Nice Price
Wie wir zum Kaufen animiert werden.
Ich hatte doch neulich beschrieben, dass ich zwei Flaschen Ketchup im Angebot gekauft habe, weil dabei stand, dass das Angebot nur für höchstens zwei Flaschen gilt, während ich ohne das trickreiche Limit nur eine gekauft hätte. Obwohl ich die Masche bemerkt habe, habe ich die zweite Flasche trotzdem gekauft, weil es Verbrauchsmaterial ist und ich den Ketchup sowieso irgendwann gebraucht hätte, der hinreichend lange haltbar ist.
Im ZDF läuft gerade eine Sendung „Nice Price – Die Tricks der Textilindustrie“. Die Textilindustrie ist ja auch ein Dauerthema hier im Blog, weil die den LEuten massenhaft Zeus andrehen, das die eigentlich nicht brauchen, und jedes Jahr neuen Kram – vor allem Frauen.
Ein Teil der Sendung drehte sich darum, wie man den Leuten per „Influencer“ – und, kannte ich noch nicht, bewusst auch über „Micro-Influencer“ mit wenigen Followern – Zeugs zum Kauf unterjubeln. Und die machen verblüffend wenig dafür: Die mache da keine Mode-Show oder langes Video. Die sagen einfach, dass es im Laden X tolle Taschen gibt – fertig. Ein paar Sekunden nur. Und schon kommen die Leute, um sich da Taschen zu kaufen. Titel dieser Sendungen: „Lauft nicht, rennt!“
Warum kaufen die Leute wie bekloppt?
Es macht auf mich den Eindruck, dass es wieder die Rudelmechanismen sind. Die Leute suchen sich jemanden als Leithammel (Influencer), und machen dem alles nach, um rudelkonform zu sein.
Es wird oft als „Kaufsucht“ oder „Konsumsucht“ beschrieben, was es auch gibt, woran ich keinen Zweifel habe, aber ich glaube, das trifft es nicht. Ich glaube, es ist eine Konformitätssucht. Das Syndrom, das man auch im Film „Die Welle“ gesehen hat, das Nazis, Antifa, Linke und Grüne macht. Dieser Hirnzustand, den ich schon oft beschrieben habe, nämlich der, in dem das rationale Denken abgeschaltet und das Verhalten auf Rudelkonformität und dem Nachlaufen hinter dem Leithammel umgestellt wird.
In gewisser Weise wäre das also keine Mode oder Konsumsucht, sondern eine Art Uniformierungssucht: Die hat eine Tasche aus dem Laden X, und die ist gesellschaftlich hoch angesehen, also brauche ich auch eine Tasche von X, um kein Außenseiter zu sein.
Sie nennen das den „parasozialen Effekt“ – und den Begriff hatte ich ja oft im Blog: Im Zusammenhang mit Nachrichtensprechern. Denn die „kennen“ wir ja auch, die sitzen abends bei uns in der Wohnung, mit uns am Tisch beim Abendessen. Ist mir vor Jahren mal auf einer Journalistenkonferenz passiert: Ich stand am Stehtisch und unterhielt mich mit jemand, als mitten im Gespräch ein Bekannter vorbeilief und ich den so beiläufig grüßte und mich noch ärgerte, warum der nicht mehr zurückgrüßt – bis so eine Dreiviertel Sekunde später mein Hirn zu mir, der rationale Teil zum sozialen sprach: Fehler. Den kennst Du gar nicht persönlich, den hast Du im Fernsehen gesehen. Und der grüßt Dich nicht, weil er Dich nicht kennt. Warum sollte der Dich grüßen?
Da war jemand, mit dem ich eigentlich nichts zu tun habe, außer dass er irgendwo ein paar Mal im Fernsehen zu sehen gewesen war, im Hirn schon unter „Bekannte“ abgelegt. Und damit wirkt das dann: Wenn der so eine Tasche hat, will man auch so eine, weil das im Rudel gerade angesagt ist.
Ich sagte oben, dass es Rudel und nicht Mode ist. Aber ist Mode vielleicht gar nichts anderes als Rudelkonformität? Sind Modemacher letztlich nur Rudelingenieure?
Es scheint, als ob gefährlich vieles über diese Schiene abläuft.