Vom bedauerlichen Schwinden des analogen Kopfhörers
Eine technische Rüge.
Eigentlich habe ich mein Handy richtig gern. Tut alles, was ich will und wäre auch noch prima in Ordnung. Aber, ach:
- Es scheint keine Softwareupdates und Securitypatches mehr zu geben, obwohl das Gerät bezüglich seiner technischen Ausstattung immer noch sehr gut vorne mit dabei ist.
- Es hat nur G4, und ab und zu hätte ich zumindest spieltriebmäßig schon gerne mal G5 ausprobiert.
- Ich merke, dass nach dreieinhalb Jahren der Akku nachlässt. Früher war der innerhalb eines Tages nicht leerzukriegen, nur mit Mühe und viel Gebrauch überhaupt unter die 60% zu kriegen. Und heute ist er nach wenigen Stunden schon runter zwischen 50 und 60%, so dass ich mir schon überlege, ob ich an langen Tagen nicht auf Grund laufe und überlege, ob das wirklich den Tag über reicht, zumal ich auf Reisen für Videos und zum Lesen dann immer noch ein Tablet mitschleppe. Ich hatte zuerst angenommen, dass das am Stromverbrauch liegt, weil man immer mehr Apps auf dem Handy hat die im Hintergrund irgendwas treiben und rauf und runterladen, was natürlich enorm Strom zieht. Vor ein paar Tagen ist mir aber etwas aufgefallen, was mir Zweifel am Akku bereitete: Ich musste abends weg und hatte vergessen, das Handy zu laden, und es war schon unter 50%. Deshalb habe ich immer so einen ganz kleinen USB-Akku, so ein Powerbank im Miniformat, nicht viel größer als eine Kreditkarte, ca. 1cm dick, 10.000mAh, Schnelladefähigkeit, mit Anzeige. Klein, aber richtig gut und vor allem leicht. Das Ding reicht normalerweise, um mein großes Handy einmal zu laden und noch etwas Restkapazität zu haben. Das Ding hat nun mein Handy wieder aufgeladen auf 100% und zeigte dann selbst aber noch einen Restkapazität von 85% an. Und wenn dieselbe Powerbank, die ja vom bloßen Rumliegen auch nicht besser oder kapazitiver werden kann, nunmehr grinsend meint, dass es sie müde 15% kostet, mein Handy von unter 50% auf 100% zu bringen, dann ist das ein untrügliches Zeichen, dass es mit der Kapazität meines Handy-Akkus auch jenseits der Gefräßigkeit der Apps nicht mehr zum Besten steht.
Gut, nach über drei Jahren Dauergebrauch und ständigem Schnellladen ist das verständlich. Und ein Punkt, der mich an der Nachhaltigkeit von e-Autos zweifeln lässt.
Ich weiß nicht, ob man dafür eine Akku-Reparatur bekommt, denn ich nehme grundsätzlich keine teuren Handies. In Berlin ist die Gefahr zu groß, dass sie geklaut/geraubt werden, auch am Strand, und sie können immer mal runterfallen, eingeklemmt werden, irgendwo am Flughafen hops gehen, weiß der Kuckuck. Ich halte das nicht für angebracht, mit einem 1.400-Euro-iPhone rumzulaufen.
Deshalb habe ich folgende Eckpunkte: Hilfshandies für Sonderzwecke wie die Drohnensteuerung oder etwas in der Art (was ich ungern mit dem Haupthandy mache) liegen so in der 100-Euro-Klasse. Dafür bekommt man schon erstaunlich viel, wenn man etwas Geduld hat und auf ein Angebot wartet. Für das Allermeiste würde ein 100-Euro-Handy heute eigentlich reichen. Weil ich aber etwas Speicher und eine wenigstens mittelprächtige Kamera haben will, vor allem ein gutes Display, gebe ich für mein Haupthandy normalerweise so zwischen 200 und 300 Euro aus. Brachial gut, was man dafür schon bekommt, wenn ich das so mit dem Nokia 6210 von vor 20 Jahren vergleiche, mit dem man eigentlich nur telefonieren und SMS verschicken konnte.
Also war jetzt ein neues Handy fällig, und weil ich zufrieden war, das Nachfolgemodell. Ich habe mal fett ca. 350 Euro ausgegeben, weil mit 5G und 12GB RAM und 512GB Flash, das hält eine Weile und sollte auch Multimedia-Gebrauch standhalten.
Aber, ach Oh weh.
Das Ding hat – ist wohl jetzt so Mode – keinen analogen Kopfhörerausgang mehr, keine TRRS-Buchse.
