Das Thüringer Kasperletheater: Antrag auf einstweilige Anordnung
Das Theater eskaliert.
Die WELT hat den Eilantrag der CDU in Sachen Landtag Thüringen veröffentlicht, Qualitätsstufe Fax in der niedrigeren Auflösung, inhaltlich aber auch nicht besser.
Ich habe es mal überflogen.
Ich halte den Antrag so für unzulässig, und würde da am ehesten Verwaltungsgerichtsrecht anwenden. Das Ding liest sich wie eine schnell hingeworfene Klageschrift, aber nicht wie ein Antrag auf eine eA, weil dafür noch explizit der Anordnungsgrund und der Anordnungsanspruch dargelegt werden müssten.
Ich habe jetzt nichts in diesem Antrag gesehen (allerdings, wie gesagt, nur quer- und nicht detailgelesen, vielleicht habe ich es übersehen, aber es wäre mir nirgends ins Auge gefallen), worin denn eigentlich Rechte der CDU verletzt werden, wenn sie keinen Landtagspräsidenten vorschlägt. Das ist schon deshalb fragwürdig, weil die CDU sich ja in den letzten Jahren, so ungefähr 34 seit der Wiedervereinigung, auch nicht daran gestört hat, dass die stärkste Fraktion den Präsidenten vorschlägt. Deshalb ist das überhaupt nicht nachvollziehbar, warum sie sich jetzt auf einmal so ganz plötzlich daran stören soll. Sie kannte die GO ja schon vorher und hätte das in früheren Sitzungen beantragen können.
Auch im Westen hatten wir das seit Gründung der Bundesrepublik, dass die stärkste Fraktion den Präsidenten stellt oder vorschlägt, und der CDU hat es immer gefallen. Warum sie da jetzt so ganz plötzlich meint, davon so schrecklich verletzt zu sein, dass sie eine eA braucht, ist nicht nur nicht ersichtlich – es ist rechtsmissbräuchlich. Es geht ja hier offenbar um politische Ränkespiele und nicht um irgendwelche wichtigen Angelegenheiten.
Davon abgesehen beantragen die in der Sache eine Vorwegnahme der Hauptsache, die nicht mehr rückgängig zu machen wäre, denn wenn der Präsident des Landtags erst einmal gewählt ist, ist das nicht mehr einfach so mit „Sorry, da haben wir uns geirrt“ rückgängig zu machen. Sowas ist generell in Verwaltungs- und Verfassungsangelegenheiten unzulässig.
Und ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt zuständig ist, wage ich zu bezweifeln, denn das Bundesverfassungsgericht hat ja vor ein paar Tagen erst einen Antrag der AfD in Sachen Bundestag überwiegend mit der – meines Erachtens richtigen – Begründung zurückgewiesen, dass sie für die Verfassung und nicht für die Geschäftsordnung zuständig sind.
Wäre ich Richter am Verfassungsgerichtshof, würde ich das Ding zwar genauer lesen, als ich es jetzt getan habe, aber ich würde das mit ziemlicher Sicherheit als unzulässig und/oder unbegründet zurückweisen, weil das nur Blabla ist und es an der nötigen Begründung fehlt, und wohl auch Rechtsmißbrauch rügen, denn das Gericht ist nicht dazu da, damit die bei ihren Sandkastenspielen ihren Präsidenten gegen die GO durchdrücken können.
Überaus beachtlich finde ich aber, dass darin das steht, was ich vorhin schon im Blog hatte: Nämlich dass die letzte Präsidentin aus der vorangegangenen Periode die Änderung der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Und das durfte sie wohl nicht.
Da würde ich als Richter wohl deftig draufhauen.
Wer hat das Ding eigentlich geschrieben? Prof. Dr. Philipp Austermann. Ist das der da? Professor für Staats- und Europarecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung?
Nach anwaltlicher Erfahrung sieht mir der Schriftsatz jedenfalls nicht aus. Das ist Blabla.
Brüller: Von dem gibt es ein Buch Der Weimarer Reichstag – Die schleichende Ausschaltung, Entmachtung und Zerstörung eines Parlaments, und ausgerechnet der schreibt den eA-Antrag für einen GO- und Präsidentenputsch im Landtag. Kann man sich nicht schöner ausdenken.
Aber:
Ein Leser meint, der Verfassungsgerichtshof in Thüringen sei ein ziemlicher Sauhaufen:
Lieber Herr Danisch.
Betreff Landtag Thüringen sollten sie unbedingt mal den Wikipedia-Artikel zum Thüringer Verfassungsgerichtshof ansehen. Ein abgrundtiefer Sumpf wo viele Monate Vakanz des Vorsitzenden entstand, vor lauter Gezerre welcher Richter mit 2/3 Mehrheit gewählt wird, wo nur halbherzig das Gesetz geändert wurde (obwohl die AfD für Klaus von der Weiden von der CDU Zustimmung ankündigte) dass neu auch ein Vizepräsident bestimmt wurde, die sich aber nicht einig wurden in das Gesetz zu schrieben ob der dann nur ein paar Monate es vertretungsweise machen kann, oder die ganze Wahlperiode im Extremfall, falls keine Einigung der Parteien über einen neuen Präsident besteht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Th%C3%BCringer_VerfassungsgerichtshofTOP ist der Wikipedia-Einzelnachweis Nr 3 unten wo der Präsident ab Seit 4 sachlich über den Streit eine rechtspolitische Beschreibung schriebt.
https://www.zlvr.de/app/download/8063765381/ZLVR+-+Online+3-2022.pdf?t=1663256605– AfD verweist auf Frist-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
– Die Fraktionen von CDU, Linke, SPD, Grünen und die FDP-Gruppe hatten am Donnerstag erklärt, man wolle eine “demokratische Mehrheit” ohne AfD-Stimmen für dieses wichtige Amt sicherstellen. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit sei aber wegen der derzeitigen Situation nicht gewährleistet
– Die AfD wollte für das CDU-Mitglied stimmen.
https://web.archive.org/web/20220506083238/https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/afd-landtag-wahl-verfassungsgericht-praesident-100.htmlAuch TOP – RotRotGrün wollte ihn zuerst nicht wählen
https://web.archive.org/web/20220506083234/https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/verfassungsgericht-prasident-richter-verwaltungsgericht-klaus-weiden-100.htmlFazit: Wenn mir Glück haben ist der Verfassungsgerichtspräsident neutral, die Anderen Richter beugen aber das Recht.
Oh, das würzt.
Harren wir also erwartungsvoll der Dinge, die da kommen werden.