Die Entdeutschung Berlins
Auch ein Effekt, den ich schon selbst beobachtet und beschrieben habe.
Ich war 1994 das erste mal in den USA, zu einer IETF-Konferenz. Und war zunächst mal konsterniert. Ich war als Schüler dreimal in den Osterferien zur Sprachreise in England, und 1990 in Singapur und Malaysia. Mein Englisch war sicherlich nicht sonderlich gut, damals als Informatiker eher so ein Schrift- und Fachbuch-Englisch, aber eigentlich war ich der Auffassung, dass ich mich zumindest in den wesentlichen Dingen des Lebens und Alltags sicher auf Englisch verständigen kann, und das eben auch schon in verschiedenen Ländern getan hätte. Zumindest hatte man mich damals im Grundwehrdienst zum Kompaniedolmetscher ernannt, weil wir mit den Amerikanern zusammen üben sollte, in der ganzen Kompanie aber überhaupt nur zwei Leute (Wehrpflichtige) genug Englisch konnten, um in ganzen Sätzen zu reden. Ich hatte also schon mit Amerikanern zu tun, auch wenn mir das Militärische sprachlich völlig fehlte. Ich konnte mich damals mit amerikanischen Soldaten über Allgemeines gut unterhalten, scheiterte aber an der Aufgabe, den Befehl „Antreten“ zu übersetzen, weil ich damals nicht wusste, dass das bei denen „Formation, please!“ hieß. Ich habe es aber an dem Tag gelernt, weil deren Captain mir das sagte. Ich war der Meinung, ich könnte mit Amerikanern parlieren.
An den ersten Tagen in Kalifornien scheiterte ich grandios. Ich dachte, ich hätte jede Fähigkeit, englisch zu sprechen, völlig verloren. Drolligerweise kam ich mit einem amerikanischen Professor ins Gespräch, der hinter mir in der Anmeldereihe stand, und mir das dann erklärte, und mir auch Zuspruch leistete und mir versicherte, dass der schon bloße Umstand, dass ich mich mit ihm unterhielte, ja belegte, dass ich auch Amerikanern zu sprechen in der Lage sei.
- Bei der Anmeldung scheiterte ich völlig daran, der Frau an der Anmeldung etwas so einfaches wie „Guten Tag, mein Name ist Hadmut Danisch“ zu sagen. Nach dem dritten Versuch gab sie mir einen Schreibblock und Stift, um es aufzuschreiben. Der Professor sagte mir danach, die Frau sei taubstumm und sei als Amerikanerin daran gescheitert, mir meinen Namen von den Lippen abzulesen. Es sei gewöhnungsbedürftig, aber für Kalifornien normal, ein Taubstumme alleine an die Konferenzanmeldung zu stellen.
- Ich habe einen Vortrag gehört, in dem ich nicht nur kein einziges Wort verstanden habe, sondern nach einer halben Stunde noch nicht einmal wusste, worum es überhaupt ging. Der Professor sagte mir dann, ich solle mir nichts draus machen, denn er sei ja Amerikaner und habe auch kein Wort verstanden. Der Redner sei Texaner. Es sei gewöhnungsbedürftig, aber für die USA normal, Leute Vorträge halten zu lassen, die 90% der Zuhörer nicht verstehen, denn Amerikaner seien allgemein daran gewöhnt, nicht alles zu verstehen. Nur die Europäer störten sich an sowas.
- In der Mittagspause scheiterte ich daran, mir in einem Schnellrestaurant in der Nähe Burger und Pommes zu bestellen. Jemand in der Schlange hinter mir sagte mir aber, mein Englisch sei in Ordnung, aber da arbeiteten nur Hispanics, die könnten gar kein Englisch. Es sei gewöhnungsbedürftig, aber in einigen Südstaaten völlig normal, dass man sein Essen und viele andere Dinge auf spanisch bestellen müsse.
Ich habe damals gelernt, dass es in den USA gewöhnungsbedürftig, aber völlig normal ist, wenn man die Leute nicht versteht. Wichtig ist, immer so zu tun, als läge es am anderen (was es meistens auch tut). New Yorker sprechen eigentlich kein schlechtes Englisch, aber viel zu schnell und ohne Pausen. Ich habe noch nicht herausgefunden, ob, wie und wann die atmen und an Sauerstoff kommen.
