Von der neuen deutschen Zirkularität
Wusstet Ihr schon, dass wir hier in Deutschland enorme Zirkularität praktizieren und ein jeder das Zirkuläre in sein tägliches Leben aufnehmen soll?
Manchmal staune ich.
Ich hatte doch geschrieben, dass ich mir die Webseite zur World Expo in Japan angesehen hatte – oder es zumindest versucht habe, denn mir erschienen da einige Aspekte als völlig überkompliziert und verknotet. Nicht wenige Leser schrieben mir aus eigener Erfahrung oder Rückfrage bei Bekannten und Verwandten in Japan, dass das normal sei, Japan sei notorisch dafür, Dinge und auch Software völlig zu verqueren und bis ins Unverständliche zu komplizieren, während sie gleichzeitig trotz ihres Rufes als Technologienation mitunter noch schrecklich rückständig und analog seien, unfassbar vieles dort noch auf Papierakten betrieben werde, auch von der Diskette könnten sie sich nur mühsam verabschieden. Japan sei zwar schön, aber irgendwie schrecklich kompliziert und umständlich, aus Prinzip.
Was einen durchaus auf die Frage bringen könnte, ob das etwas mit Hirnstrukturen zu tun hat, ob die einen besonderen Sinn für statische Ästhetik und Harmonie haben, ihnen dafür aber ein gewisser prozeduraler Ordnungssinn zu knapp geraten ist. Denn ich habe den Eindruck, dass sie sehr gut in statischer Ordnung und im Optischen sind, ihnen aber der Sinn für Prozeduren und das Nachvollziehbare fehlt.
Wie auch immer, ein Leser belehrte mich darüber, dass die Information, dass es dort keine Länderpavillons gebe, falsch sei. Zwar hatte ich auf den Webseiten und in der Doku weitgehende Belege für die Information gefunden, die ich irgendwo aufgeschnappt hatte, dass die Expo nach Themen und Projekten geordnet sei – aber das waren die in Dubai im Prinzip auch. In Dubai hatte ja das Gelände drei Schleifen und eine Zentralrunde, die verschiedenen Themen gewidmet waren (was im Ergebnis völlig bedeutungslos war, das schien rein willkürlich zu sein und die Pavillons sich darum überhaupt nicht zu kümmern), änderte aber auch nichts daran, dass es trotzdem fast nur eine Sammlung von Länderpavillons war.
Jedenfalls, so der Leser, gebe es dort nun zumindest auch Länderpavillons.
Nun muss ich sagen, dass Deutschland in Dubai mit seinem – großen und zweifellos sehr teuren – Pavillon durchaus den Vogel abgeschossen hat, er galt – natürlich nach den gastgebereigenen Pavillons von Dubai – als der – so, wie ich das dort gehört und irgendwo gelesen hatte – beliebteste und meistfrequentierte (oder zumindest einer der beliebtesten und meistfrequentiertesten) Pavillons, und ich kann bestätigen, dass es da die längsten Schlangen gab, die Leute die meiste Zeit darin verbracht haben, und da einfach das größte Besuchervolumen herrschte. Wenn man die Einheit Besuchsminuten einführen würde, also die Zahl der Besucher mit der im Pavillon verbrachten Zeit multipliziert, wären sie sicher auf dem ersten Platz gewesen, denn während es in manchen anderen Pavillons nur ein paar Bilder oder Ausstellungsstücke gab, und man da nach drei Minuten durch war, war der deutsche ein Erklärpavillon mit ganz viel zum Anschauen, Lesen, Angucken, in dem man leicht eine halbe Stunde oder mehr verbringen konnte.
Der deutsche Pavillon war auch ausstellungstechnisch sehr ansprechend gemacht, schöne Exponate, gut präsentiert.
Gestört hat mich nur, dass der thematisch sehr einseitig so auf Umwelt und Energie ausgerichtet war, so ein grüner Wahlkampfpavillon eben. Ändert aber nichts daran, dass das damals gut ankam und damals viele Leute angesprochen hat. Das war, als die Leute von dem Thema noch nicht genervt waren.
Also dachte ich mir, jetzt gucke ich mal, was Deutschland da in Japan präsentiert, ob das wieder so grün ist.
Die Webseite hinterlässt mich ratlos:
In the German Pavilion, circularity is more than a concept – it influences every aspect, from architecture and exhibition design to the materials used. The Circulars, the pavilion’s mascots, invite you to explore how circularity is practiced in Germany and how each of us can incorporate it into daily life.
Hä?
