Die Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung
Eine kleine rote Kommunistenbibel.
Beim Aufräumen und Ausmisten meiner Bücher, was langsamer voran geht, als ich mir das vorgestellt hatte, und was auch beim Nachzählen weniger Bücher pro Regalbodenmeter ergibt, als ich mir das vorgestellt hatte, was allerdings auch schon über einen Regalbodenmeter Buch ins Altpapier befördert hat, kam ich gerade an den ersten Reisebüchern vorbei.
Also Reiseführer, die beschreiben, was man in diesem Land oder jener Stadt tun und sehen soll. Bücher, die zwar auch nicht sofort, aber mit der Zeit dann doch ziemlich veralten. Eigentlich fand ich das immer ganz schön, all die Bücher über fremde, exotische Orte, an denen man war, oder zu denen man noch wollte, im Regal zu haben, auch weil die – im Gegensatz zu Informatiker- oder Rechtsliteratur – enorm viel Eindruck auf Frauen machen und sie magisch anziehen, übrigens ebenso wie die Bücher über Aktfotografie. Das Problem ist: Es kommen nur sehr, sehr wenige Frauen in meiner Abstellkammer vorbei. Was nicht heißt, dass es nicht vorkommt, ich hatte durchaus schon Frauen zu Besuch, auch in meiner Abstellkammer. Aber nur wenige.
Das führt zu einem etwas nüchtererem Blick auf meine Literaturschätze und zu der Frage, ab wann es sich nicht mehr lohnt, die teuer und mühsam gesammelten Werke weiter aufzuheben. Denn den alten Wohnzimmerzweck – noch bis 2012 hatte ich meine Bücher im Wohnzimmer stehen, seither eben nicht mehr, sondern Büro und Abstellkammer, und inzwischen nur noch Abstellkammer – des Angebens und schön Aussehens als Bücherreihe im Regal mit exotisch anmutenden Buchrücken erfüllen sie nicht mehr. So schön sie auch sind. Und nach 10 Jahren sind Reiseführer eher schädlich als nützlich, weil die Informationen darin wie Öffnungszeiten, Öffentliche Verkehrsmittel, Sehenswürdigkeiten, Restaurants und was auch immer zu oft nicht mehr stimmen. Ich ringe mit mir, was tun.
Und so stieß ich gerade zwischen Büchern über die Geschichte der USA, die ich in den USA gekauft habe, und einem Reiseführer für Peking auf meine kleine rote Mao-Bibel. „Worte des Voristzenden Mao Tse-Tung“. Das bekannte Ding mit dem schäbig-billigen Plastikumschlag. Hatte ich mir irgendwo in Peking in der deutschen Übersetzung beim Straßenhändler gekauft. Ich weiß es nicht mehr, ich habe irgendeinen symbolischen lächerlichen Betrag dafür bezahlt, 20 Cent oder etwas in der Art. Es aber bis heute nicht gelesen, denn so winzig das kleine Büchlein auch ist – es hat 370 Seiten. Mao war nicht wortkarg.
Zwar käme ich jetzt gar nicht auf den Gedanken, das Buch wegzuwerfen, weil es zeitlos und kurios ist, und kaum Platz weg nimmt, weil ich ja das Volumen und nicht die reine Zahl der Bücher reduzieren will (und muss), aber ich prüfe generell, ob ich Bücher auch als PDF bekomme. Beispielsweise habe ich die fetten Dateiformatdokumentationen von Adobe im praktischen Telefonbuch-von-New-York-Format, die damals sauteuer waren, inzwischen als kostenlosen PDF-Download bei Adobe gefunden, eins sogar in neuerer Auflage, was die Hemmschwelle, sich von altem Papier zu trennen, deutlich senkt und natürlich praktisch ist, wenn man zwei Wohnungen hat oder auf Reisen ist.
Von einem neuen IT-Buch, für das ich mich gerade interessiere, und das fast 100 Euro kostet, habe ich irritiert festgestellt, dass es in zwei Versionen angeboten wird: Nur als PDF zum Download. Und als gedrucktes Buch mit Gutscheincode zum Download des PDF. Also nur PDF oder Buch+PDF. Beides kostet aber gleich viel. Man neigt also dazu, zu sagen, na ich bin doch nicht blöd, da nehm’ ich doch Buch+PDF. Aber dann steigt auch das Volumen wieder.
Also habe ich geschaut, ob es die Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung nicht auch als PDF zum Download gibt.
Schwierig.
Schwierig zu finden, denn die Suchmaschinen entgleisen daran, weil es unzählige Bücher über dieses Buch gibt, die alle „Worte des Vorsitzenden Mao Tse-Tung“ im Titel tragen und als PDF zum Download zu haben sind, man also von Google unzählige Antworten bekommt, unter denen man alles herunterladen kann, nur nicht das, was man will. Über Wikipedia kommt man auf eine Seite, auf der man das Ding als gescannten Text in Form einer einzigen langen HTML-Seite herunterladen kann. 370 Buchseiten als ein HTML-Text.
Und seltsamerweise kann man dieses Buch hier zwar kaufen, aber kaum unter etwa 10 Euro.
Eigentlich hätte ich vermutet, dass einem das Ding überall kostenlos hinterhergeworfen wird, aber das Gegenteil ist der Fall. Entweder will man das absichtlich nicht entwerten und verramschen. Oder China will gar nicht mehr so unmittelbar mit Mao Tse-Tung in Verbindung gebracht werden, was mich jetzt etwas überrascht, weil es doch immer heißt, Xi Jinping stehe dem Gedankengut Maos recht nahe.
Bei Amazon gibt es das Ding für den Kindle für 7,49 Euro.
Vielleicht was für Langstreckenflüge.
Wenn sie einem das Ding in China für 20 Cent verkaufen, warum gibt es das dann nicht als PDF oder epub zum Download?