Ansichten eines Informatikers

Eine Jugend in NRW

Hadmut
12.11.2024 17:57

Gute Güte, ist das traurig …

Ein Leser klagt mir sein Leid:

Deine und meine Jugend

Lieber Hadmut,

wir beide sind fast der gleiche Jahrgang. Während du öfter von einer schönen Kindheit und Jugend erzählst, war meine die Hölle. Du scheinst auf einem anderen Planeten aufgewachsen zu sein, dabei war es nur ein anderes Bundesland (BW statt NRW) und wahrscheinlich auch ein anderes soziales Milieu. Ich gönne es dir natürlich, aber sei dir bitte bewusst, dass du zu einer immer kleiner werdenden Mehrheit gehörst.

Ich schildere dir mal meine Sicht:

Wir waren einer der ersten Jahrgänge, die nicht mehr den Rohrstock kennengelernt haben. Darauf waren die meist linken und sozial eingestellten Pädagogen sehr stolz und klopften einander laut hörbar
auf die Schulter. Ergebnis: Dass sie dafür mehr psychische Gewalt ausübten, bemerkten sie nicht.

Bei dem häufig in Schulen auftretenden Mobbing griff man bewusst nicht ein, denn die Kinder sollten Konflikte selbst lösen lernen. Das wurde sogar ideologisch begründet und gefördert. Es hieß
“antiautoritäre Erziehung”. Ziel: Autoritätshörigkeit und so Wiederholung des Nationalsozialismus zu verhindern. Ergebnis: Das Mobbing wurde schlimmer, weil es keine Sanktionen mehr gab, und der
Nationalsozialismus wiederholte sich im kleinen Maßstab in der Schulklasse.

Ganz früher trug ein Lehrer seine Ideologie vor und die Schüler schrieben das, was der Lehrer lesen wollte. Dann gab es ein Neutralitätsgebot für Lehrer. (Ich glaube er heißt Beutelspacher Konsens und galt ab 1976.) Einige linke Lehrer hielten sich nicht daran, aber sie wurden vorsichtiger. Das Ergebnis: In ideologielastigen Fächern (Deutsch, Geschichte) bekamen Schüler nicht mehr so einfach eine gute Note, wenn sie schrieben, was der Lehrer lesen wollte, denn er sagte es ja nicht mehr so klar. Für eine gute Note musste man sehr geschickt zwischen den Zeilen lesen können. Und die
richtige Meinung reichte auch nicht aus, man musste sie auch noch rhetorisch geschickt dem Lehrer genehm darstellen. Das waren so Themen wie Frau in der Gesellschaft (Ibsen: Nora) oder Diskussion über
Diskriminierung von Frauen im Beruf. Das sind mE keine altersgemäß passenden Themen für die gymnasiale Unterstufe.

Ich hatte den Eindruck, dass so einige Lehrer Kryptokommunisten (Schläfer?) waren, die fleißig die Produktion weiterer Parteikader betrieben, noch bevor sie Revolution ausbrach.

Auch beim Umgang mit Frauen sehe ich als Mann meine Generation als Generation A(-Karte).

Die Geburtengänge nach dem unseren wurden immer kleiner. Damit gab es auf dem Partnermarkt auch immer ~10 % weniger Frauen, die ein paar Jahre jünger waren als wir.

Während die Männer der 50er Jahre in den 70er Jahren ein gewisses Maß an sexueller Freiheit als Folge der 68er-“Studentenrevolution” genießen konnten, tauchten bei uns pünktlich zur Pubertät AIDS und die 3. Feminismuswelle auf.

Viele Männer wurden durch feministische Lügen von der Benachteiligung der Frau weichgeklopft, so dass sie unterwürfig und damit völlig unattraktiv wurden. Dating- und Flirtratgeber waren wie alle Bücher
von Verlagen vorzensiert und brachten nur weichgewaschene pc Allgemeinplätze, wie man Frauen herumkriegt. Heute ist es noch schlimmer.

Das WWW kam erst später und bot ziemlich unzensiert Alternativen für Dating und Lebensführung allgemein an: PU-Community, Absolute Beginner-Foren, Feminismuskritik und Männerrechte, MGTOW, Redpill, frugales Leben, digitales Nomadentum uvm. Leider zu spät für meine Generation. Allein die Anzahl dieser Alternativkonzepte zeigt schon, wie kaputt unsere Gesellschaft ist. Aus heutiger Sicht erscheinen
mir die WWW-freien 70er und 80er Jahre wie finsteres Mittelalter.

