Ansichten eines Informatikers

Das FBI

Hadmut
10.11.2024 13:02

Ich hatte geschrieben, dass das FBI eine Polizeibehörde und kein Geheimdienst sei.

Das stimmt wohl so nicht. [Nachtrag]

Einige Leser haben mich darauf hingewiesen, dass das FBI eine Hybridbehörde ist, die zwar auch, aber nicht nur die Aufgabe einer Bundespolizei ausübt, aber eben auch die eines Inlandsgeheimdienstes.

Das FBI ist zwar wohl von seinen Aufgaben her eine Bundesbehörde und für Fälle zuständig, die

  • sich gegen Bundesrecht richten oder
  • Staatsgrenzen innerhalb der USA überschreiten.

(Kennt man ja aus vielen Kino- und Fernsehkrimis, dass sich da in den USA sofort die Zuständigkeiten ändern, sobald ein Straftäter eine Landesgrenze überfährt.)

Sie machen das aber wohl nicht nur im Sinne einer Strafverfolgung, sondern auch einer Vorfeldaufklärung möglicher Bedrohungen und der Spionageabwehr. Und insbesondere seit den Anschlägen auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City 1995 und das Attentat auf den WTCV-Komplex vom 11. September 2001 auch die Terrorismusbekämpfung.

Dazu der wissenschaftliche Dienst des Bundestags:

Das FBI ist streng genommen kein Nachrichtendienst, sondern die Bundespolizei, verfügt jedoch über nachrich-
tendienstliche Befugnisse, dazu mehr auf: https://www.fbi.gov/investigate/how-we-investigate/intelligence.

Die Süddeutsche

Das FBI ist die amerikanische Bundespolizei mit nachrichtendienstlichen Befugnissen. Es ist damit für Verbrechen zuständig, die sich auf amerikanischem Boden ereignen. Zu den wichtigsten Prioritäten der Behörde gehört die Terrorismusbekämpfung sowie Gegenspionage und der Kampf gegen Cyberattacken. Aber auch Ermittlungen gegen Waffenschmuggler, Wirtschaftsverbrecher und kriminelle Netzwerke führt das FBI durch. Das FBI gehört nicht zum zivilen Geheimdienstprogramm, sondern hat ein eigenes Budget.

Die haben damit wohl auch Aufgaben wie bei uns der Verfassungsschutz.

Also sind sie wohl zwar formal kein Geheimdienst, faktisch aber schon und wurden wohl systematisch dazu aus- und umgebaut.

Dazu gehört auch, dass das FBI bekanntlich nicht aus Stubenhockern besteht, sondern die auch sehr gerne Hausbesuche machen und viele SWAT-Teams haben, und dazu gehören wohl auch ungebetene Auslandsbesuche:

It has come to light that the US Federal Bureau of Investigation came to Iceland in 2011 as part of a Wikileaks investigation, and were asked to leave shortly thereafter by the Minister of the Interior.

Wikileaks spokesperson Kristinn Hrafnsson told Kastljósið the story of the event.
“I can confirm that on the morning of August 25, 2011,” Kristinn said. “The US Federal Bureau of Investigation came to Iceland to work with the State Prosecutor and the National Commissioner of the Icelandic Police as part of an investigation connected to Wikileaks.”
Minister of the Interior Ögmundur Jónasson backed up the story for RÚV, adding that when he was informed of Icelandic law enforcement cooperating with the FBI in Iceland, “I asked that all cooperation be ceased at once.” He added that the Foreign Ministry also contacted the US embassy.
Later on during the day that the complaints were lodged, the FBI agents boarded a private jet and left Iceland.
US law enforcement authorities have had great interest in Icelandic activities in connection with Wikileaks. One of the more infamous examples is how the US Department of Justice once asked Twitter to hand over all their data on communications and private messages from MP Birgitta Jónsdóttir’s account. The investigation sparked a legal battle which still continues to this day.

Auch das:

Auslandsbüros

Seit 1945 betreibt das FBI Auslandsbüros weltweit. Die Agentur hat Beamte an den US-Botschaften in vielen Ländern stationiert. Derzeit werden 64 Außenstellen betrieben und mehr als ein Dutzend kleinere Auslandsstandorte. Damit deckt das FBI mehr als 200 Länder, Territorien und Inseln ab. Die Büros wurden mit Zustimmung der Gastländer eingerichtet. In Deutschland, der Schweiz und Österreich sind die FBI-Beamten in den US-Botschaften stationiert.

Es gibt auch Hinweise dazu, dass das FBI die Aufgabe der Abwehr kommunistischer Umtriebe habe/hatte. So schreibt das FBI selbst:

COINTELPRO

COINTELPRO The FBI began COINTELPRO—short for Counterintelligence Program—in 1956 to disrupt the activities of the Communist Party of the United States. In the 1960s, it was expanded to include a number of other domestic groups, such as the Ku Klux Klan, the Socialist Workers Party, and the Black Panther Party. All COINTELPRO operations were ended in 1971. Although limited in scope (about two-tenths of one percent of the FBI’s workload over a 15-year period), COINTELPRO was later rightfully criticized by Congress and the American people for abridging first amendment rights and for other reasons.

Siehe auch Intelligence, Counterintelligence, Intelligence Branch, International Offices, oder das:

How does the FBI differ from the Central Intelligence Agency?

The CIA and FBI are both members of the U.S. Intelligence Community. The CIA, however, has no law enforcement function. Rather, it collects and analyzes information that is vital to the formation of U.S. policy, particularly in areas that impact the security of the nation. The CIA collects information only regarding foreign countries and their citizens. Unlike the FBI, it is prohibited from collecting information regarding “U.S. Persons,” a term that includes U.S. citizens, resident aliens, legal immigrants, and U.S. corporations, regardless of where they are located.

