Ansichten eines Informatikers

Die doppelten Maßstäbe der Tagesschau

Hadmut
5.12.2024 12:57

Einem Leser ist etwas aufgefallen, was ich übersehen hatte.

Hier nochmal der Screenshot:

Ein Leser dazu:

Guten Tag Herr Danisch,

gestern Abend stellten sie einen Beitrag online: https://www.danisch.de/blog/2024/12/04/duemmer-als-die-polizei-erlaubt/

In dem Beitrag geht es darum, dass die Tagesschau hinterfragt, ob Wachstum für die Wirtschaft wirklich nötig sei.

Mich persönlich stört weniger die zig Mal von links aufgestellte Behauptung (auch wenn ich weiß, dass sie völlig falsch ist), als vielmehr die Doppelzüngigkeit, die ein weiteres Beispiel für doppelte Maßstäbe ist: vor zwei Wochen ging der ÖRR vor das Verfassungsgericht, um sich eine Beitragserhöhung einzuklagen. (haben sie das sinngemäß nicht schon vor ein paar Jahren auch gemacht?). Für sie persönlich ist Wachstum nämlich eine selbstverständliche Notwendigkeit. Sie erfinden wachsende Aufgaben und verlangen entsprechend wachsende Einnahmen. Dann müssen auch die Gebühren steigen. Das Nicht-Wachsen gilt nur für andere!

Mit freundlichen Grüßen

Guter Punkt. War mir in dem Moment nicht aufgefallen, da hat der Leser völlig recht. Sollte man dem ÖRR mal entgegenhalten, wenn sie Beitragserhöhung fordern.

Zumal ich ja damals in meiner Stellungnahme für den Landtag Sachsen ausgeführt hatte, dass die Kosten für den Rundfunk in (zumindest manchen) anderen Ländern sinken, weil der Kamera-und-Bildbearbeitungskram immer billiger wird, und mein keine großen Studios und Kameras im Wert eines Einfamilienhauses mehr braucht, bei uns aber jede Einsparung an Geld und Arbeitsaufwand sofort durch mehr Programm kompensiert wird.

In meiner Jugend empfingen wir drei Programme – das Erste, das Zweite und das Dritte – in seltenen Fällen, wenn man in der Nähe einer Ländergrenze wohnte, auch noch ein weiteres Drittes, und brauchte für jedes Programm eine eigene, genau auf den Sender ausgerichtete Antenne auf dem Dach. Und die Sender wurden um 17:00 Uhr für die 17:00-Nachrichten eingeschaltet, und dann abends so zwischen Mitternacht und 01:00 Uhr wieder abgeschaltet. Dann sagten die noch „Vielen Dank“ und *zack* war das Fernsehen aus und es kam nur noch Rauschen, weil Fernseher ja noch analog waren und eben rauschen, wenn sie kein Programm empfangen.

Irgendwann wurde das dann eingeführt, dass ab morgens um 9 oder 10 bis 17:00 Uhr die Sender nicht mehr ausgeschaltet blieben, sondern das Testbild und einen Testton sendeten, damit Fernsehtechniker die Antennen ausrichten und die Fernseher justieren konnten.

Das heißt, dass die deutschlandweit 2×8 Stunden und dann nochmal pro Bundesland/Landessender 8 Stunden Programm sendeten.

Und man fand damals, dass das völlig reicht. Warum auch sollte man tagsüber fernsehen? Tagsüber waren Männer bei der Arbeit, Frauen beim Kaffeeklatsch und Kinder draußen beim Spielen. Fertig. Ende.

Irgendwann fing das dann an, dass die auch mal morgens von 10:00 bis 12:00 sendeten, und soweit ich mich erinnere, fing das mit Berichten von Sportveranstaltungen an. Wenn ich mich recht erinnere, waren die Olympischen Spiele 1972 schon so ein Ding, wo man außerplanmäßig sendete und die tagsüber gucken konnte, aber das war eben die Superausnahme, und auch diese Vormittagssendungen erfolgten nur ausnahmsweise und nach Ansage.

