Ansichten eines Informatikers

Abmahnorgie Produktsicherheitsverordnung (GPSR)

Hadmut
4.12.2024 22:51

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.

Ein Leser fragt an:

Hallo Herr Danisch,

ein Thema, das Sie vielleicht auch interessiert: heute bin ich auf einem Onlineshop auf die Meldung gestoßen “wir schließen den Shop zum 13.12. wegen Produktsicherheitsverordnung (GPSR)”.
Ich hatte davon bisher noch gar nichts gehört und mal ein wenig gegoogelt. Das ist tatsächlich wieder ein ultra-übergriffiges EU-Bürokratiemonster! Jeder noch so kleine Händler muß jetzt Berge von sinnlosem Sicherheitsmüll und die Konkurrenz erfreuenden Betriebsgeheimnissen an exponierter Stelle bei jedem Artikel auf seinem Onlineshop angeben.

Da müssen dann in Zukunft, wie jetzt schon bei vielen Betriebsanleitungen und amerikanischen Produkten, Dinge stehen wie “diese Dübel sind nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet”, “Dildo kann zum Ersticken führen”.

Und die Betriebsgeheimnisse sind dann z.B. der Hersteller oder Importeur mit Adresse und email JEDES Produkts. Da kann sich ein Händler ja gleich wegschießen, wenn jeder Endkunde und die Konkurrenz dann wissen, wo sie beim (chinesischen) Hersteller direkt kaufen können.

Hersteller und Importeur muß wohl auch auf oder am Produkt stehen. Also noch mehr sinnlose Kleber wie das eh meist gefakte “CE”. Und sogar für Gebrauchtzeug oder nach Reparaturen gilt das alles.

Das Ganze wird zu einer Abmahnorgie unbekannten Ausmaßes führen, weil jedes Produkt in jedem Onlineshop und jedes ab 13.12. neu in der EU verkaufte Produkkt geändert werden müssen.

Da hat man es den Firmen, vor allem Kleinen, die das nicht mehr stemmen können, mal wieder so richtig mitgeben.
Das ist wieder erkennbar gegen die “bösen” Kapitalisten gerichtet. Oder im Gegenteil, die Großen, die die EU-Gesetzmacher schön be-lobbyiert haben, schaffen sich so die kleine Konkurrenz vom Hals?

Ihre Meinung dazu wäre interessant. Sie dürfen auch gerne diese mail veröffentlichen oder benutzen.

Schöne Grüße aus […]

Was ich davon halte?

Weiß ich (noch) nicht. Müsste ich erst einmal genau nachlesen.

Erinnert mich aber an das Lieferkettengesetz. Auch ein Bürokratiemonster, das nicht umsetzbar ist und alles vernichtet, weil irgendwelche Gutmenschen – die nach marxistischer Ideologie alles können ohne etwas davon gelernt zu haben, Quality is a myth – ein moralisch reines Wirtschaftssystem wollen.

Schauen wir mal:

Die GPSR gilt ab dem 13. Dezember 2024 und es wird wichtig sein, dass Händler und Hersteller rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

Ach, so. Da hat wohl irgendwer als notwendige Maßnahme ergriffen, seinen Laden dicht zu machen.

Oder das:

Ein Produkt, das unter die Produktsicherheitsverordnung fällt, darf gem. Art. 16 der Verordnung nur dann auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden – also online oder stationär am EU-Markt angeboten werden -, wenn eine verantwortliche Person existiert, die in der EU niedergelassen ist und, die in Bezug auf das Produkt bestimmte Aufgaben nach der Marktüberwachungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten) wahrnimmt.

Das liest sich für mich, als wollte man damit den ganzen China-Kram aussperren – ein getarnter Handelskrieg gegen China?

Anscheinend ist das hier die Richtlinie.

Das Ziel der vorliegenden Verordnung besteht darin, die Funktionsweise des Binnenmarkts zu verbessern und zugleich ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.

Binnenmarkt. Geht es darum, auf eine politisch und diplomatisch möglichst nicht angreifbare Methode den Binnenmarkt gegen Billiglohnländer zu schützen?

Artikel 5

Allgemeines Sicherheitsgebot

Die Wirtschaftsakteure dürfen nur sichere Produkte in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen.

Da bekomme ich Sodbrennen.