Die Katastrophen, die du in deinem Blog beschreibst, haben schon viel früher angefangen, wahrscheinlich besonders in SPD-regierten Ländern. Ich habe nie ein tolles Deutschland mit Dichtern, Denkern, großartigen Ingenieuren und sozialem Frieden kennengelernt. Deswegen kann ich den Deutschlandhass der Linken logisch nachvollziehen.

Schau mal, was du davon annehmen kannst.

Vielen Dank für deine unermüdliche Arbeit!

Ich bin eigentlich, trotz enger Kontakte dahin, nicht in Baden-Württemberg aufgewachsen, sondern – Grundschule – in Hessen und – Gymnasium – in Rheinland-Pfalz, und dann erst an der Uni wieder nach Baden-Württemberg. Will sagen: Ich habe mich an der Ecke aufgehalten, an der die drei Bundesländer zusammenstoßen, und hatte durchaus mit unterschiedlichen Lehrplänen zu kämpfen.

Aber:

Meine Lehrer waren – bis auf zwei – alle gut und dicht, die waren alle – zumindest im wesentlichen – fähig und in Ordnung.

Ich hatte eine durchgeknallte, völlig idiotische und schlicht unfähige Englischlehrerin (schon im Blog erwähnt), die so weit neben der Schiene lief und so schlecht in Sprachen war, dass das auch den anderen Lehrern bekannt war (mir der Konrektor aber sagte, wir Männer müssten dafür Verständnis haben und ich eine mir fälschlich gegebene schlechte Englischnote schlucken statt mich zu wehren), und einen völlig widerlichen, fiesen, drakonischen, verlogenen, dreckigen Pfarrer als Religionslehrer, den ich dazu brachte, noch dümmer zu gucken als sonst, indem ich damals als erster Schüler meiner Schule aus dem Religionsunterricht austrat, und damit nicht nur sofort bekannt war, sondern dreifachen Vorteil hatte: Ich war den Armleuchter los, ich hatte eine schlechte Note aus dem Zeugnis, und – was in der Mittelstufe eigentlich nicht ging – der Rektor, mit dem ich mich sehr gut verstand und der sehr fähig war, meinte, ich sei erwachsen und intelligent genug, dass man mir einfach Freistunden gebe, weil man keine Lehrer übrig habe, um für einen einzelnen Schüler Ersatzunterricht zu machen. Von der ganzen Klasse beneidet. Während die sich mit dem rumschlagen mussten, hatte ich frei.

Das war es aber eigentlich schon an Negativem.

Es gab einen ziemlich unfähigen Chemielehrer, bei dem Kohlenstoffatome nach Bedarf auch mal 6- oder 7-bindig waren (Chemiker-Version von fünfe gerade sein lassen). Und einen zwar fachlich fähigen, und sehr netten, beliebten, aber pädagogisch überhaupt nicht durchsetzungsfähigen Erdkundelehrer, dem wir auf der Nase rumtanzten. Und, wenn ich es mir überlege, hatten wir mal ein Jahr lang einen zwar halbwegs fähigen, aber charakterlich ungeeigneten Erdkundelehrer.

Aber das war es eigentlich.

Ich bin mit meiner Schulzeit sehr zufrieden, war rückblickend eine schöne Zeit.

Wir hatten viel Spaß, es war friedlich, ich war (Gymnasium mal umzugsbedingt gewechselt) in zwei wirklich tollen Schulklassen mit netten, guten Leuten.

In der Summe und im Überblick kann ich über meine Schulzeit eigentlich nur Gutes sagen. Bis, natürlich, auf den Sportunterricht, weil ich diesen Leichtathletik-Kram und Schulsport-Krampf überhaupt nicht leiden konnte. Aber man hat es mir dann auch nicht allzu übel genommen, dass ich da meistens auch gar nicht hingegangen bin. Dabei war ich zu der Zeit durchaus ziemlich sportlich, nur eben mit dem Schulsport konnte ich nichts anfangen.

Und nein: Meine Lehrer waren völlig unpolitisch. Wir waren (bis auf einen Schulkameraden, der in der CDU war und natürlich den Klassensprecher gemacht hat) völlig unpolitisch. Nur die bekloppte Englischlehrerin war so genau das, was man heute als Feministin, Gender- und Quotentante einstufen würde – das gab es nur damals noch nicht. Die war einfach nur völlig bekloppt, und später hat man aus genau solchen Leuten Feministinnen gemacht, dafür war die bekloppt genug.

Dass das in NRW damals schon so anders war, habe ich nicht mitbekommen. Sowas wurde eher so aus der DDR erzählt.

