Ansichten eines Informatikers

Windhuk, Namibia

Hadmut
7.10.2024 14:55

Au weia.

Ich war mal, müsste ich jetzt nachschauen, wann genau, ich glaube, so um 2011, in Namibia. Und natürlich, für die Ankunft, auch in der Hauptstadt Windhuk, für einige Tage in einer Herberge, die von Deutschen geführt wurde, wo man sich also normal deutsch unterhalten konnte und entsprechend viel erfuhr. Habe ich ja im Blog auch schon oft beschrieben, ich hatte da ja auch den Friedhof und die Townships, diese Armutsbaracken, besichtigt.

Beispielsweise wurde ich von den Herbergseltern gewarnt, dass ich zwar sicher zu Fuß von der Herberge in die Innenstadt gehen könne (was nicht weit war, ein paar Straßen nur). Solle ich aber dort meine Kamera auspacken und benutzen, auf gar keinen Fall zu Fuß mehr zurückgehen sollte, weil ich verfolgt und überfallen würde. Für den Rückweg solle ich ein vertrauenswürdiges Taxi nehmen. Und bekam eine Visitenkarte eines Taxiunternehmens, mit dem sie persönlich bekannt sind, bei dem sie sich darauf verlassen könnten, dass zumindest ihre Gäste nicht ausgeraubt würden.

Ich hatte dort ein seltsames Erlebnis, das sich auch in den nächsten Tagen einige Male wiederholte, und das ich ebenfalls schon im Blog beschrieben hatte: Normalerweise sprechen die Schwarzen dort, gemäß den dort üblichen Sprachen, so einen dumpfen, kehligen, rauhen Slang, der sich nach Busch und Afrika anhört. Auch wenn man kein Wort versteht, es hört sich sofort nach Afrika und Township an. Wie ich also so in Windhuk unterwegs war, sprach mich jemand von hinten nicht nur in reinem Muttersprachler-Deutsch an, sondern vor allem mit der präziseren, helleren, artikulierteren Tonlage, wie sie in Deutschland üblich ist. Ich war zu 100% und ohne jeden Zweifel sicher, dass mich ein weißer, Deutscher angesprochen hätte – entweder ein Tourist, oder eben ein Deutscher aus Namibia, da gibt es ja viele (und auch noch viele deutsche Straßennamen, das Postamt heißt „Postamt“, ein Buchgeschäft hatte ein Kochbuch von Horst Lichter im Schaufenster).

Ich drehte mich also rum – und war verblüfft. Kein Weißer zu sehen, nur Schwarze. Wer hatte mich da aus der Nähe angesprochen und sich dann in Luft aufgelöst?

Es stellte sich heraus, was ich bis dahin auch nicht wusste, dann aber auch verifizierte: Es gab dort einige Schwarze, die zu DDR-Zeiten als kleine Kinder in die DDR gebracht wurden, dort aufgewachsen sind und natürlich normal Deutsch und auch die deutsche Artikulation und Stimmlage erlernt hatten. Ich müsste jetzt noch einmal nachschauen, was die Hintergründe waren, das war irgendso eine sozialistisch-politische Sache mit Brudervölkern, der übliche kommunistische Schwafel-Scheiß, aber die hatte man in der DDR aufgezogen und teils auch schon ausgebildet, und nach der Wende konnte man mit denen nichts mehr anfangen, und hat sie dann nach Namibia zurückgeschickt. Und genau diese Story erzählte mir der dann auch, ich konnte mich ja auf normalem Muttersprachlicher-Niveau mit dem unterhalten. Und wie dreckig es ihnen doch ginge. Deutschland habe sie einfach fallen gelassen, und nun säßen sie hier, wüssten nicht, wie sie sich ernähren sollten, bitter Hunger, blablabla. Ob ich nicht helfen könnte. (=Geld). Sorry, aber nöh.

Ich hatte das dann abends den Herbergseltern erzählt, und die sagten, die seien bekannt und das sei Schwindel. Das mit der DDR stimme schon, aber die Hotels und Unterkünfte in Windhuk und ganz Namibia suchten wegen des zunehmenden Tourismus händeringend nach Personal, und wer auch nur ein bisschen Deutsch spreche – erst recht, wenn muttersprachlich gut – bekäme jederzeit sofort ein Dutzend bestbezahlter Jobs etwa an der Rezeption und bei der telefonischen Buchung. Die könnten prima verdienen, die seien einfach nur zu faul zum Arbeiten. Jobs gebe es mehr als genug für Leute, die deutsch sprechen. Etwas später hatte ich mir auch eine deutschsprachige namibische Tageszeitung gekauft, um mal zu lesen, worum es denen da so geht, und da stand sogar eine ausdrückliche Warnung vor der Betrugsmasche dieser DDR-Namibier drin.