Wie oft, seit wieviel Jahren (seit meiner Unizeit in den 90ern, als ich noch Vorträge, Vorlesungen und eine Dissertation geschrieben habe) predige ich, dass es „Sicherheit“ als absoluten Begriff, als absolute Eigenschaft nicht gibt und nicht geben kann, weil man niemals alle Sicherheitsziele erfassen kann und sich manche gegenseitig ausschließen? Man kann qualitativ nur „sicher gegen …“ in Zusammenhang mit einer genau benannten Bedrohung als Eigenschaft haben. Und Sicherheit ist meist auch kein absoluter Wert im Sinne von „kann nicht passieren“, sondern oft ein betriebswirtschaftlicher Optimierungsprozess: Verursacht den geringsten zu erwartenden Schaden aller Handlungsmöglichkeiten. Entscheidungstheorie. Man kann ein Flugzeug nicht „sicher“ gegen Abstürze und ein Auto nicht „sicher“ gegen Unfälle machen, man kann sie nur so bauen, dass unter Berücksichtigung des Aufwands für die Absicherung und der möglichen Schäden mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit insgesamt die geringsten Kosten entstehen. Manchmal ist es am billigsten, gar nichts zu tun und den möglichen Schaden in Kauf zu nehmen. Irgendwo stand mal, dass man in der Luftfahrtindustrie Sicherheitsmaßnahmen gegen ein Risiko oder eine mögliche Schadensursache erst ergreift, wenn x Euro Schadensersatz gezahlt wurden oder es mindestens 2 Tote gab. Vorher lohnt es sich nicht, etwas an der Luftfahrtindustrie zu ändern.

Blättern wir also nochmal zurück in Artikel 3, Begriffsbestimmungen, und fragen: Wat is en Dampfmaschin’? Was ist ein „sicheres Produkt“?

[…] „sicheres Produkt“ jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung, was auch die tatsächliche Gebrauchsdauer einschließt, keine oder nur geringe mit seiner Verwendung zu vereinbarende, als annehmbar erachtete und mit einem hohen Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher vereinbare Risiken birgt;

Blafasel, Blubber. Was soll das sein? Wer soll das messen?

„Risiko“ das Verhältnis zwischen der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr, die einen Schaden verursacht, und der Schwere des Schadens;

Eigentlich falsch, denn das Produkt aus beidem.

„ernstes Risiko“ ein Risiko, das auf der Grundlage einer Risikobewertung und unter Berücksichtigung der normalen und vorhersehbaren Verwendung des Produkts ein rasches Eingreifen der Marktüberwachungsbehörden erforderlich macht, auch wenn das Risiko keine unmittelbare Auswirkung hat;

Blödsinn, weil zirkulär definiert.

Artikel 9

Pflichten der Hersteller

(1) Wenn Hersteller ihre Produkte in Verkehr bringen, gewährleisten sie, dass diese Produkte im Einklang mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot gemäß Artikel 5 entworfen und hergestellt wurden.

[…]

Bullshit.

Wenn man eine Waschmaschine verkauft, kann man gewährleisten, dass sie zukünftig 2 Jahre lang funktioniert, indem man die Reparaturkosten oder Austauschkosten dafür übernimmt. Man kann nicht erzwingen, dass sie funktioniert.

Man kann aber nicht gewährleisten, dass etwas passiert ist. Entweder sie sind im Einklang mit dem Sicherheitsgebot entworfen und hergestellt, oder sie sind es nicht. Es stimmt oder es stimmt nicht. Man kann keine Gewährleistung dafür übernehmen, dass etwas so ist. Man gewährleistet in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit.

Man könnte also gewährleisten, dass der Käufer für gewisse Zeit nicht von Risiken geschädigt wird, beispielsweise indem man eine Versicherung für seine Produkte abschließt. Früher hat man Waschmaschinen mit Wasserstop-Ventil gebaut, die den Wasserzulauf sperren, wenn Wasser ausläuft. Dann kam das mal in Mode, das Ventil einzusparen, einfach nur einen gewöhnlichen, hochqualitativen Schlauch anzuschließen und zu sagen, dass man eine Versicherung hat, die alle Wasserschäden übernimmt. Auch das ist eine „Gewährleistung“ – aber nicht dafür, dass die Waschmaschine gut entworfen wurde, sondern dafür, dass man aus ihrem Gebrauch keinen Schaden erleidet.

Einschätzung

Ich müsste es erst einmal ganz lesen.

Aber so auf einen ersten Vorab-Blick macht das auf mich den Eindruck, als hätten da irgendwelche Euro-Honks versucht, den Europäischen Binnenmarkt gegen Konkurrenz von Außen zu schützen und das Gegenteil erreicht. Denn die Chinesen werden sich totlachen, weil das ein weiterer Wettbewerbs- und Standortnachteil ist. Und den ganzen Kram müssen wir ja bezahlen.

Und deshalb möchte ich auch wieder an den oben beschriebenen Sicherheitsbegriff erinnern: Nämlich dass Sicherheit nicht im Sinne eines Laien bedeutet, dass irgendetwas Schlimmes nicht passieren kann, sondern das betriebswirtschaftlich günstigste Ergebnis erzielt wird, wenn man sowohl Sicherheitsmaßnahmen, als auch Risiken berücksichtigt. (Bevor sich jemand beschwert: Wenn man ein Risiko auf einfache Weise komplett ausschließen kann, ist das ja die günstigste Variante.)

Und deshalb hebt diese Verordnung die Sicherheit nicht, sondern senkt sie: Weil der ganze Mist nämlich weit mehr kostet, als er an Sicherheit bringt. Und wenn das Gesamtergebnis schlechter wird, ist die Sicherheit gesunken und nicht gestiegen.