Ähnliche Effekte sind längst auch in Berlin zu beobachten.
Schon seit Jahren passiert es mir, dass wenn ich nach dem Weg gefragt werde – ich werde oft nach dem Weg gefragt, weiß aber nicht, ob öfter als andere, ob ich vielleicht irgendwie vertrauenswürdig oder wie jemand aussehe, der den Weg kennt, vielleicht der besondere Sex-Appeal des alten weißen Mannes – und der Kontakt mit der Frage „Sprechen Sie Deutsch?“ eröffnet wird.
In immer mehr Gaststätten kann man nicht mehr auf Deutsch bestellen oder fällt damit zumindest negativ auf. In einigen Gegenden muss man oft englisch bestellen, weil sie Deutsch nicht verstehen, und auch nicht selten passiert es mir, dass ich in irgendeiner Döner- oder Falaffelbude unangenehm negativ auffalle, weil ich auf deutsch und nicht auf türkisch oder arabisch bestelle. Ich habe in Berlin immer öfter das Gefühl, dass man sich dort als Ausländer entlarvt, wenn man – nur – Deutsch spricht und nicht die Sprache des jeweiligen Reviers. In manchen Supermärkten habe ich den Eindruck, ich bin da der Einzige, der noch Deutsch spricht. Und als ich noch tagsüber zur Arbeit ging, habe ich auf dem Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz mindestens 10 fremde Sprachen gehört, von denen ich höchstens 5 überhaupt erkannt habe, aber nur noch selten irgendwas auf Deutsch. Von den Durchsagen am Bahnhof abgesehen.
Die WELT hat gerade einen Artikel darüber: „Sorry, I don’t speak German“ – Die Verdrängung des Deutschen
In Berlin kann man heutzutage in vielen Cafés nur noch auf Englisch bestellen. Viele Expats weigern sich, Deutsch zu lernen. Ihre Parallelgesellschaft dehnt sich immer weiter aus. Bedenklich ist vor allem, wie leichtfertig wir unsere Sprache aufgeben. Das muss sich endlich ändern.
Wozu hat man dann so brutal und schadensträchtig gegendert, wenn wir die Sprache doch ohnehin aufgeben?
Berlin zieht sogenannte Expats, also Leute aus dem Ausland, die ohne Einbürgerung in Deutschland leben und arbeiten, an wie das Sauerteigbrot die Hipster. Sie kommen aus Ländern wie Australien, Frankreich, England, Italien, Ägypten, Spanien, Polen oder den USA und arbeiten in Start-ups, Unternehmen, Bars, der Kreativszene oder selbstständig. Ihre Gemeinsamkeit basiert nicht auf einer geteilten Herkunft oder Kultur, wie in anderen Parallelgesellschaften, sondern auf einer geteilten Fremdheit. Ihr Erkennungsmerkmal: Englisch.
Dann erzählen sie eine Story, die meinen Erlebnissen 1994 in den USA so verblüffend gleicht:
Eine Freundin aus Amsterdam, die gerade Deutsch lernt und sich darauf gefreut hatte, ihre Fortschritte während eines Berlinbesuchs zu testen, kam kürzlich schnell an ihre Grenzen. Die Bedienung im Restaurant verstand sie nicht. Sprach meine Freundin zu schlecht, hatte sie einen missverständlichen Akzent? Ich beruhigte sie: Nein, ihr Deutsch war sehr gut; es war die Bedienung, die kein Deutsch verstand.
Und auch das kommt mir bekannt vor:
Kürzlich traf ich eine Bekannte, die zu Beginn des Ukraine-Kriegs nach Berlin geflohen war, und fragte sie, ob sie inzwischen Deutsch gelernt hätte. Sie lachte. Bevor sie nach Berlin gekommen war, war ihr Deutsch besser, verriet sie mir. In Berlin habe sie alles, was sie in der Ukraine im Schulunterricht gelernt habe, wieder verlernt, weil sich hier keine Gelegenheit ergibt, Deutsch zu sprechen.
