das nicht ihrer Arbeitsweise entspräche. Die Arbeitsweise war: Jeder schrubbelt an irgendwelchen Word-Dokumenten irgendwas herum und kopiert die hin und her und dann schicken die sich die Verträge von 1001 Vertragspartnern hin und her und halten die in der Mailbox, und keiner weiß, was die aktuelle Version ist, und eigentlich gibt es auch keine, weil zehn Leute gleichzeitig in ihrer Kopie etwas ändern, und dann auch Vertrage mit A einfach zu B umkopieren und die Anschrift und die Zahlen ändern, womit dann Vertragspartner B in der Änderungshistorie direkt sehen kann, welchen Vertrag und welche Preise man mit A verhandelt hatte. Und wenn die Platte futsch ist, sind auch die Daten futsch und so weiter und so fort.

Damals habe ich so eine Büromeditationsübung entwickelt, um das hinzunehmen, die in der Wirkung mit Drogen vergleichbar war.

Eigentlich gehörte ein Grundkurs in IT und Datensicherheit und -sicherung zwingend in das Jura-Studium.

Der Richterbund in NRW ist jetzt sauer über Justiz-Sparpläne.

Richter und Staatsanwälte in NRW üben Kritik am Dienstherrn: Die Arbeitsbedingungen seien wegen der mangelhaften IT schlecht, die Sparpläne drückten zusätzlich auf die Stimmung und vergraulten Nachwuchs wie junge Kollegen zugleich.

Wundert mich eigentlich. Ich hatte ja neulich mit der Staatsanwaltschaft zu schaffen und deren Zimmer erinnerten mich schon an Gefängniszellen, nur dass sie für das Klo auf den Gang müssen und nichts zu essen gebracht bekommen. Da habe ich mich schon gewundert, wer unter solchen Bedingungen arbeitet, wenn Juristen doch auch in schicken Kanzleien mit Top-Einstiegsgehalt arbeiten können.

Und dann noch über die mangelhafte IT beklagen?

Die Stimmung in der Justiz habe einen Tiefpunkt erreicht, so der Geschäftsführer des Bundes, Prof. Dr. Gerd Hamme. “Ich bin seit 1997 als Richter in der Justiz in NRW und habe noch nie eine so große Unzufriedenheit festgestellt.”

Ja, aber sie lassen sich ja dann auch nichts sagen.

Die Interessenvertretung, die nicht nur Richter, sondern auch Staatsanwälte vertritt, moniert etwa “permanente Systemabbrüche und Performanceprobleme in der IT”, die dazu führten, dass sich die normale Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent verlängere, weil immer wieder nicht oder nur “schleichend” gearbeitet werden könne, so der Vorsitzende des DRB NRW, Christian Friehoff. Dass die IT nicht oder nur schlecht funktioniert, sei eher die Regel als die Ausnahme. Selbst hoch motivierte und technikaffine Menschen seien entnervt und frustriert. Der Höhepunkt sei der ganztägige Systemausfall in der Justiz am 16. August dieses Jahres gewesen.

Außerdem werde nach der Ankündigung, aus Geldmangel die Ausbildungsstellen für Referendare zu kürzen, bald juristischer Nachwuchs fehlen.

Ja. Schön. Aber irgendwie finden die das dann auch in Ordnung, dass Politik, Parteien und Ministerien nur mit Juristen und Studienabbrechern besetzt werden. Ich könnte mich jetzt nicht erinnern, dass die da mal Informatiker verlangt hätten.

Wenn ich schon diesen Mist sehe, dass die nach einem Malware/Ransomware-Angriff Wochen und Monate brauchen, bis die ihre IT wieder am Laufen haben, kriege ich die Motten.

Es ist dann aber auch völlig unmöglich, denen mal irgendwas zu erklären oder zu machen. Die sehen ja auch nichts ein. Im Prinzip müsste man hingehen und erfassen, welche Tätigkeiten für eine juristischen Arbeitsplatz – Richter, Geschäftsstelle, Rechtspfleger, Staatsanwalt – mit hoher Verfügbarkeit gebraucht werden. Was muss immer gehen?

Eigentlich kann das so viel gar nicht sein:

  • Webbrowser
  • E-Mail (sofern nicht ohnehin oder in Reserve über den Browser)
  • Justizpostfachkram
  • Aktenzugriff, am ehesten per Browser
  • Textverarbeitung (Urteile, Beschlüsse, Verfügungen schreiben usw.)
  • Fileserver
  • (Dinge, auf die ich jetzt nicht komme)

Das sind Grundinstallationen, die man automatisiert herstellen und beispielsweise auf einen Installations-Stick packen kann. Im Zweifelsfall: Stick in den leeren PC, 20 Minuten später läuft der Rechner.

Das kann man sogar mit sogenannten „immutable“ Systemen bauen, damit das stabiler wird.

Und dazu immer etwas Hardware auf Reserve. Im Prinzip würde da ein Mini-PC mit N100, 16 GB RAM, 256 GB SSD reichen, da läge man so bei rund 130 Euro im Einkauf. Zumindest für Reserve- und Notfallsysteme.

Das könnte man deutlich besser aufziehen. Aber sie machen da nicht mit.

Man könnte ja mal damit anfangen, die Ursachen zu ergründen.