Ansichten eines Informatikers

Eine App, so gruselig schlecht

Hadmut
13.9.2024 20:49

Was Dresden die Brücke ist Berlin die App.

Also, die Sache ist die:

In Berlin fährt man – oder fuhr früher, als das noch nicht so gefährlich und versifft war – U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn, Bus. Das Netz an sich, die Routen, sind ziemlich gut. Oft kommt man erstaunlich einfach von A nach B.

Die Crux in Berlin war aber – auch bevor die öffentlichen Verkehrsmittel zu Kriegszonen und rollenden Müllhalden wurden – die systematische Unzuverlässigkeit des Netzes. Immer wieder mal fällt irgendwo irgendetwas aus, gibt es irgendwo Störungen, Polizeieinsätze, Kabeldiebstähle, Baustellen, weiß der Teufel. Das ist im Allgemeinen nicht so schlimm, wie es sich anhört, weil der Wegeplan oft auch redundant ist. Es finden sich andere Wege.

Nur: Kann man nicht alles im Kopf haben. Schon gar nicht tagesaktuell mit ständigen Änderungen. Deshalb hat es sich bewährt, auch auf Strecken, die man vermeintlich gut kennt, immer die App der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zu befragen, weil die immer wusste, was gerade nicht geht, und manchmal sogar schnellere Wege findet. Auch wenn der klassische Berliner eher der Meinung ist, dass Wege-Apps was für Feiglinge sind und echte Männer einfach irgendwo einsteigen und sehen, wohin sie das Schicksal bringt, Hauptsache ein „Wegebier“ in der Hand,

Und vor einigen Jahren wurde dann eingeführt, dass man damit auch Tickets kaufen kann, online, was ich nur selten brauchte, weil ich ja, solange ich noch einen Bürojob hatte, eine Jahreskarte für den Tarifbereich AB hatte.

Und so war man mit dieser App eigentlich im Großen und Ganzen zufrieden. Sie war zwar nicht schön und recht grobschlächtig geraten, die Bedienung nicht so toll, aber: Sie tat, was sie sollte. Sie zeigte einem zuverlässig und recht flott eine Liste der möglichen Verbindungen von A nach B und erlaubte einem, Online Tickets zu kaufen. Was ja gerade in Berlin sehr wichtig ist, weil so viele Fahrkartenautomaten versifft, angekokelt, sabotiert, vollgerotzt oder sonstwie kaputt sind und man in Bussen inzwischen auch keine Karten mehr kaufen kann.

Auch wenn es da Details gab, die einen in den Wahnsinn treiben konnten und die Frage nach dem Warum aufwarfen. So gibt es den Regeltarif und den ermäßigten Tarif. Warum aber in Dreiteufelsnamen mir immer alle angeboten werden, als ob ich mir das tagsüber überlegen könnte, ob ich jetzt normal oder ermäßigt (Schüler, Behinderte,…) fahre, mal so, mal so. Eigentlich müsste man das einmal in den Einstellungen angeben, ob man normal oder ermäßigt fährt. Irgendwann hatte ich es mal sehr eilig, weil der Bus schon kam, und ich noch eine Vierfahrtenkarte kaufen wollte, und habe erst hinterher gemerkt, dass ich versehentlich ermäßigt statt regulär gekauft hatte. Steht nämlich nicht so deutlich dran. Im Prinzip ist man damit ja schon Schwarzfahrer. Also hatte ich dann ständig noch 3 offene Fahrten der 4-Fahrtenkarte, die ich eigentlich nie wieder würde verwenden können, die mir aber ständig im Weg rumstanden und ständig die Gefahr mit sich brachten, dass ich es nicht merke und versehentlich Schwarzfahre. Kein Weg, versehentlich gekaufte Karten wieder loszuwerden oder weiterzuverschenken. Man kann nichts anderes tun, als sie aufzubrauchen, also einfach zu aktivieren, als würde man fahren, ohne es wirklich zu tun. Aber gerät man da nicht auch in den Verdacht des Schwarzfahrens ohne überhaupt gefahren zu sein?

