Ansichten eines Informatikers

Die CDU putscht gegen die Verfassung

Hadmut
26.9.2024 21:31

Ich habe doch noch mal reingeguckt.[Update 2]

Mir kam nämlich der Gedanke, dass ich mir die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags noch herunterladen sollte, bevor sie geändert wird, also die heute gültige Version.

Darin heißt es in § 2:

§ 2 Wahl der Präsidentin beziehungsweise des Präsidenten und der Stellvertreterinnen beziehungsweise Stellvertreter

(1) Der Landtag wählt die Präsidentin beziehungsweise den Präsidenten und die Vizepräsidentinnen beziehungsweise Vizepräsidenten in besonderen Wahlgängen für die Dauer der Wahlperiode. Die Wahlen werden ohne Aussprache und geheim durchgeführt. Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Ergibt sich keine solche Mehrheit, können für weitere Wahlgänge neue Bewerberinnen beziehungsweise Bewerber vorgeschlagen werden.

(2) Die stärkste Fraktion schlägt ein Mitglied des Landtags für die Wahl zur Präsidentin beziehungsweise zum Präsidenten vor. Die anderen Fraktionen schlagen jeweils ein Mitglied des Landtags für die Wahl zur Vizepräsidentin beziehungsweise zum Vizepräsidenten vor, sodass jede Fraktion im Vorstand des Landtags mit einem Mitglied vertreten ist.

(3) Die Präsidentin beziehungsweise der Präsident und die Vizepräsidentinnen beziehungsweise Vizepräsidenten können vom Landtag abberufen werden. Ein dahin gehender Antrag kann nur von einem Drittel der Abgeordneten schriftlich eingebracht werden. Die Entscheidung hierüber erfolgt nach frühestens zehn und spätestens 20 Tagen ohne Aussprache in geheimer Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Landtags.

(4) […]

Da die AfD 32 von 88 Sitzen und damit die Sperrminorität hat, bekäme man keine Zweidrittelmehrheit gegen die AfD zur Abberufung eines AfD-Präsidenten zusammen.

Die Rechtslage ist damit klar: Die AfD-Fraktion stellt als stärkste Fraktion den Präsidenten (oder schlägt solange ihre Mitglieder vor, bis alle abgelehnt sind, und dann geht gar nichts mehr), während die anderen Fraktionen nur Vizepräsidenten stellen können. Und ist ein Präsident gewählt, ist er das für die volle Periode, weil für diese Zeit gewählt und aufgrund der Sperrminorität nicht gegen den Willen der AfD abzuberufen.

Kann einem gefallen oder auch nicht, aber so ist es.

Jemand schrieb mir noch, dass die Grünen versucht hätten, das in der letzten Periode zu ändern, aber die CDU das abgelehnt hätte (noch zu verifizieren).

Das sieht für mich auf den zweiten Blick danach aus, als ob die CDU sich in Thüringen einfach nicht an die Geschäftsordnung halten will, und dazu die Konstitution des Landtags sabotiert – damit also gegen die Landesverfassung putscht.

Geht ja gut los.

Wenn die CDU schon bei einer solchen Formalie den Putsch versucht, was machen die dann erst bei richtigen Themen?

Update: Ein Jurist meint dagegen, dass die GO gar nicht gilt, weil eine GO den nächste nicht binde, und der neue Landtag sich erst eine GO geben müsse, um überhaupt eine zu haben:

Das hat aber mehrere Schönheitsfehler. Denn wenn es keine GO gab, dann konnte die CDU folglich auch keine GO-Anträge stellen.

Und wenn sich der Landtag erst konstituieren und sich eine GO geben muss, dann kann in der GO ja die Eröffnung des Landtags nicht geregelt werden, weil dann nie eine GO gilt.

Allerdings heißt es in Artikel 57 der Landesverfassung:

Artikel 57

(1) Der Landtag wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, die Vizepräsidenten und die Schriftführer.

(2) Der Präsident kann den Landtag jederzeit einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Fünftel der Mitglieder oder eine Fraktion oder die Landesregierung es verlangen. Er leitet die Sitzungen des Landtags nach Maßgabe der Geschäftsordnung.

(3) Der Präsident führt die Geschäfte des Landtags. Er übt das Hausrecht, die Ordnungs- und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus. Eine Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Landtags nur mit Zustimmung des Präsidenten vorgenommen werden.

(4) Der Präsident vertritt das Land in Angelegenheiten des Landtags, leitet dessen Verwaltung und die wirtschaftlichen Angelegenheiten nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes. Er stellt die Bediensteten der Landtagsverwaltung ein, entläßt sie und führt über sie die Aufsicht.

(5) Der Landtag gibt sich eine Geschäftsordnung.

Da steht „aus seiner Mitte“, aber überhaupt nichts zum Wahlverfahren.

Ich glaube deshalb nicht, dass das stimmt, dass die GO den neuen Landtag nicht bindet, weil ja gar nicht genug Regeln dafür da sind und die Initialsitzung nicht geregelt ist. Das ginge ja gar nicht. Weil nach der GO der letzte Präsident die neue Sitzung einberuft, und das anders gar nicht ginge, bin ich der Meinung, dass die GO den neuen Landtag nur insofern nicht bindet, als er sie ja neu festlegen kann, sobald er sich konstitutiert hat. In der Verfassung steht aber einfach zu wenig, als dass man einen Landtag ohne die letzte GO eröffnen könnte.

Mal sehen, was deren Verfassungsgericht dazu sagt.

Update 2: