Klicken und wischen
Nein, nicht wutschen und wedeln.
Klicken und wischen.
Ich hatte vor Jahren mal im Blog berichtet, dass mir Leute aus der IT-Branche erzählten, dass ihnen zunehmen Abiturienten für irgendwelche Praktika und Ausbildungen oder Aushilfsjobs unterkommen, die mit einem PC, mit einer Tastatur nicht umgehen können. Die einen normalen Tischcomputer nicht bedienen können.
Warum?
Weil sie nur noch Handys und Tablets kennen. Die kennen das Arbeiten am PC gar nicht, sondern nur noch das rumwischen auf dem Touchscreen mit der Trivial-Benutzeroberfläche.
Nun will ich ja gerne zugeben, dass es inzwischen einige Anwendungen mit exzellenter Benutzeroberfläche auf dem Tablet gibt, die eigentlich besser funktionieren als äquivalente Anwendungen auf dem PC mit Maus und Tastatur. Ich will tablets jetzt gar nicht runtermachen, ich habe selber einige und benutze sie gerne. Aber es ist eben auch nur ein Ergänzungsding und ein Zugang zur vereinfachten GUI. Die Erfindung der Tablets (meiner Erinnerung nach Apple mit dem ersten iPad, so wie das iPhone eigentlich nur Ableger ihres MP3-Player, wie hieß das Ding? iPod? Kamen als Idee aber schon früher in alten Science Fiction vor) war eine großartige Idee, ich würde die Dinger keinesfalls missen wollen. Die Dinger sind genial. Aber sie sind eben auch nur eine Ergänzung, kein Ersatz.
„Diese Jugendlichen können im Grunde genommen nur klicken und wischen“ https://t.co/AjcHR0dC4d pic.twitter.com/UNNBkyXCjK
— WELT (@welt) November 12, 2024
Es ist kurios: Kinder der Generation der Digital Natives wachsen seit frühester Kindheit mit digitalen Endgeräten auf. Sie swipen und tippen in einer Geschwindigkeit auf ihren Smartphones herum, dass ihren Eltern Hören und Sehen vergeht. Und doch nimmt das grundlegende Verständnis für die technischen Hintergründe der elektronischen Alltagshelfer immer weiter ab.
Das zeigt die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) 2023, die am Dienstag von der Kultusministerkonferenz vorgestellt wurde. Unter der Leitung von Erziehungswissenschaftlerin Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn werden darin alle fünf Jahre die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlern in Deutschland im internationalen Vergleich getestet. Das durchaus zwiespältige Ergebnis: Die deutschen Schüler bewegen sich in ihren Kompetenzen zwar nach wie vor im guten Mittelfeld der 35 getesteten Staaten und leicht über dem EU-Schnitt. Die Leistungsentwicklung der vergangenen zehn Jahre ist aber negativ – trotz des Digitalisierungsschubs infolge der Corona-Pandemie.
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Alarmierend sei vor allem, dass 40 Prozent der Schüler tatsächlich nur über sehr basale digitale Kompetenzen verfügten, sagte Eickelmann. Vor allem Schüler mit nicht-deutscher Familiensprache, mit Zuwanderungshintergrund und aus sozial benachteiligten Lagen würden bei der digitalen Transformation zurückgelassen. „Diese Jugendlichen, von denen wir denken, dass sie Digital Natives sind, können im Grunde genommen nur klicken und wischen.“
Nahezu alle Jugendlichen sind online unterwegs – doch kompetent mit digitaler Technik umgehen können viele nicht. Laut einer Studie verfügen rund 40 Prozent der Achtklässler nur über rudimentäre Fähigkeiten – ein steigender Wert.
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Demnach drohen deutsche Schülerinnen und Schüler den Anschluss zu verlieren: Die durchschnittlichen computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Achtklässlern in Deutschland sind im Vergleich zu den Vorgängeruntersuchungen von 2013 und 2018 deutlich rückläufig. Rund 40 Prozent der Achtklässler verfügen demnach nur über sehr “rudimentäre (…) Fähigkeiten im kompetenten Umgang” mit Computern. Dies ist nach Ansicht der Autoren ein besorgniserregend hoher Anteil.