Ich hatte mal einen Kollegen, irgendwoher aus Südeuropa, weiß nicht mehr, ich glaube Kossovo, der mir erzählte, dass er als Kind nach Berlin kam, und dann die Schule wechseln musste, weil er an der ersten Schule, an der er war, keine Chance hatte, Deutsch zu lernen – da wurde nur türkisch gesprochen.
Oder ist die Faustregel „Pass dich an dein Gastland an und lerne die Sprache“, die mir vor meinem einjährigen Schüleraustausch nach Venezuela 2008/2009 von der Austauschorganisation eingetrichtert wurde wie ein Überlebensmantra, heute tatsächlich nicht mehr zeitgemäß?
Da könnte etwas dran sein. Wir haben ja allgemein den Effekt, dass alle erwarten, dass sich die Umgebung an sie anpasst und nicht sie an die Umgebung.
Wobei ich ja zugeben muss, dass ich auf Reisen und auf Zypern auch davon profitiere, dass die da Englisch sprechen. Ich hatte ja schon mal gesagt, dass wir uns in Deutschland mal mehr um Englisch bemühen müssen. Warum, beispielsweise, schaffen die es in Zypern (gut, ehemalige britische Kolonie), aber auch in Dubai, alles doppelt zu beschriften? Warum schafft das beispielsweise LIDL auf Zypern, aber nicht in Deutschland? Obwohl es dieselben Produkte von denselben Herstellern sind? Warum lassen die das für Zypern Griechisch-Englisch (und noch andere Sprachen) bedrucken, aber nicht auch Deutsch-Englisch, wenn sie doch nachweislich über die englischen Texte verfügen?
Gerade in Berlin steckt auch eine gewisse Arroganz gegenüber den Deutschen dahinter, eine Missachtung, fehlender Respekt. Es hat aber auch viel mit Selbsthass zu tun. Gerade in linken Kreisen ist das ja sehr beliebt, sich völlig zu entdeutschen und ein mehr oder weniger gutes Englisch zu sprechen. Manche reden ein fürchterliches Kauderwelsch und Denglisch, mischen das so ins Groteske. Andererseits aber habe ich mich bei vielen feministischen Konferenzen gewundert, woher die eigentlich ein so gutes, fließendes, akzentfreies oder amerikanisches Englisch sprechen. Weit besser als unsere Elite-Masterin Baerbock. Ich habe daraus gefolgert, dass viele der Leute in den USA zur ideologischen Abrichtung gewesen sein müssen – oder zumindest von Amerikanern gedrillt wurden.
Expats, die trotz fehlender Notwendigkeit konsequent Englisch sprechen, tragen also zu einer Zweiklassengesellschaft bei: Statt den Toleranzrahmen auszuweiten, verengen sie ihn. Eine Doppelmoral, die sich auch auf inhaltlicher Ebene bemerkbar macht, etwa wenn in einem Neuköllner „Bookshop for female and queer authors“ über aus den USA importierte Debatten wie „Black Lives Matter“ diskutiert wird, die mit der Lebensrealität der Menschen eine Straße weiter kaum etwas zu tun haben.
Ich bin mir sicher, dass der Zerfall der Sprache nicht nur angefangen hat, sondern längst im fortgeschrittenen Stadium ist. Der Genderschwachsinn hat die Sprache gebrochen und die Geflanke für dümmestes Gefasel jeder Art geöffnet, und an den Schulen ist längst „Kanak“ die vorherrschende Sprachvariante.
So, wie es in vielen Ländern ein extrem vereinfachtes „Pidgin-Englisch“ gibt, wird sich auch ein „Pidgin-Deutsch“ durchsetzen. Vielleicht bleibt es bei der Bezeichnung „Kanak“. „Geh isch Aldi!“ „Figge isch Daine Mudda!“
Dementsprechend sollte man Gender-Deutsch auch unter den degenerierten Sprachablegern einordnen. Frauen-Pidgin oder Linken-Kanak. Missdeutschende. Hat sich aber dann sowieso erledigt, wenn ein Brei aus Englisch, Türkisch und Arabisch gesprochen wird.