Das bläht mich. Ich habe zwar reichlich Bluetooth-Ohrhörer, aber die verwende ich eigentlich nur da, wo ich lange sitze, im Flieger oder Zug und eigentlich auch nur mit dem Tablet. Vor allem aber sind die Dinger ständig leer (über alle Marken, ich habe mehrere), weil die eine Selbstentladung haben und weil ich sie eben auch manchmal benutze. Wen ich weiß, dass ich verreise, hänge ich die vorher ans Ladegerät. Und ich habe auch welche, die gar nicht gut sitzen, mir aus dem Ohr fallen, während andere vom anderen Hersteller tadellos sitzen.
Deshalb habe ich in den Taschen für das „kleine unterwegs“ Ohrhörer, weil ich das praktisch finde, unterwegs in der S-Bahn mal Podcasts anzuhören oder für ein Telefonat die Hände freizuhaben und deshalb überall ein Headset (Ohrhörer mit Mikrofon) drin zu haben. Ich habe mir mal irgendwo welche auf Vorrat gekauft, die so um die 6 Euro pro Stück gekostet haben, Markenprodukt als Handybeilage, und die sind für den Alltagsgebrauch perfekt. Vielleicht nicht die Super Klangqualität für Spitzenmusik, aber für Podcasts mehr als ausreichend.
Und: Im Gegensatz zu Bluetooth-Kopfhörern, bei denen man wieder ein Gehäuse und die zwei Stöpsel hat, die man leicht verlieren kann, kann man bei einem analogen Kabelhörer, der im Handy steckt, eigentlich nichts verlieren. Man kann sie sich in Situationen einfach aus dem Ohr ziehen und aus der Jackentasche baumeln lassen, da verliert man nichts. Und selbst wenn, dann sind da 5 Euro futsch und nicht 35.
Was aber mache ich nun, wenn das Handy keine analoge Buchse mehr hat?
Es gibt Adapter. Und es gibt „type-c“-Ohrhörer, die direkt einen USB-C-Stecker haben, in dem die Digital-Analog-Umsetzer stecken. Amazon, 2 Stück für 9,99 Euro. Mal zur Probe zwei dieser Doppelpacks von unterschiedlichen Herstellern mit unterschiedlichen Aussehen bestellt und zur Verblüffung von beiden baugleiche Geräte bekommen, also jetzt Besitzer von 4 gleichen zu je 5 Euro. Funktionieren. Auch am PC. Haben eine bessere Steuerung des Geräts über Tasten im Kabel. Sind aber deutlich leiser als die analogen.
Und es ärgert mich, dass man die jetzt unten und nicht oben einsteckt, was in der Jackentasche miserabel ist, wobei mir der Gedanke durch den Kopf geht, das Handy einfach rumzudrehen, damit die Unterseite mit dem USB-Anschluss jetzt oben ist. Gefällt mir trotzdem nicht, und stört mich, dass man nicht mehr gleichzeitig laden und hören kann, denn bislang habe ich (aus Sicherheitsgründen selten, aber wenn es der Akku erforderte) das Handy beim Hören von Podcasts per USB an der USB-Ladebuchse im Stadtbus geladen. Das geht jetzt nur noch mit bluetooth-Hörern. Es gibt zwar Adapter, mit denen wieder beides geht, aber die muss man auch wieder mitschleppen und die kosten ziemlich, außerdem setzen die nicht auf zwei USB-C-Buchsen um sondern auf eine USB-C-Buchse für die Stromversorgung und einen analogen Port für den Ohrhörer. Als bräuchte man auch wieder einen analogen Kopfhörer und hat dann das Gebimsel unten dran.
Also – es gefällt mir nicht. Vorher fand ich es besser.
Mir fällt nun aber etwas anderes auf:
Mein altes Handy hat ein eingebautes UKW-Radio. Mit dem man selbst im Falle eines Ausfalls der Mobilstationen oder der SIM-Karte immer noch Notfallmeldungen im Radio hören könnte, was enorm wichtig sein kann. Das Radio funktioniert aber nur mit analogen Kopfhörern, weil es das Kabel als Antenne benutzt.
Und es hat auch kein Radio mehr.
Ich halte das für problematisch, weil gerade in einem Kriegs- und Katastrophenfall derzeit das UKW-Radio die wichtigste Informationsquelle ist. Nicht, dass ich das UKW-Radio in meinem alten Handy (und den letzten drei Handys, die auch alle eins hatten) je ernstlich benutzt hätte – aber es war eben wichtig, zu wissen, dass es das kann, und dass man das im Notfall einschalten würde, um zu hören, was los ist. Ich habe ja vor vielen Jahren, das müsste so um 2007/8 gewesen sein, in Karlsruhe einen richtig großen Stromausfall miterlebt. Ich wollte gerade abends bei Dunkelheit auf einen Supermarktparkplatz fahren, als ich am Horizont genau in meiner Blickrichtung ein orangefarbenes Leuchten sah (was ich fälschlich für eine Explosion gehalten habe, es war aber der Lichtbogen eines Kurzschlusses im Umspannwerk, der dazu führte, dass sich alle anderen Umspannwerke, die Karlsruhe versorgten, aus Selbstschutzgründen auch sofort abschalteten und damit sofort der Strom weg war) und dann mit einem Schlag alles dunkel war, nur noch die Scheinwerfer der Autos.
