Deutschland in der Petrischale
Vom Deutschen zum Forscher.
Ich hatte es schon mal derart formuliert, dass ich nicht mehr mitspiele und mich nicht mehr wehre, sondern wie Waldorf und Statler in der Loge sitze und mich über die miserable Bühnenshow lustig mache.
Es geht aber noch weiter.
Mir ist irgendwie das Gefühl, „Deutscher zu sein“, völlig abhanden gekommen. Ich weiß mit diesem Land überhaupt nichts mehr anzufangen. Ich wüsste auch nichts mehr in diesem Land anzufangen, weil sowieso alles schief geht und torpediert wird.
Ich komme mir inzwischen nicht mehr vor wie jemand, der von dem Land redet, in dem er wohnt, lebt, seinen Kontext hat, oder, wie man das politisch korrekt so ausdrückt, „seine Wurzeln“, sondern wie irgendein übermüdeter Laborant, Forscher, Wissenschaftler, der sich die Nächte damit um die Ohren schlägt, alle paar Stunden die Petrischalen unter dem Mikroskop zu betrachten, ob sie noch leben oder inzwischen eingegangen sind, und Protokolle darüber schreibt.
Ich finde es seltsam, dass man bei Migranten wie selbstverständlich davon schreibt, dass einer türkische, syrische, afrikanische, sonstwelche „Wurzeln“ habe (als ob man einen Baum, der in Syrien seine wurzeln hat, in Deutschland gießen könnte), aber gleichzeitig dafür sorgt, dass ich ganz sicher keine „deutschen Wurzeln“ mehr habe.
Ich bin im Begriff, ein Migrant zu werden, oder bin vielleicht schon einer. Aber mir gestattet man nicht, „Wurzeln“ zu haben. Statt Wurzeln habe ich nur eine Steuerpflicht.