Irgendwann später fingen die dann an, jeden Morgen zu senden, und diese Vormittagsprogramme entstanden, die es heute noch gibt, das ist deren Ursprung. Und da fragte man sich schon, wozu das gut sein solle, aber es war ja für die gelangweilte Hausfrau, die nichts zu tun hatte. Deshalb sind das bis heute so feminine Themen im Vormittagsprogramm. Männer gingen arbeiten, Frauen guckten Fernsehen und Johanna von Koczian sang „Das bisschen Haushalt … sagt mein Mann“.

Und dann breitete sich das immer weiter aus, bis rund um die Uhr gesendet wurde. Ich weiß jetzt aber nicht mehr aus dem Stand, ob das vor oder nach dem Aufkommen der Privatsender war, die man als lästige Konkurrenz ansah.

Die Privatsender sendeten rund um die Uhr – um Werbeeinnahmen zu produzieren. Da zählte jede Minute. Anfangs sendeten die nachts Sex-Filme, aus dem schlichten, einfachen Grund, weil die das billigste verfügbare Material waren, um etwas zu senden zu haben. Alle fragten sich, warum die so sexbesessen waren, aber das hatte einfach nur betriebswirtschaftliche Gründe. Wenn kaum Leute zusahen, mussten die Werbeblöcke billig verkauft werden, und die Einnahmen reichten nicht zu mehr, als schlechte Sexfilme einzukaufen. Später sendete man dann die Verkaufssendungen, bis die eigene Sender aufmachten.

Deshalb kam auch Hugo Egon Balder mit „Tutti Frutti“, der Tittenshow. Nicht, weil man so gerne Titten zeigen wollte, sondern weil die Produktion irre billig war, weil man einfach in Italien im Studio von deren Show in den Pausen weiterdrehte. Deshalb gab es auch immer so viele „Länderpunkte“, deren Sinn keiner verstand: Das waren die Prämienschilder in Lire der Originalsendung, und man hatte weder Geld noch Zeit, die gegen DM-Schilder auszutauschen oder Prämien zu zahlen. Also nahm man die Lire-Schilder, und nannte sie „Länderpunkte“. Und deshalb konnten auch viele, die in der Sendung mitmachten, kein Deutsch: Das waren die Darsteller der italienischen Sendung, und denen sagte man, Du bekommst noch etwas mehr Geld, wenn Du einfach dableibst und den Käse weiter machst. So kam man billigst an Sendematerial, das trotzdem viele Zuschauer und damit das nötige Geld brachte, und nach dem Schema sendete man auch rund um die Uhr, weil man Einnahmen generieren musste.

Und wenn ich das jetzt recht in Erinnerung habe, da bin ich aber zeitlich-historisch nicht mehr ganz sicher, betrachtete der ÖRR die Privaten als ungeliebte Konkurrenz und fing dann auch an, rund um die Uhr zu senden.

Und deshalb ist das überaus ärgerlich, dass dann, wenn die mehr Gebühren fordern, nicht aufgeschlüsselt ist, was das im Einzelnen kostet.

Davon abgesehen muss ja heute keiner mehr nachts im Studio sitzen und die Filmrollen einlegen, um einen Film zu zeigen, das wird ja heute alles Programmiert. Im Prinzip reicht ja etwas von der Komplexität eines gewöhnlichen PC, um das Nachtprogramm auszustrahlen. Natürlich sitzen da jetzt wieder andere Leute rum, weil die ja jederzeit in der Lage sein sollen, Nachrichtensondersendungen oder Katastrophenalarme zu senden, aber viele Leute sind das nicht.

Und was man auch mal fragen könnte: Wieviel Energie verbrauchen eigentlich die Sender? Ließe sich Energie einsparen, indem man DVB-C/T/S nachts abschaltet? Ab wieviel Zuschauerzahlen wäre es günstiger, nur noch per Internet zu streamen? Oder ist Senden immer günstiger?

Es ist eine durchaus sehr interessante Frage, warum der ÖRR anderen ein Ende des Wachstums verordnet, selbst aber immer monströser wird und immer mehr Geld will.