Es war eine Katastrophe, alleine nur zurück nach Hause zu kommen, weil die Leute plötzlich nicht mehr in der Lage waren, sich an banale Verkehrsregeln und Straßenschilder zu halten, wie man das in der Fahrschule mal gelernt hat, oder sich überhaupt noch im Straßenverkehr zu orientieren, wenn das Licht weg ist und man mitten in der Stadt nur noch das Licht der Scheinwerfer hat. Obwohl es nur ein paar Straßen bis zur Wohnung waren und nur ein Stück über den Hauptstraßenring, wurde das zur Durchschlageübung, weil die Autofahrer so unfähig waren und das ganz große Verkehrschaos veranstaltet haben. Ich habe es dann bis zur Wohnung geschafft und dort mit Taschenlampe und Batterie-Radio erst einmal gehört, dass die im Radio auch nicht wussten, was passiert war.
Aber: Wenigstens ging das noch, weil die einen Notstrombetrieb hatten. Die Handys waren nach einigen Minuten schon ausgefallen, weil die Akkus der Mobilfunkstationen nur kurze Ausfälle überbrücken konnten. Es hatte gerade so gereicht, dass ich noch beim Radiosender anrufen konnte, weil die gefragt haben, ob jemand was gesehen hat oder was weiß, um zu sagen, dass ich ein explosionsartiges Leuchten am Horizont im Westen gesehen hatte und dann sofort, nahezu gleichzeitig der Strom weg war, und dann war es aus mit dem Telefonieren. Dann gab es nur noch Radio und Taschenlampe.
Ich halte es deshalb für problematisch, auf die Radiofunktion im Handy zu verzichten. Wir machen jetzt zwar schöne Alarmübungen, aber in meiner Kindheit wussten wir noch, was die Sirenensignale bedeuten. Heute bedeuten sie ja eigentlich nur noch: „Irgendwas Wichtiges, informiere Dich!“.
Und dann?
Was, wenn die Mobilfunknetze wegbrechen?
Was, wenn die Mobilfunknetze noch funktionieren, aber alle gleichzeitig Nachrichtensendungen aus dem Fernsehen streamen wollen, was los ist?
Wir wollen zwar UKW-Radio abschalten – aber ein Datum gibt es nicht und die Lizenzen sind bis in die 2030er Jahre vergeben. Solange wir noch UKW senden und das als Notfallinformationssystem betrachten (das Ahrtalhochwasser hatte ja gezeigt, dass da auch gar nichts funktioniert hatte, aber anscheinend hat man das jetzt verbessert), sollte man meines Erachtens erzwingen, dass alle im Handel verkauften Handys UKW-Empfang haben.
Dies allein schon deshalb, weil die typische zeitgeistige Bevölkerung ja kein UKW-Radio mehr verwendet, kein klassisches Batterie-Radio mehr besitzt. Früher gab es in jedem Haushalt einen „Transistor“, wie man die modernen Radios mit Transistoren, die man im Gegensatz zu Röhrenradios einfach so einschalten und mit Batterien verwenden konnte, die sogenannten „Kofferradios“, weil man sie tragen, mitnehmen konnte und sie einen Griff hatten. So etwas gab es in jedem Haushalt, und in jedem Haushalt lagen im Keller im großen Sicherungskasten Ersatzsicherungen, Kerzen, Streichhölzer, Taschenlampe, Batterien griffbereit.
Kennt man heute nicht mehr. Die Jugend lädt am USB, hat alles als Handy-App, streamt auf die Bluetooth-Lautsprecher, hört podcasts und youtube statt Radio. Und wenn der Strom weg ist? Dann fangen sie an zu weinen und machen ein Tik-Tok-Video darüber.
Meines Erachtens müssten alle bis 2030 oder 2035 in der EU verkauften Handys UKW-Radio-fähig sein, um im Notfall die Informationswege aufrecht zu erhalten. (Und man sich überlegen, was danach kommt.)
Aber irgendwie scheint niemand daran zu denken – oder erst nach der nächsten Katastrophe mit Toten.
Mir geht aber noch etwas anderes durch den Kopf. Gab es nicht eine Vorschrift, wonach in der EU bald keine reinen UKW-Radios mehr verkauft werden dürfen, sondern jedes UKW-Radio auch DAB+ können muss? Vielleicht haben die Hersteller den UKW-Empfang absichtlich entfernt, um nicht auch DAB+ einbauen zu müssen.
Ich halte es für einen Fehler und wieder einmal für eine Folge fehlender Konzepte für den Notfall.