Das war nervig, aber ansonsten hat die App funktioniert. Und sie hatte ein besonderes Feature: Ein Widget für den Hauptbildschirm, das einem stets die gerade aktive Fahrkarte anzeigt. Prima zum Einsteigen, bei Kontrollen usw.

Alles nicht schön, aber zufriedenstellend. Tat, was es sollte.

Aber, ach.

Neulich stand ich mal nachts um 3 an der Bushaltestelle, der letzte Bus der Nacht noch wenige Minuten entfernt, wollte ein Ticket lösen – Schockschwerenot. Inzwischen eine ganz neue Version der App, und die hat meinen Login verloren, will, dass ich mich mit Benutzername und Passwort neu anmelde. Woher zum Kuckuck soll ich nachts um 3 auf finsterer Gasse mein Passwort für den BVG-Account her haben?

In der Not über die Webseite eine Passwort-Rücksetzung angefordert, neues Passwort eingetippt (Passworte auf der Handy-Tastatur ist echt übel), und es gerade noch rechtzeitig geschafft, an einen Fahrschein zu kommen.

Etwas später habe ich dann einen Zug verpasst, weil ich am Bahnhof stand und es nicht schafft, mit der neuen App ein Ticket zu lösen. Jedesmal, wenn ich zur ausgesuchten Fahrt ein Ticket haben wollte, bot mir das Ding den Kauf neuer Tickts an, obwohl ich noch eine angebrochene 4-Fahrtenkarte hatte, die Kauftaste aber ausgegraut. An meine noch bestehenden Karten komme ich nicht, und neue kaufen kann ich auch nicht.

Versuche ich aber, ohne Wegewahl direkt an ein Ticket aus meinem Vorrat zu kommen, fragt das Ding jedesmal, was der Start sein soll, obwohl es weiß, wo ich bin. Selbst wenn ich den eingebe, fragt es dann nach dem Ziel (worauf es nicht ankommt, wenn ich sowieso ein ABC-Ticket buchen will), und kommt dann wieder bei der Routenwahl raus, ohne jemals beim Kauf eines neuen Tickets oder dem Aktivieren eines bestehenden vorbei kommt). Irgendwann bei der 12. Umdrehung ging es dann, aber der Zug war weg.

Dafür sieht sie jetzt deutlich schöner aus. Vorher hässlich, aber funktional, jetzt schön und unbrauchbar.

Mir war die Sache die Tage wieder eingefallen, und eigentlich wollte ich ihnen eine böse Bewertung für den Mist in den App Store schreiben. Muss ich gar nicht. Schaut mal, wieviele Leute da ähnliche Beobachtungen gemacht haben und wie lausig schlecht die Bewertungen ausfallen.

Was ist da los?

Warum ersetzt man eine unschöne, aber funktionierende App gegen eine, die schöner aussieht, aber nicht zu gebrauchen ist?

Riecht für mich irgendwie danach, als habe man den Auftrag irgendeiner parteinahen Klitsche zugeschoben. Denn das ist bekannt: Quoten-/„Seiteneinsteiger“-Frauen drängen in der IT immer in die UX. UX für User Interface. Die machen dann, dass das alles schön beschriftet und in der richtigen Farbe gehalten ist. Aber scheren sich nicht um die Funkionen.

Und es erinnert mich fatal an die Corolabrücke von Dresden: Da hat man die Brücke auch nicht durch einen überwachen lassen, der Ahnung hat, sondern einen Soziologen auf den Posten des Baubürgermeisters gesetzt. Ergebnis bekannt.

Hat also irgendwer konkrete Informationen für mich, wie die es zu dieser App-Verschlechterung kam und warum man eine alte, hässliche, aber funktionierende App durch ein neues Monster ersetzt hat, das hübsch aussieht, aber nicht brauchbar funktioniert?

Warum macht man sowas?

Warum vergibt man eine App an jemanden, der das offensichtlich nicht kann?

Korruption? Vetternwirtschaft? Geldwäsche? Illegale Parteienfinanzierung?