Ich hatte schon oft von dem Typen erzählt, der uns da in seiner Schrottkarre, deren Mängel gereicht hätten, um hierzulande zehn Autos vom TÜV sofort an Ort und Stelle erschießen zu lassen, zu einer Besichtigung der Townships rumfuhr, und auch an besagtem Friedhof vorbei brachte, und sehr viel, sehr Interessantes erklärte, zeigte uns auch die Tagelöhner. Auf den Hauptstraßen mit befestigtem, mit Bodensteinen ausgelegtem Mittelstreifen saßen Tausende von diesen Leuten, mit einem üblen, vergorenen, entsetzlich stinkenden Gebräu als Tagesproviant und Flüssigkeitsquelle ausgestattet, dessen Name und Rezeptur mir nicht mehr einfallen, aber es hätte selbst Klingonen davor gegraust, Analphabeten, eigentlich für alles zu blöd, die da warteten, dass irgendwelche Leute mit dem LKW kommen, ein paar von ihnen für Kleingeld auf die Ladefläche pferchen und für einfachste Tagesaufgaben irgendwohin bringen. Ich hatte gefragt, warum das so sei, denn ich hätte doch gelesen, dass Namibia sich größte Mühe gäbe, kostenlosen Schulunterricht für alle anzubieten, und die Leute auf ein ordentliches Wissensniveau zu bringen. Warum die das nicht annähmen. Wozu, fragte er mich. Das sei völlig nutz- und sinnlos, nur Zeitverschwendung. Sein Bruder habe ein Stipendium erhalten und irgendwas an der Uni studiert, mit Abschluss. Ich weiß nicht mehr, was es war, aber es war irgendwas, was sich ordentlich anhörte, kein Spinner- oder Orchideenfach. Irgendwas, womit man eigentlich ordentlich verdienen können sollte. Aber, so sagte der mir, der habe auch keinen Job gefunden und säße genau wie diese Leute da auf dem Mittelstreifen irgendwo herum, und die anderen fragten sich dann natürlich, wozu sie sich die Mühe machen sollten, zu lernen. Er sei in seiner gesamten großen Familie der Einzige, der Geld verdiene – weil er ein Auto besitze (auch wenn es mir persönlich sehr schwer fiel, diesen Schrotthaufen, der sich wohl nur deshalb noch bewegte, weil die Bremsen noch kaputter als der Motor waren, noch als solchen zu bezeichnen) und deshalb seine Zettel in ein paar Herbergen aushängen konnte, dass man ihn als Reiseführer für Tagesausflüge in die Townships buchen könne, wo er ja auch selbst lebe. Im Vergleich zu anderen, auch seinem Bruder, sei er damit ein reicher Mann.

Unser Reiseleiter, der auch selbst den Bus fuhr, war ein Ex-Deutscher, der vor Jahrzehnten nach Namibia ausgewandert sei, die dortige Staatsbürgerschaft angenommen hatte und das nun bereute. Nicht seinetwegen, er komme mit dem Land klar, aber seine Töchter hätte er gerne zum Studieren nach Deutschland geschickt, und das sei mit der namibischen Staatsbürgerschaft nicht möglich gewesen. Und weil es mit seiner Farm nicht mehr gut lief, verdiente der sich sein Geld eben als Reiseleiter. Und kannte dort nach 40 Jahren Namibia wirklich jeden Stein und jede Person. Der wusste einfach alles. Und hat uns viel darüber erzählt, warum es so schwierig ist, auf Namibia eine Farm zu betreiben: Die Arbeitsmoral sei fast überall schlechter als mangelhaft. Beispielsweise kann er seine Angestellten nicht bar bezahlen. Würde der denen einen Wochen- oder Monatslohn auszahlen, kämen sie sich jetzt reich vor, und würden für Monate nicht mehr gesehen. Sie würden, wenn überhaupt, nur zwei, drei Stunden am Tag arbeiten, und das nicht in einem Sinne, den wir Deutsche „arbeiten“ nennen würden. Und auch da kann er sie nur bei der Stange halten, indem er ihnen das Gehalt überwiegend in Naturalien auszahlt, einen Mini-Supermarkt betreibt, und Lebensmittel für maximal 2-3 Tage ausgibt. Damit sie permanent wieder kommen müssen. Die Frau eines seiner Mitarbeiter habe ihm mal gesagt, das sei auch gut so, nur so hätten sie zu essen. Gäbe man ihrem Mann Bargeld oder größere Mengen Lebensmittel, würde er das sofort versaufen.

