Die Bewohner von Deutschland zu doof – zu doof für Demokratie?
Ich wollte erst „Die Deutschen“ schreiben – aber das stimmt wohl nicht. „Deutschende“ wohl auch nicht so.
Kam gerade im Radio, findet man aber auch online: Laut einer PISA-Studie für Erwachsene können die „Deutschen“ (wohl eher, wer halt so in Deutschland herumläuft) immer schlechter lesen und schreiben.
BR24:
Berlin: In Deutschland liegen Erwachsene beim Lesen, Rechnen und bei der Lösung von Alltagsproblemen im internationalen Vergleich nur im oberen Mittelfeld. Zu dem Ergebnis kommt die neue Bildungsvergleichsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. OECD-Bildungsdirektor Schleicher wies darauf hin, dass über alle Länder hinweg der Anteil derer, die sehr schwach lesen können gewachsen ist. In Deutschland kann demnach ein Fünftel der Erwachsenen einen einfachen Satz nicht richtig erfassen. Die OECD nennt als möglichen Grund den zunehmenden Kontakt mit der digitalen Welt: Das mache die Bürger mehr zu Konsumenten als zu reflektierenden Menschen. In den Bereichen alltagsmathematische Kompetenz und im Problemlösen schneidet Deutschland etwas besser ab. – Laut OECD gibt es kaum ein anderes Land, in dem die sozialen Herkunftsbedingungen so entscheidend für die Kompetenzen sind wie in Deutschland.
DER SPIEGEL dagegen versucht, die Sache etwas positiver darzustellen und erwähnt das mit dem einfachen Satz erst gar nicht (vielleicht zu schwierig für SPIEGEL-Leser). Sie meinen, Deutschland wäre nicht mehr wie früher Mittelmaß, sondern habe es zu „überdurchschnittlich“ gebracht – was aber nicht daran liege, dass in Deutschland irgendwas besser geworden wäre, sondern die anderen Länder deutlich schlechter geworden seien und wir uns deshalb nur relativ zu den anderen verbesserten (also so, wie das führende Investigativmagazin, die BILD, im Vergleich zu den anderen Zeitungen).
Die Demokratie
Was leider nicht erwähnt wird: Ob das Deutsche, „Deutsche“ oder Migranten sind – also ob diese Leute, die schon an einem einfachen Satz scheitern, wahlberechtigt sind. Denn was heißt das für „unsere“ Demokratie, wenn bis zu 20% der Wähler so doof sind, dass sie einen einfachen Satz nicht verstehen können?
Und was leider auch nicht dabei steht: Wieviele dieser Doofen, die an einfachen Sätzen scheitern, es an deutsche Universitäten, zum Abschluss, zum Doktor, zum Professor geschafft haben (ich habe ja mal beschrieben, dass erstaunlich viele deutsche Professoren funktionale Analphabeten sind), und wieviele davon über die Parteien Versorgungsposten bekommen oder Minister geworden sind.
Aus einer aktuellen Umfrage:
Die Sozialdemokraten von Kanzler Olaf Scholz legen bei Insa im Vergleich zur Vorwoche um einen Prozentpunkt zu und kämen auf 17 Prozent. Das ist der höchste SPD-Wert in der Befragung dieses Instituts seit mehr als einem Jahr. Die Grünen verlieren 1,5 Prozentpunkte und landen bei 11,5 Prozent. CDU/CSU bleiben unverändert bei 31,5 Prozent.
Die AfD käme auf 19,5 Prozent (plus ein Prozentpunkt) und das BSW auf 8 Prozent (plus 0,5). Die FDP mit unverändert 4,5 Prozent und die Linke mit drei Prozent (minus 0,5) bleiben unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde.
Die Doofen von Deutschland würden also locker ausreichen, um die Grünen- oder SPD-Wähler zu stellen. Es ist zwar auffällig, dass die AfD mit 19,5 „näher dran“ ist, aber es ist auch bekannt, dass bei der AfD nicht nur die Politiker, sondern auch die Wähler einen höheren Bildungsgrad haben als etwa in der SPD, und ihr Studium weit häufiger zum Abschluss bringen als bei den Grünen, und die in der Regel auch richtige Berufe haben.
Es ist eine interessante Frage, was aus einer Demokratie wird, wenn bis zu 20% der Wähler (wie gesagt, ich weiß ja nicht, wieviele der Doofen Wahlrecht haben) schon für einfache Sätze zu doof sind, und weder verstehen, was sie da tun, noch intellektuell in der Lage sind, informiert zu werden.
Der Arbeitsmarkt
Eine andere Frage ist, wie Leute, die so doof sind, dass sie einfache Sätze nicht verstehen, ihren Lebensunterhalt erwirtschaften sollen und können. Auch ein Dauerthema im Blog: Mindestlöhne sorgen dafür, dass jemand, der den Mindestlohn nicht durch Arbeit erwirtschaften kann, also für einen Arbeitgeber ein Minus-Geschäft darstellt, ganz sicher keinen Job mehr bekommen.
Heißt: 20% der Bevölkerung sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein lebenslanger Versorgungsfall, weil es ja immer weniger Jobs „für Doofe“ gibt. Es gibt ja kaum noch einen Job, in dem man nicht am Computer irgendwas machen, lesen, schreiben muss.
Analphabeten
Wenn ich so drüber nachdenke: Es steht nicht da, wieviele Analphabeten wir haben, ob dieses Fünftel, das einen Satz nicht verstehen kann, eine Ober- oder Untermenge von Analphabeten sind (was ja naheliegt, aber nicht zwingend ist), weil nicht dabei stand, ob man den Leuten den Satz, den sie kaum verstehen, zu lesen gab oder vorlas. Es gibt durchaus intelligente und verständige Leute, die nicht lesen können. Vor einiger Zeit kam doch im ÖRR so eine Schmierenshow, in der sie einige Leute begleiteten, die das mit dem Lesen lernen irgendwie verpasst hatten – darunter ein Schlagersänger. Das waren Leute, die keinen dummen Eindruck machten.