Mit viel gutem Willen könnte man daraus etwas in der Art von Recycling und Wertstoffkreislauf dichten. Aber aus meiner Lebenserfahrung heraus ist das, was an Deutschland so zirkulär ist, dass unsere „Wissenschaften“ seit der Feminisierung notorisch zu zirkulären Definitionen neigen. Und politisch geht es ja auch gerade rund.
Der deutsche Pavillon hat sogar wieder eine eigene Webseite. Da sieht man das Foto in höherer Auflösung, schlauer wird man aber auch nicht:
Curious about the Pavilion title, the sustainability of the Pavilion, what kind of exhibition you can expect, and when our cultural programme will take place? Check out our website for more information.
Was sich für mich liest wie: Sie wissen es selbst noch nicht und suchen dringend noch ein Thema.
Es ist vermutlich so wie in Dubai, dass die Länder ihre Pavillons nicht selbst bauen, sondern man da eine Messestadt gebaut hat, die (wie in Dubai) anschließend auch für andere Messen und Veranstaltung weiterverwendet wird und die Pavillons zwar einfach (der deutsche war zwar schön, aber hatte nicht einmal eigene Toiletten – das waren zwar schöne und dauerhafte, aber im Prinzip nur einfache Bauten), aber für universelle Verwendung gebaut waren, und hinterher weiterverwendet werden. Verblüffenderweise scheint das aber genau auf den damaligen deutschen Pavillon nicht zuzutreffen. Denn die – zumeist gemauerten – Gebäude innerhalb der drei Schleifen scheinen laut Google Satellitenbildern alle noch zu stehen, während von denen außerhalb der Schleifen nur noch etwa ein Drittel oder die Hälfte steht, und viele Flächen frei sind oder zu Parkplätzen gemacht wurden. Und wenn ich das richtig sehe, steht an der Stelle, an der der deutsche Pavillon stand, jetzt eine Moschee, die einen anderen Grundriss hat. War also wohl nur ein Stahlgerippe-Bau, den man wieder ab- und auseinanderschrauben kann. Würde mich sehr interessieren, ob Deutschland das Ding dahin gestellt hatte, oder ob das von Dubai hingestellt und Deutschland nur zum Gebrauch angeboten wurde, und nun irgendwo zerlegt in Einzelteilen herumliegt, um wieder verwendet zu werden. Ich hatte aber auch bei vielen der Pavillons den Eindruck, dass die Form mit den Ländern nicht viel zu tun hat, sondern sich da irgendwelche Architekten ausgetobt haben, lauter unterschiedliche Dinger zu bauen, und die Ländern dann die Wahl hatten, welchen sie nehmen, oder gelost wurde, und die dann versuchten, das Beste draus zu machen. Bei irgendeinem der Pavillons (weiß nicht mehr, England?) hatte ich mich ja noch gewundert, dass man mit viel Brimborium an einer Außentreppe im Zickzack hochläuft, und dann drinnen einfach gar nichts ist außer der Treppe zum wieder runterlaufen. Oder dieser riesige silberne Blechwürfel in der Höhe von 3 oder vier Stockwerken ohne Fenster, den man durch einen unterirdischen Gang betritt und Wunder was erwartet, und dann war der völlig hohl und leer und nur ein paar armselige flohmarktartige Verkaufstische auf Bodenebene.
Man könnte nun auf den Gedanken kommen, dass Deutschland in Osaka nun einfach irgendwie dieses Ensemble aus runden Gebäuden bekommen hat, und jemand, der noch nicht wusste, was man ausstellen wird, den Auftrag bekommen hat, „Mach mal eine Webseite und schreib’ irgendwas drauf! Lass Dir mal einen Slogan einfallen!“
Und wenn man nichts weiß außer der Information, dass die Gebäude rund sind, was soll man dann auch schreiben? Deutschland, ein Land mit Ecken und Kanten?
Also sind wir jetzt das Land der Zirkularitäten.
Immerhin verrät die Expo-Seite:
Approx. 40min
Features
- Has areas with intense lights
- Has areas with intense sounds
- Can be enjoyed without a smartphone
- Can be enjoyed through sight and touch
- Enjoyable even in the rain
Das wird aber noch lustig.
Denn wenn die noch nicht so genau wissen, was sie machen, und gerade die Regierung platzt oder wechselt, wird das eine Frage, was die dann noch machen und zeigen. Zumal man ja inzwischen sagen muss, dass grüne Themen nicht mehr so gut ankommen wie vor fünf (bzw. vier) Jahren.