Ansichten eines Informatikers

Verbotsantrag als Scheiternsprojekt zur Gesichtsrettung?

Hadmut
16.11.2024 22:10

Mir geht seit einiger Zeit noch ein anderer Gedanke durch den Kopf.

Ich fand meinen eigenen Gedanken etwas zu spekulativ, er wird aber durch einige Formulierungen der letzten Tage befeuert, also habe ich ihn wieder rausgeholt.

Jetzt reden sie doch alle wieder über einen Verbotsantrag gegen die AfD.

Kurioserweise aber auch viele, die das eigentlich für nicht vertretbar halten oder die Chancen als schlecht bis aussichtslos einstufen. Zumal man da ja rund 20 Prozent der Wähler direkt verprellt, und nicht wenige Wähler anderer Parteien zwar gegen die AfD sind, aber ein Verbotsverfahren auch nicht für richtig halten.

Mir geht deshalb ein Gedanke durch den Kopf:

Viele werden ja gemerkt haben, dass es sehr schwer geworden ist, Mehrheiten zu finden und Koalitionen zu bilden, weil die Lage zu fragmentiert ist. Dabei wäre die Lage nach Stimmen eigentlich gar nicht so kompliziert, denn – was man noch vor einiger Zeit nicht geglaubt hätte – wenn Linke und FDP es nicht mehr über die 5%-Hürde schaffen, hätten CDU/CSU und AfD zusammen eine konservative Mehrheit und könnten SPD und Grüne in die Wüste schicken.

Nur: Geht nicht, nicht ohne Gesichtsverlust und Ärger mit den Medien, weil man sich ja unverrückbar auf „Brandmauer“ festgelegt hat. Aus der Nummer kommt man ja nicht mehr raus.

Nun sind aber sogar in den deutschen Parteien nicht alle dumm, da gibt es ja in den Strategiereihen doch welche, die 10 Meter geradeaus denken können. Und denen wird es nicht um ein AfD-Verbot gehen, sondern darum, wie man wieder zu Mehrheiten und an die Regierung kommt (besonders in CDU/CSU), mit wem und zu welchem Preis. Und die werden darauf kommen, dass die AfD sachlich gesehen gegenüber SPD und Grünen das geringere Übel wäre.

Also wird man sich folgendes denken: Wir brauchen ein Verbotsverfahren, egal wie aussichtslos und was dabei herauskommt.

  • Wenn das Bundesverfassungsgericht die AfD wider Erwarten verbietet, so unwahrscheinlich es sein mag, würden deren Wähler am ehesten noch CDU/CSU wählen.
  • Wenn das Bundesverfassungsgericht – wie zu erwarten – die AfD aber nicht verbietet, hätte man eine Situation, in der man aus der Brandmauer-Nummer wieder rauskommt, weil man dann sagen kann, wird sind so erleichtert, und die sind doch nicht so schlimm, und wir wollen ja demokratisch sein und den Volkeswillen respektieren und so weiter und so fort, wir machen jetzt doch eine Koalition mit der AfD.

Da werden sich einige in CDU/CSU denken: Verfassungsrechtlich und demokratisch ist es eigentlich Unfug. Unvertretbar. Aber scheißegal, denn egal, wie es ausgeht, es nutzt uns in beiden Fällen. Also machen wir es.

SPD und Grüne scheinen dagegen nicht zu denken. Denn die müssten dasselbe denken, aber egal, wie es ausgeht, es schadet ihnen auf jeden Fall. Die spekulieren ja darauf, dass mit dem Verbot der AfD einfach 20% der Stimmen wegfallen und damit rot-grün eine Mehrheit bekommen, weil die Bezugsgröße nicht mehr die 100% der abgegebenen Stimmen sind, sondern vielicht 70 oder 65%, nachdem die Stimmen für AfD, FDP, Linke, „Sonstige“ alle in der Unbeachtlichkeit versinken, also ungefähr 30% der Stimmen nichts mehr bewirken. Sie bedenken aber nicht, dass vielen dann nichts anderes übrig bleiben wird, als CDU/CSU zu wählen.

Anders gesagt: SPD und Grüne profitieren derzeit noch davon, dass das konservative Lager durch die „Brandmauer“ fragmentiert ist – deshalb hat man die ja gebaut. Man merkt aber nicht, dass man mit dem Verbotsverfahren diese „Brandmauer“ auf die eine oder andere Weise entfernt, weil entweder die AfD-Wähler dann CDU/CSU wählen, oder die AfD exculpiert wird und die Brandmauer selbst als verfassungswidrig erscheint.