Die gegenseitige Selbstverkloppung der Linken und die Rechtsextremität der Linken
Ein Leser erklärt’s mir:
Ich hatte geäußert, dass es mir zwar nicht unrecht ist, wenn sich die Linken gegenseitig verprügeln, ich es aber von Blogs wegen schon gerne verstehen würde. Dazu schreibt mir ein Leser:
Hallo Herr Danisch,
die antideutsche Linke (die bspw. “Deutschland verrecke!” oder “Bomber Harris, do it again!” skandiert) unterstützt die rassistischen Zionisten und den Völkermord an den Palästinensern, während die antiimperialistische Linke auf der Seite der Palästinenser steht:
https://taz.de/Antiimperialisten-gegen-Antideutsche/!6038266/
Ach, gar.
Die TAZ dazu:
Antiimperialisten gegen Antideutsche
Linke Orte unter Druck
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas lässt alte Konflikte in der linken Szene wieder aufbrechen. Ein Dialog erscheint so gut wie unmöglich.
[…]
Auch so kann man mit dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel umgehen: „Diesen Oktober jährt sich der Tag, an dem unser Volk der Welt gezeigt hat, dass der Widerstand lebt und die Befreiung naht.“ So mobilisiert eine Gruppe namens Ahrar, die sich als „Hamburgs Palästinensische Bewegung“ bezeichnet, zu einer Demo am 5. Oktober. Ahrar setzt sich für eine „Einstaatenlösung“ im Nahen Osten ein – ohne einen israelischen Staat. Der Account „Flora für alle“ schreibt unter den Demoaufruf: „Wir kommen.“
Hähä. Und das sind dann die, die jahrzehntelang „Rechts“ mit „antisemtisch“ gleichgesetzt haben.
Die Spaltung der linken Szene in auf pro Israel fokussierte antideutsche und auf pro Palästina fokussierte antiimperialistische Gruppen begann bundesweit Ende der 1980er Jahre und eskalierte an kaum an einem Ort so wie in Hamburg. Die Auseinandersetzung hinterließ von Wandbildern an der Hafenstraße über eine Schlägerei zwischen Redakteur*innen des linken Radiosenders FSK bis zu einer von Antiimperialist*innen mit Gewalt verhinderten Filmvorführung tiefe Gräben zwischen Linken.
Doch irgendwann liegt auch der letzte Grabenkampf so lange zurück, dass die meisten heute Aktiven ihn unter „Opa erzählt vom Krieg“ verbuchen. Derweil wurden andere Themen wichtiger und schufen Brücken zwischen den linken Milieus: Queerfeminismus, Klimawandel und nicht zuletzt der G20-Gipfel in Hamburg sowie die Repression traten in den Vordergrund. Die Frage „Wo stehst du im Nahostkonflikt?“ wurde vom Haupt- zum Nebenwiderspruch.
Ach, schön. Ich sag ja immer, die Bruderkriege treiben uns um. Wie zwischen National- und Internationalsozialisten oder Sunniten und Schiiten.
Interessante Frage: Dienen Queerfeminismus und Klimakrampf als künstlicher Kitt, Emulgator und Sedativum, um die Linke zusammenzuhalten?
Doch der Nahostkonflikt und der aggressive Positionierungsdruck in Teilen der Szene habe durchaus zu Brüchen geführt. So sei es derzeit etwa schwer vorstellbar, gemeinsam mit antiimperialistischen Gruppen auf die Straße zu gehen – obwohl es angesichts von Rechtsruck und Repression dringend geboten wäre, sagt der Aktivist. Zum Teil hätten sich internationalistische Gruppen aus Bündnissen verabschiedet, weil sie die Flora zu nah an der Seite Israels wähnten. Aus Sicht der Autonomen sei das ungerechtfertigt und politisch falsch. „Es gäbe momentan so viel Wichtigeres, als sich mit identitären Grabenkämpfen auseinanderzusetzen“, sagt der Flora-Nutzer.
[…]
Berlin hat kein Zentrum, das mit einer Institution wie der Roten Flora in Hamburg zu vergleichen wäre. Doch auch hier schlägt sich der Nahostkonflikt in der linken Szene nieder – täglich und heftig. Ein Grund dafür ist, dass in Berlin die europaweit größte Diaspora von Menschen mit palästinensischem Hintergrund lebt. Geschätzt sollen es zwischen 35.000 und 45.000 Menschen sein. Das hat historische Gründe: Viele reisten in den 1970er Jahren aus dem Libanon über die DDR ein. Und: Berlin hat eine große international geprägte, sich als links und queer verstehende Community, die sich teils deutlich antiimperialistisch verortet.
[…]
An viele Berliner Häuserwände sind palästinensische Fahnen gesprayt oder Slogans wie „Free Gaza“, teils ergänzt mit „from Hamas“, oder auch „Free Palestine from German bombs“. Der Slogan „Free Palestine from German guilt“ („Befreit Palästina von der deutschen Schuld“) löste im vergangenen Oktober noch öffentliche Empörung aus, inzwischen ist er ein häufiges Graffito.