Korrelation und Kausalität
Sie schieben es auf den Digitalkonsum.
Könnte es umgekehrt sein, dass Digital boomt, weil es Doofe besser anspricht?
Ist ja auch oft Thema hier im Blog, dass Schriftsprache verschwindet und immer mehr mit Bildern und Videos kommuniziert wird. Fällt mir besonders auf Twitter auf: Reine Text-Tweets gehen unter. Jeder muss heute etwas mit Foto oder Zappel-Video haben. Andererseits sinkt die Aufmerksamkeitsspanne auf vielleicht 20 oder 30 Sekunden.
Bevorzugen wir solche Medien, weil wir zu doof werden, oder werden wir zu doof, weil wir nicht mehr lesen?
Oder ist es ganz anders, ist es einfach so, dass eine „digitale Welt“ – wider Erwarten – das Leben als Analphabet oder als Doofer erleichtert und deshalb den Leidensdruck, Lesen oder Denken zu lernen nimmt?
Ich hätte das eigentlich anders erwartet. Denn wenn ich an die 70er und 80er Jahre denke, kam Lesen im Alltag viel seltener vor als heute. Wenn wir als Kinder draußen gespielt haben, oder abends zuhause vor dem Fernseher saßen, gab es nichts zu lesen. Man musste schon aktiv Zeitung oder ein Buch lesen, um an längere Texte zu kommen. Heute dagegen lese ich den ganzen Tag über Webseiten und E-Mails, lese also über den Tag viel mehr als früher – obwohl ich kaum noch Bücher lesen. Aber: Es sind viel kürzere Texte, eben Webseiten oder Tweets.
Genetik und Algorithmik
Oder sind es doch andere Umwelteinflüsse? Umweltgifte? Ernährung?
Oder vielleicht degenerieren wir? Früher hatten wir eine evolutionäre Auslese, wurden die Doofen vom Säbelzahntiger gefressen oder stürzten von der Klippe. Heute haben wir eine Doofen-kompatible Gesellschaft, wird jeder vor allem Unbill bewahrt und kann auch jeden Job bekommen. Die Grünen meinten ja neulich, dass man nicht lesen können muss, um als Abgeordneter im Bundestag zu sitzen.
Mir kommt gerade der böse, aber algorithmisch begründete Verdacht, dass der genetische Vorgang der permanenten Mutation nur dann von Vorteil ist, wenn eine strikte Bestenauslese stattfindet, weil die Fortentwicklung durch zufällige Permutation für sich alleine nicht funktioniert. Wenn man einfach zufällig mutiert und rumprobiert, kommt beim Stand unserer Komplexität in den allermeisten Fällen eine Verschlechterung dabei heraus. Nur ganz selten kommt es zu einer Verbesserung. Und die kann sich erst dann durchsetzen, wenn sie Überlebens- und Fortpflanzungsvorteile bietet, wenn sie also in irgendeiner Hinsicht wirksam „besser“ ist, während Verschlechterungen aussterben würden. „Survival of the fittest“.
Wir haben aber eine Gesellschaft geschaffen, in der es keinen Nachteil mehr darstellt, doof zu sein – nicht in Bezug auf Gesundheit, nicht auf Fortpflanzung, nicht auf Karriere. Wir haben keine Bestenauslese mehr. Im Gegenteil: Je gebildeter, desto weniger Kinder, während sich die Doofen perfekt fortpflanzen. Wie im Film Idocracy:
Die Frage ist also, ob eine Gesellschaft mit ihrer Entwicklung nicht zwangsläufig degeneriert und verblödet,
- weil Intelligenz zu technischem Fortschritt,
- technischer Fortschritt zu besserer Versorgung,
- bessere Versorgung zum Wegfall der Bestenauslese,
- fehlende Bestenauslese zu Verblödung führt.
Was mich gerade verblüffend an den oft zitierten Zyklus „Hard times create strong men, strong men create good times, good times create weak men, and weak men create hard times.“ erinnert.
Zwei Größen A und B, die sich gegenseitig beeinflussen, aber A wirkt positiv auf B, während B negativ auf A wirkt, jeweils mit Verzögerung, womit also kein stabiler Zustand, sondern eine Oszillation erzeugt wird – nicht gleich, aber verblüffend ähnlich der analogen Oszillatorschaltung aus zwei Transistoren (die sich jeweils gegenseitig negativ beeinflussen, aber das durch Kondensatoren abwechselnd kompensieren und damit ein Zeit-Element bekommen).
Es würde erkären, warum wir den Peak Bildung und Intelligenz hinter uns haben (ca. 1950er bis 1980er Jahre) und gerade wieder auf dem absteigenden Ast der Verblödung sind. Nur mit dem Problem, dass wir inzwischen globalisiert sind und deshalb keine lokalen, unabhängigen Oszillationen mehr haben, sondern eine globale Weltverblödung?
Ist die Weltverblödung also nicht mehr aufzuhalten? Oder, genauer gesagt, nur durch ein Ereignis brachialer Bestenauslese wie eine große Naturkatastrophe?
Oder ist das Eintreten in die Verblödungsphase des Zyklus in Verbindung mit der Globalisierung so stabil, dass wir eine so lange und stabile Phase der Verblödung bekommen, dass sie alles Wissen vernichtet und wir dann nochmal bei Steinzeit neu anfangen?