“Diese 40 Prozent der Jugendlichen, von denen wir denken, dass sie Digital Natives sind, können im Grunde genommen nur klicken und wischen”, sagte die Studienleiterin Birgit Eickelmann während einer Pressekonferenz in der Kultusministerkonferenz in Berlin. Der Begriff Digital Natives bezeichnet Menschen, die mit digitalen Medien und Geräten aufgewachsen sind und von klein auf damit zu tun hatten.
Auch ein langes Thema von mir. Das hat mich vor 25 Jahren schon aufgeregt. So ungefähr um 2000 herum blubberten die dumme deutsche Presse und das linke Arroganzmenschentum, dass die Generation wie die meine ja nur ein „Digital Immigrant“ wäre und wir uns zeitlebens mit Computern schwer täten wie mit einer spät erlernten Fremdsprache. Ich hatte zum Beispiel kein Smartphone und kein Internet in der Schule. Wir hatten Wählscheibentelefone zuhause. Mein erstes Mobiltelefon – kein Smartphone, ein reines Mobiltelefon, das nur telefonieren und SMS und sonst gar nichts konnte, hatte ich … nein, ich hatte gar kein eigenes erstes, ich hatte mit dem Zweiten angefangen, da war ich schon über 30, aus der Uni raus. Mein erstes Mobiltelefon war ein Forschungstelefon an der Uni, das ich durchgesetzt habe, um mit der PCMCIA-Datenkarte (Nokia 2110, dazu gab es damals eine PCMCIA-Karte zur Datenübertragung) mein Kryptotelefon mobil zu machen (offiziell hatte ich irgendeinen anderen Grund angegeben). Das gab ein Riesengeschrei, weil sich die Rechnung bis ins Rektorat rumsprach und man sich ganz fürchterlich darüber aufregte, dass ein wissenschaftlicher Mitarbeiter das erste Mobiltelefon der Universität Karlsruhe haben konnte, noch vor Rektor und Kanzler – das gehe ja gar nicht, denn es sei ja selbstverständlich, dass dem Rektor das erste und dem Kanzler das zweite Mobiltelefon der Uni zustehe. Deshalb haben die sich dann sofort Mobiltelefone bestellt, ohne zu wissen, wozu eigentlich, aber es ging nicht an, dass ich als Mitarbeiter eines hatte und sie nicht.
Worauf dann wieder „mein“ Professor durchdrehte, weil der nicht verknusen konnte, dass der Rektor und der Kanzler nun eins hätten und er nicht. Ich bekam den Auftrag, für ihn den ersten Nokia 9000 Communicator (er hatte keine Ahnung, was man damit macht, aber irgendwo eine Anzeige gesehen, dass man sowas jetzt braucht um wichtig zu sein) in Deutschland zu beschaffen, und dazu Nokia mitzuteilen, was für ein wichtiger Mensch er sei, dass Nokia gar nicht anders könnte, als ihm den ersten zu geben. Ich musste leider mitteilen, dass das nicht mehr möglich sei, egal was ich Nokia erzählte, weil der schon im Verkauf und der erste schon weg ist. Ich habe ihm dann einen beschafft und einige Zeit darauf verwendet, das Ding einzurichten und an das Mailsystem zu hängen.
Tage später kam er höllenstinksauer rein, ich hätte ihn bis auf die Knochen blamiert, weil er sich darauf verlassen hatte, dass das Ding funktioniert, damit in London habe groß angeben wollen und es nicht funktioniert habe. Ich solle sofort machen, dass das geht. Ausprobiert – geht einwandfrei. In die Logs geguckt: Er wusste einfach nicht und hatte nicht begriffen, was eine Mailadresse ist. Im Eingabefeld stand „Address“ und er hatte das für „Anrede“ gehalten und „Sehr geehrter Herr …“ reingeschrieben. War nicht möglich, ihm zu erklären, was eine Mailadresse ist und wozu sie gut ist. Danach kehrte er zu Stift, Papier und Hotelrezeptionsfax zurück. Informatikprofessor halt.
