Ansichten eines Informatikers

Krankenkasse und Arzttermin

Hadmut
9.10.2024 15:02

Wenn’s mal wieder so fürchterlich deutscht.

Es wäre zum Haareausraufen, wenn ich dafür noch genug hätte.

Im Sommer – nein, nicht im Sommer, sondern im II. Quartal, war ich bei der Hausärztin. Details lasse ich weg. Sie kam zu dem Schluss, dass man mal Gefässe checken sollte, was grundsätzlich eine einfache Sache sei: Ultraschall dranhalten, gucken, fertig.

Die Sache schien sich obendrein deshalb zu vereinfachen, weil sie nicht nur im Besitz eines Ultraschallgerätes war, sondern das auch noch in ihrem Hauptbehandlungszimmer einsatzbereit hat. Man hätte also meinen und erwarten können, dass die Sache mit „Legen Sie sich mal dahin, Oberkörper frei!“ in höchstens 5 Minuten erledigt gewesen wäre.

Aber, ach.

Nicht in Deutschland.

Sie eröffnete mir, dass sie nur eine der drei Stellen, an die bei mir das Ultraschallgerät zur Kontrolle anzulegen wäre, untersuchen könne. Für die anderen beiden müsse sie mich zum Facharzt überweisen.

Ah, dachte ich, das kenne ich. Ich war ja vor über 30 Jahren mal ziemlich krank und lange im Krankenhaus, und da hatten sie bei den Untersuchungen verschiedene Schallköpfe an ihrem Ultraschallgerät, lange, dünne, kurze, breite und – durfte ich leider kennenlernen – welche mit Loch, durch die man dicke fette Nadel und Schläuche stecken und dem Delinquenten durch die Bauchdecke stoßen kann („Zystofix“ und sowas) und dabei auf dem Ultraschall sehen kann, wohin man trifft.

Nein, sagte sie, am Kopf läge es nicht, das sei immer der gleiche. Auch das gleiche Gerät. Der Grund sei, dass sie die Untersuchungen nicht machen dürfe, weil sie bei der Krankenkasse nur für bestimmte Ultraschalluntersuchungen registriert ist und nur diese abrechnen kann.

Also bekam ich einen Überweisungsschein und versuchte, einen Facharzttermin zu bekommen.

Gut, zugegeben, dass ich viel im Ausland war, machte die Sache nicht einfacher, aber eigentlich auch keinen Unterschied, weil das von manchen Radiologen angeboten wird und die Terminwartezeit für Kassenpatienten bei gerne 3 bis 4 Monaten liegt.

Neulich bekam ich einen Termin, aber eher so aus Mitleid, weil mein Überweisungsschein schon zwei Quartale abgelaufen war (ich brauchte natürlich einen neuen und musste deshalb nochmal zur Hausärztin).

Der Brüller aber: Obwohl Termine so rar und knapp sind, brauchte ich zwei Termine – Vorschrift der Krankenkasse, hieß es. Außerdem müsste ich für einen der beiden Termine nüchtern erscheinen. (Was die Frage aufwirft, warum man sie nicht trotzdem zusammen macht, denn es würde ja auch dann, wenn ich nicht nüchtern sein muss, nicht schaden, nüchtern zu erscheinen – oder?)

Nun hatte ich also die beiden Termine.

Einen gestern.

Einen heute.

Zweimal früh aufstehen und in den Außenbereich von Berlin fahren.

Zweimal die praktisch gleiche Untersuchung: Selbes Zimmer, selbe Liege, selber Arzt, selbes Ultraschallgerät, sogar derselbe Ultraschallkopf. Gestern hielt er mir das Gerät an den Hals und kam zu dem Ergebnis, dass da alles in Ordnung sei. Heute hielt er mir denselben Ultraschallkopf an den Bauch, und kam zu dem Ergebnis, dass es da in Anbetracht der Voroperationen und Verwachsungen sogar ganz besonders in Ordnung sei. Man sehe es selten so deutlich in Ordnung und aufgeräumt. Bei mir im Bauch herrsche auffallend Ordnung, das sei evident. Beides dauerte etwa 3 bis 4 Minuten plus noch eine zum Diktieren des Befundes. Es wäre trivial gewesen, mir das Gerät in einem Aufwasch einmal an den Hals und einmal an den Bauch zu halten.

Ich hatte dann aber gefragt, warum das auf zwei Termine verteilt werden musste. Das sei doch ineffizient und das ganze Drumherum mit Anmeldung, Wartezimmer, Eintreten, Vorstellen, Aus- und wieder Anziehen, Vorgeschichte erzählten und so weiter habe viel länger gedauert als die eigentliche Untersuchung.

Der Grund: Die Krankenkasse erlaube es nicht. Mir das Ding an den Hals und an den Bauch zu halten seien zwei verschiedene Untersuchungen, aber derselben Art (Ultraschall), und die Krankenkasse erlaube es nicht, zwei verschiedene Untersuchungen derselben Art am selben Tag abzurechnen. Deshalb habe ich, auch wenn die Termine noch so knapp und sie auf noch so lange Zeit ausgebucht seien, zweimal kommen müsse. Die Krankenkasse wolle es so.

Was der Grund dafür sei. Ob es um den Kampf gegen Abrechnungsbetrug ginge, wollte ich wissen.

Sie guckten mich an. Das wüssten sie nicht. Aber sie hätten sich schon lange abgewöhnt, sich noch zu wundern oder Fragen zu stellen. Es gäbe in ihrem Metier in Deutschland so viele Absurditäten, dass ihre Kapazitäten nicht reichten, um sich über alle zu wundern, und im Vergleich zu allen den anderen Absurditäten, mit denen sie zu kämpfen hätten, sei diese geradezu unbeachtlich klein. Da gäbe es viel Schlimmeres.

Und so habe ich zwei Quartale warten müssen, weil die Termine so knapp sind, um dann für die gleiche Untersuchung beim selben Arzt und mit demselben Gerät zwei Termine zu brauchen und zweimal anfahren, zweimal anmelden, zweimal aus- und wieder anziehen usw. brauchte. Für eine Sache, die meine Hausärztin damals in 5 Minuten ad hoc hätte erledigen können.

Ach ja, eins noch:

Als ich gestern zum ersten Termin kam, gab es noch ein Problem. Die Hausärztin hatte nämlich beide Untersuchungen auf einen Überweisungsschein geschrieben. Um das abrechnen zu können, bräuchten sie aber zwei, weil es ja auch zwei verschiedene Termine seien. Man sah das aber pragmatisch und hat mir gestern eine Fotokopie des Überweisungsscheins gemacht, die ich dann heute für den zweiten Termin mitbringen sollte. Während ich gleichzeitig eine E-Mail mit den Zugangsdaten zu ihrem Arztportal von ihnen bekam, auf denen ich alle Untersuchungsdaten herunterladen könnte, weil sie ja voll digital arbeiteten.

Deutschland eben.

Alles so schrecklich.