Und natürlich: Altsprachliches Gymnasium. Uns war schon bekannt, dass das an den normalen Gymnasien sehr viel rauer, härter, derber zuging. Und wüste Dinge hörten wir, soweit wir überhaupt Kontakt hatten, von Haupt- und Gesamtschulen. Ich bin als Kind im Grundschulalter mal grundlos, willkürlich von dreien einer Gesamtschule verkloppt worden, an der mein Schulweg vorbeiführte. Da kam dann gleich die Polizei und hat die mitten im Unterricht in den Senkel gestellt. Die Polizisten sagten, da hätten sie regelmäßig Probleme und müssten da gegenhalten.

Wir hielten uns aber am humanistischen Gymnasium nicht nur für eine gebildete Elite – wir waren es auch. Solches Verhalten würde einfach unter unserer Würde, mit unserem Selbstverständnis unvereinbar gewesen.

Allerdings muss ich sagen, dass ich auch sonst von schlechten Schulklassen, schlechten Lehrern und schlechten Schulen gehört habe, das gab es wohl schon, aber es war eben nicht die Regel.

Und vor allem war es völlig ungefährlich. In den unteren Klassen gab es mal ein paar Kloppereien, aber nichts wirklich Ernstes. In der Oberstufe gab es mal eine Meinungsverschiedenheit, die ich längst vergessen habe, aufgrund derer mir welche das Fahrrad irgendwo ins Gebüsch geworfen hatten und ich es erst suchen und dann entlauben musste. Aber nie, dass wir irgendwie Angst haben mussten oder heulend nach Hause kamen, wie man das heute manchmal so hört. Die Schule war kein Kriegsgebiet.

Ich kann das nur nochmal wiederholen: Auch wenn es manchmal kleine Ärgerlichkeiten gab oder man sich mal über eine Klassenarbeit, eine Note, einen Tadel, einen fiesen Klassenbucheintrag total ärgerte, meine Schulzeit war toll. Ich habe viel gelernt, ich hatte gute Freunde und Klasse, prima Lehrer, viel gelernt. Ich bin gerne zur Schule gegangen.

Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass ich noch zu der Zeit in der Schule war (1972 bis 1985), bevor die 68er-Idioten linke Lehrer wurden. Ein, zwei Jahrzehnte später war das nämlich schon deutlich anders.

Vielleicht nehme ich deshalb den Absturz Deutschlands und das Chaos stärker wahr, weil ich einen anderen Vergleichsmaßstab habe.

Mir tun deshalb die Kinder heute so richtig leid, wenn ich höre und lese, wie es an den Schulen zugeht, was mir auch Lehrer unter den Lesern berichten.

Ich hatte mal kurzen Kontakt mit einer ehemaligen Klassenkameradin, die überraschend selbst Lehrerin geworden ist, und dann in dem riesigen – letztlich nur frei erfundenen, nie stattgefundenen – Kindesmissbrauchsskanal in Worms landete, weil sie einige der betroffenen Kinder in ihrer Schulklasse hatte und dann eigentlich nur noch Krisenmanagement im Äußersten betrieben hat. Die sagte mir damals schon, dass der Zustand der Schule überhaupt nichts mehr mit dem zu tun habe, was wir damals in der Klasse erlebt haben. Das sei eine völlig andere Welt – und auch das ist schon Jahrzehnte her.

Es tut mir irgendwo in der Seele richtig weh, wenn ich das mit ansehe, höre, lese, was aus den Schulen geworden ist. Was für ein Krisenzustand die geworden sind. Allein schon, was mir die Nachbarskinder über den Corona-Unterricht per Video erzählten, an dem erkennbar wurde, dass diese Lehrer auf sich alleine gestellt gar nichts mehr hinbekommen.

Oder dass in den Klassen heute mehrere Pädagogen gleichzeitig anwesend sein müssen, ein Lehrer für vorne und noch ein zweiter Krisenmanager.

Zwei Lehrer in einer Klasse? Gab es bei uns nie. (Außer beim Referendariat zur Lehrprobe.)

Wir brauchten keine Wachen, keine Polizei, es gab keinen Vandalismus, es war alles friedlich und zivilisiert.

Vielleicht erklärt das aber die Politik und die Grünen: Vielleicht kennen die das gar nicht anders und kommen von Schulen wie Kriegs- und Krisengebieten. Vielleicht muss man auf so einer Katastrophenschule gewesen sein, um hinterher zur SPD oder den Grünen zu gehen.

Wenn die Grünen schon das Ergebnis der damaligen NRW-Schulen sind, was meint Ihr dann, wird wohl los sein, wenn die heutigen Schüler mal 30 oder 40 Jahre alt sind?