Damals konnte die Hälfte der Informatikprofessoren weder E-Mail noch Webseiten lesen, sondern brauchten alles auf Papier, ausgedruckt von der Sekretärin. Und die andere Hälfte konnte E-Mail auch nicht auf einem normalen System, sondern nur auf dem damals ganz neuen Macintosh mit der Maus lesen, mehr ging nicht.
Das, also die Generation über mir, war die, die enorme Probleme mit der Digitalisierung hatte und von Informatik – auf Deutsch gesagt – außer in einigen Bereichen der Theorie einfach gar keine Ahnung hatte. Und das waren die, die diese Bild bei den Journalisten geprägt hatte, die glaubten, dass alle, die vor etwa 1990 oder 2000 geboren waren, nur „Digital Immigrants“ seien und niemals würden mit Computern umgehen können, während die, die dann erst geboren würden, da wunderbar reinwachsen und virtuos damit würden umgehen können.
Ich habe das damals schon für Quatsch gehalten.
Mir war klar, dass meine Generation und vielleicht noch die danach die ist, die sich am besten mit Computern auskennt. Weil wir die Dinger noch komplett durchverstanden haben. Und weil wir den ganzen Kram erfunden und aufgebaut haben. Wir haben damals die ersten Firmen an das Internet angeschlossen, und die erzählen uns Quatsch, wir seien nur Digital Natives.
Wer deutliche Vorteile hatte war die Generation nach meiner. Die waren zwar nicht besser im Verstehen von Computern – aber besser im Verstehen von Geschäftsmodellen. Wir haben verstanden, wie Computer funktionieren. Die hatten verstanden, wie man sie nutzt und damit Geld macht.
Aber dann, als die „Digital Natives“ kamen, ging es bergab, weil dann die Geräte schon zu „fertig“ waren. Die kann man nicht mehr verstehen, die kann man nur noch benutzen.
Und schlimmer: Man muss sie auch nicht mehr verstehen. Mit unseren Computern damals konnte man gar nichts machen, solange man sie nicht verstanden hatte. Heute einfach wischen.
Und damit sind wir nicht auf dem von Journalisten prophezeiten Zeiten der Computervirtuosität, sondern im Zeitalter eines dekadenten Konsumententums.
Die Prognose war komplett falsch.
Ich fand das in den letzten 10 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit (und einem früheren Kollegen und langjährigen Kumpel geht das genau so) immer sehr ergreifend, wenn man merkt, dass einen die Jungen für den „Alten“ oder den alten Knacker halten, die veraltete Generation kurz vor Rollstuhl, Windel und Pflegestufe 2, und sie dann aber um Hilfe und Erklärung fragen müssen oder nur noch mit den Ohren schlackern, wenn man Schulungen und Vorträge hält, oder mal zeigt, was man in Systemadministration so drauf hat und alles weiß, oder sie bei Fehlersuche locker abhängt und viel schneller Fehler findet – oder Fehler findet, die sie nie gefunden hätten, weil sie sie sich nicht hätten vorstellen können und mitunter nicht einmal verstehen, wenn man sie ihnen samt Lösung erklärt.
Viele verstehen unter Programmieren auch nur noch das Zusammenflicken von Bibliotheken und fertigen Prozeduren.
Ich fürchte sogar, dass die Digitalisierung wieder rückläufig wird.
Ich merke ja jetzt schon, wieviele OpenSource-Projekte nicht mehr gepflegt und weiterentwickelt werden, weil keiner mehr da ist, der sie versteht. Es gibt da inzwischen Leute, die gar nicht mehr wissen, was Softwarepflege ist und auch nicht da sind, um Fragen und Fehlerberichte zu verstehen und beantworten oder verfolgen, sondern sich darum kümmern, dass die politisch korrekt in Gendersprache mit Pronomen formuliert sind, und lassen die dann einfach stehen.
Was meint Ihr, was da los ist, wenn die Boomer in Rente gehen, und die – deutlich weniger – fähigen Leute der nächsten Generation nicht mehr nachkommen oder die Schnauze voll haben und gehen. Und dann der migrantische Ansatz dominiert.
Was dann hier los ist.