Und nochmal Süddeutsche: US-Spione in Deutschland: Nur naiv sollte man nicht sein

Vor Jahren ließ das FBI mit großem Aufwand den Sitz des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Washington beobachten. Der BND ist dort in der deutschen Botschaft untergebracht, einer sogenannten Residentur. Die Mitarbeiter des BND wurden observiert.

Das FBI wollte unbedingt herausbekommen, ob die Deutschen auf amerikanischem Boden ohne Wissen von US-Behörden Agenten führen. Das Ergebnis muss für das FBI enttäuschend gewesen sein: null.

War der BND also so schlecht, dass er seine Aufgaben nicht erfüllte, oder so gut, dass er sich dabei nicht hat erwischen lassen? (Die einen sagen ja, der BND sei doof und schlecht. Die anderen sagen, der BND sei sehr gut und es Teil seiner Tarnung, überzeugend auf doof und schlecht zu machen.)

Wenn sich beim BND in Washington Leute melden und den Deutschen ihre Dienste anbieten, informiert er brav das FBI oder die CIA über die Offerte. Das gehört sich so unter engen Verbündeten, meinen die Deutschen. Außerdem setzt das FBI Lockspitzel ein, um die anderen zu testen.

Man muss vorsichtig sein. Nur naiv sollte man nicht sein.

Ich will’s mal so sagen:

Im Rahmen meines Promotionskrachs war ich ja auch einige Male in Sachen Krypto und IT-Sicherheit in den USA, auf verschiedenen IETF- und anderen Konferenzen.

Mir ist dabei aufgefallen, dass jemand tagsüber, während ich auf dem ersten Tag der Konferenz in San Francisco war, in meinem Hotelzimmer meinen Koffer geöffnet und durchsucht hatte (Hartschalenkoffer mit trivial per Taschenlampe zu öffnendem Zahlenschloss), weil der Koffer abends andersherum im Schrank stand, die Zahlen des verriegelten Zahlenschlosses anders gedreht waren und im Inneren Dinge etwas verändert waren.

Aber: Es fehlte nichts. Nicht mal das Bargeld. Ich hatte damals im Krawattenfach der Trennklappe einen durchsichtigen Beutel mit, weiß nicht mehr genau, so 200 oder 300 US-Dollar in 20er-Scheinen. Nichts fehlte. Ich habe mir damals noch überlegt, wer denn ein Zimmer und einen Koffer durchsucht, aber das Bargeld nicht klaut.

Ich hatte auf der Konferenz zufällig und unabgesprochen jemanden aus dem IT-Sicherheitsumfeld der Uni Karlsruhe getroffen und mich mit ihm darüber unterhalten, und der berichtete, dass sie ihm am Flughafen den Koffer gefilzt hatten. Es lag nicht nur ein Zettel darüber im Koffer, den sie einlegen müssen, sondern er hatte die Marotte, mit seinem persönlichen Wecker zu reisen, weil er nur von dem geweckt werden wollte. Und diese Wecker hatte man aufgebrochen, um zu sehen, was darin ist, und ihm dann die Einzelteile wieder in den Koffer gelegt, Wecker kaputt. War wohl ungewöhnlich, dass jemand mit seinem Wecker reist.

Mir ist das dann auf irgendeinem US-Flughafen auch passiert, dass mein Koffer beim Einchecken „zufällig“ ausgewählt wurde (was sie tatsächlich werden, aber es gibt eben zwei Arten von zufällig, nämlich zufällig und „zufällig“), und ich da den Zahlencode rausrücken musste, weil mein Koffer da gleich im Flughafen und in aller Öffentlichkeit und von allen sichtbar auseinandergenommen wurde. Ich dachte noch, wie gut, dass ich Ordnung im Koffer halte und das Zeug nicht einfach reinstopfe, und was eigentlich wäre, wenn man dreckige Unterhosen, Dildos, Schwulenpornos oder so etwas im Koffer hätte.

Flughafen gehört noch in den Bereich der Transportation Security Administration (TSA), aber dass mein Koffer im Hotelzimmer durchsucht worden war, während ich auf der IETF-Konferenz in Sachen IT-Sicherheit war, fand ich doch sehr beachtlich, denn das gehörte sicher nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich der TSA. Irgendwer wollte da wissen, was ich da in den USA treibe.

Damals habe ich noch überlegt, wer das gewesen sein könnte. Die NSA wühlt eigentlich nicht in Zimmern herum, sondern eher elektronisch. Die CIA hat rechtlich eher Probleme beim Einsatz auf amerikanischem Boden, weil man ja amerikanischen Grundrechte hat, wenn man Amerikaner ist oder sich legal in den USA befindet. Andererseits bin ich ja aus deren Sicht Ausländer, und das mit dem Boden sehen die wohl nicht immer ganz so eng. Trotzdem komisch. Vielleicht also das FBI?

Der Knackpunkt ist aber letztlich, dass „Geheimdienst“ kein fest definierter Begriff ist.

Das FBI ist offiziell kein Geheimdienst, sondern eine Strafermittlungsbehörde für den Zuständigkeitsbereich des Bundesrechts. Es deutet aber sehr vieles darauf hin, dass sie faktisch auch zu einem Inlandsgeheimdienst ausgebaut wurden.

Nachtrag: Ich war eigentlich die letzten Jahre auch überzeugt, dass der Inlandsgeheimdienst das „Department of Homeland Security“ sei. DOHS. Das nach den Anschlägen von 2001 gegründet wurde.