Ach, und Leipzig?
Zu Leipzig haben sie auch was:
In Leipzig ist die antideutsche Szene noch stärker als in anderen Großstädten Deutschlands. Gehört im linken Milieu Berlins ein antiimperialistischer Gestus irgendwie dazu, geht die Tendenz in Leipzig in die andere Richtung. An den Häuserwänden im Stadtteil Connewitz prangen kaum propalästinensische Schriftzüge. Kufija zu tragen gilt hier nicht als chic – sondern wird eher misstrauisch beäugt.
Auch in Leipzig sah es lange so aus, als würde sich der alte Streit über Antiimperialisti*innen und Antideutsche beruhigen. Doch nun sei er wieder voll da, sagt Jule Nagel, Linke-Politikerin aus Connewitz, der taz. „Seit etwa drei Jahren gibt es ein Wiedererstarken autoritärer kommunistischer Gruppen, die das Thema stärker in den Fokus rücken“, sagt sie. Der 7. Oktober habe das nur noch beschleunigt.
Wie in anderen Städten versuchen Palästinaaktivist*innen seither, der Szene eine Komplizenschaft mit israelischen Kriegsverbrechern anzukreiden – und Antideutsche versuchen, die hinter jeder Israelkritik vermuteten antisemitischen Motive zu entlarven. Der Gegenseite zugeschriebene Veranstaltungen werden gestört, ihre Hausprojekte mit Parolen beschmiert.
Das erklärt natürlich das Video aus Leipzig. Und wirft weitere Fragen auf:
Auf der anderen Seite flogen im Oktober 2023 Steine auf die Fensterscheiben des Ladenprojekts Ganze Bäckerei im migrantisch geprägten Hausprojekt La Casa, wo viele antiimperialistische Gruppen Plenen abhalten. Im Inneren wurde ein Behälter gefunden, der vermutlich Schweinefett enthält – klar eine islamfeindliche Message.
Ohne Kontext würde man sowas doch für „rechts“ halten und unter „rechte Gewalt“ verbuchen. Ist das vielleicht so, dass viel „rechte Gewalt“ in Leipzig in Wirklichkeit links ist, man das aber nicht zugeben will und sie nach „rechts“ umbranded wie die Nationalsozialisten?
Es wäre nicht der erste islamfeindliche Ausrutscher der Szene. Bereits 2021 wurde aus einer polizeifeindlichen Demo heraus eine Moschee des Erdoğan-nahen Moscheedachverband Ditib mit Steinen beworfen. Was wohl als mit Kurdistan solidarische Islamismuskritik gedacht war, löste eine Debatte darüber aus, wie wenig Teile der Szene offenbar für antimuslimischen Rassismus sensibilisiert sind.
Auch Jule Nagel sagt: „Wir haben das Problem, dass sich linke Aktivist:innen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in linken Räumen manchmal nicht zugehörig fühlen.“
Weil die Linken von Leipzig so rechts sind.
Das hört sich spannend an. Und vor allem: Sehr unterhaltsam. Mögen die Spiele beginnen und sie sich die Köppe einschlagen. Bleibt zu hoffen, dass sie genug Gopros und Handykameras haben, damit wir das dann auch alles auf Youtube sehen können.
Der Leser aber weiter:
P.S.:
Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak weist darauf hin, dass Netanjahu die Hamas unterstützte, um die Palästinenser zu spalten: https://t.me/myLordBebo/49152
Die Netanjahu-Administration war über die Angriffspläne der Hamas informiert, unternahm aber nichts dagegen, um einen Vorwand für die Zerstörung des Gaza-Streifens zu bekommen: https://www.timesofisrael.com/weeks-before-oct-7-idf-said-to-have-been-warned-of-hamas-plan-to-take-250-hostages/
Netanjahus Sohn genießt das süße Leben in Miami: https://www.20min.ch/story/yair-netanjahu-ruehrt-von-miami-aus-die-werbetrommel-fuer-benjamin-364541438253
Das kann noch interessant werden. Man achte auf ausreichend Popcorn und Kartoffelchips. Denn es sieht danach aus, als würden die linken Fraktionen in Deutschland einen Stellvertreterkrieg führen.
Was dann aber auch die Frage beantwortet, die ich schon öfter stellte, warum nämlich die Linken so mit den Palästinensern und dem Islam verbandelt sind, und gleichzeitig das Gegenteil machen, nämlich gegen Antisemitismus und für Frauenrechte kämpfen.
Es sind eben zwei Arten von entgegengesetzt gepolten Linken.
Kennt Ihr den Spruch, den manche Schlauberger gerne ablassen, wenn irgendwer bei irgendwas rechts und links verwechselt? „Das andere Rechts!“. Und jetzt haben wir eben – wieder – die Situation „Das andere Links!“, weil es zwei Fronten davon gibt.
Wer gewinnt?