Richtig positiv aufgefallen waren mir nur der Flughafen, Swakopmund, wo alles aussah, wie frisch geleckt und Filmkulisse, und die unzähligen Touristenedelherbergen, in denen wir ja auf der Reise auch logiert haben, wo es wirklich picco bello sauber, alles schön gemacht, und das Essen phantastisch und absolut erstklassig war. Ich habe noch nie auf einer Reise permanent so gut gegessen wie in Namibia. Und bei den Hottentotten. Als Kind musste ich mir immer anhören, dass es in meinem Zimmer aussehe wie bei den Hottentotten, eine damals gängige Redewendung. Aber soviel möchte ich festhalten: Bei den Hottentotten herrscht Ordnung. Da war alles tip top, alles in bestem Zustand und blitzsauber. Nie sah es in meinem Zimmer so aufgeräumt aus wie da bei den Hottentotten.

Sie können, wenn sie wollen. Aber die meisten wollen einfach nicht.

Noch nie war ich bei einer Reise, obwohl es eine der schönsten, faszinierendsten und sehenswertesten Reisen meines Lebens war und ich mich dort eigentlich sehr wohl gefühlt habe, so froh, als sie vorbei war, weil mir von den vielen Holperfahrten über die Sand- und Buckelpisten schon nach einer Woche der Rücken sehr, sehr weh tat und jede einzelne Bodenwelle für sich schmerzte. Das geht auf die Wirbelsäule.

Wir wurden damals vor der Kriminalität gewarnt, Raub von Geld und Kameras.

Man sagte uns, die Leute seien nicht eigentlich kriminell im herkömmlichen Sinne. Sie kennen es nur nicht, sich etwas zu erarbeiten. Sie sehen da plötzlich irgendwelche Leute mit viel Geld im Geldbeutel, schicken Edelklamotten, Schmuck, und dicken Kameras um den Hals, und verstehen einfach nicht, woher die kommen und warum die das haben und sie nicht. Das finden sie ungerecht. Sie wissen aber nicht, dass wir dafür ein Leben lang 40 Stunden die Woche arbeiten und richtig ranklotzen.

Ich war bei den Himba. Verständigung mit Händen, Füßen, Geschenken und Bargeld. Nur der Sohn des Häuptlings war gebildet und sprach englisch. Wir unterhielten uns. Woher wir kämen. Germany. Ah, ja, davon habe er gehört. Wo das sei. Im Norden. Wie weit weg das sei, wie lange man da mit dem Auto fahre, um dorthin zu kommen. Geht nicht, sagte ich, ist erstens sehr weit und zweitens ein Meer dazwischen. Da müsse man fliegen. Ganz, ganz, ganz schnell, und das dauert einen halben Tag. Na, wenn es nur einen halben Tag dauere, meinte er, kann es so weit ja nicht sein. Kann ja auch nur irgendein Ort da in der nördlichen Gegend sein. Ob es bei uns genauso aussehe wie bei ihnen. Naja, sagte ich, so Bäume und Berge wie in dieser Richtung haben wir bei uns auch. Aber so Büsche wie die da, die hätten wir nicht. In Windhuk hatte mich eine Verkäuferin ganz aufgeregt mal gefragt, ob es bei uns denn auch Kühe gäbe. Ja, sagte ich, Kühe haben wir in Deutschland auch. Was könnte man auch ohne Kühe tun?

Kühe sind wichtig. Man hatte mir – von Mann zu Mann – empfohlen, mir eine Frau in Namibia zu kaufen, dort seien sie günstig. Aber sehr darauf zu achten, sie nur mit Kühen und Schafen, niemals aber mit Ziegen zu bezahlen. Das sei ganz wichtig. Denn wenn man sich eine Frau kaufe und mit Ziegen bezahle, dann rede sie für den Rest ihres Lebens zuviel. Ein Rat, den ich beherzigte. Nie habe ich eine Frau gekauft und mit Ziegen bezahlt.

Warum ich Euch das jetzt erzähle?

Um Euch vorzubereiten.

Und ich sage Euch, denkt an meine Worte: Niemals mit Ziegen bezahlen!