Ansichten eines Informatikers

Wozu Glasfaser gut sein soll …

Hadmut
26.12.2024 1:28

Leser fragen, …

Ein Leser fragt an:

Glasfaser

Könntest Du mal, so weil Du halt Ahnung hast, einen Post schreiben, wuzo Glasfaser genau gut sein soll? So für 08/15- mich? Klar brauche ich DSL 50, zwei Fernseher in 4K Netflix, und es gibt da sicher Serversachen, aber O2 würde mir echt gerne mehr berechnen und mir fällt wirklich nicht ein, warum ich das zahlen sollte.

Wenn man schon einen bestehenden Internet-Zugang hat, und der ausreichend ist, ist Glasfaser – für den Endkunden – schlicht zu gar nichts gut, wenn man beim selben Provider ist. Man hat (bis auf manchmal günstigere Latenzzeiten) keinen Vorteil, aber höhere Kosten.

Der Vorteil ist dann gegeben, wenn man

  • noch keinen oder keinen ausreichenden Anschluss hat,
  • damit Zugang zu anderen Anbietern bekommt und den günstigeren wählen kann, beispielsweise in manchen Gegenden nun auf die Stadtwerke als Provider wechseln statt den lahmen einzigen DSL-Anbieter nehmen muss,
  • neu baut oder grundrenoviert.

Wir haben ja in Deutschland einigen Nachholbedarf an Internetversorgung. Deshalb braucht man eine Technik, mit der man endlich mal zu vertretbaren Kosten alles abdecken und mit ordentlicher Kapazität versorgen kann. Das war bisher nicht überall möglich.

Und ein Knackpunkt ist eben, dass der Bedarf ständig steigt, weil man eben nicht mehr über Antenne oder DVB-C/T/S Fernsehen guckt, sondern die Leute immer mehr streamen (natürlich 4K in höchster Qualität) oder Home Office mit Videokonferenz machen. Und das geben die alten Kabel- und DSL-Netze nicht mehr her. Das Fernsehkabel ist mit DOCSIS 3.? wohl so ziemlich ausgereizt, und die DSL-Leitungen auch wirklich ausgelutscht. Manche sind mit DSL zufrieden, andere schimpfen aber fürchterlich, weil die verfügbare Geschwindigkeit nicht nur vom Provider, sondern eben auch von der Kabelqualität und -länge abhängt. Man muss sich immer klarmachen, dass DSL eigentlich eine elende Krücke ist, weil die Technik ordinäre, lausige Telefonkabel benutzt, die nie dafür gemacht waren, und das Problem kleinzuhalten versucht, indem man nur die letzte Meile vom Verteiler zum Haus über das Telefonkabel laufen lässt. Eigentlich ist DSL nur so eine Übergangstechnik, mit der man die Kabel verwendete, die teils seit den 1950er Jahren lagen. Dazu hat man sich eine Menge Tricks einfallen lassen und wahnsinnig entwickelt, um die Leitung dynamisch auszumessen, die gewählten Frequenzen anzupassen, VDSL, Vectoring, gegen Übersprechen der Leitungen und sowas alles.

Anders gesagt: DSL ist eigentlich ein ziemlicher Scheiß, weil man eine Menge Technik braucht und Aufwand nur dafür treibt, uralte Telefonkabel zu verwenden, die dafür eigentlich gar nicht taugen.

Deshalb ist das technisch gesehen konsequent und richtig, den ganzen alten, im technischen Prinzip 100 Jahre alten Mist rauszuwerfen, und durch aktuelle Technik zu ersetzen, die auch dafür gemacht wurde und zusammenpasst.

Dazu kommt, dass Glasfasertechnik (meines Wissens) gegenüber DSL und vor allem Kabel einiges an Strom spart, und vor allem eben viel weniger (nämlich kein) Kupfer braucht, was teuer und in seiner Förderung auch umweltschädlich ist.

Deshalb gibt es zumindest an manchen Stellen und zur Versorgung entlegener Dörfer (so man nicht funken will wie über Starlink) derzeit keine Alternative. Ich war mal in der Branche und weiß aus eigenem Insiderwissen, dass man manche Gegenden nie mit Internet versorgt hat, weil man genau wusste, dass die Kosten hoch sind und die sich niemals amortisieren werden, weil es zu wenige Kunden dort gibt.

Glasfaser ist aber gegenüber Kupferkabel und anderen Weitverkehrstechniken (meines Wissens) drastisch billiger, insbesondere seit Kupfer immer teurer wird, und auch elektrisch neutral. Man hat inzwischen auch Techniken, um das einfach zu verlegen. Die Bahn legt Kabel entlang ihrer Schienen, und irgendwo auf Youtube gab es mal einen Film über ein Gerät in den USA, das wie ein Pflug auf Schienen von einer Lok gezogen wird und in einem einzigen Arbeitsgang und mit verblüffend hohem Tempo den den Bahngleisen eine Furche zieht, Glasfaserkabel reinlegt und die gleich wieder schließt. Etwas ähnliches gibt es, nur viel kleiner, auch für an den Traktor, womit einige Landwirte inzwischen begonnen haben, sich selbst oder ihr Dorf mit Internet zu versorgen, indem sie sich einfach das Gerät ausleihen und einmal mit ihrem Traktor an ihren Äckern vorbei fahren. Zack, fertig.

Und: Glasfaser ist elektromagnetisch neutral, nimmt keine Störungen auf und sendet nichts aus. (Für die, die sich für „Elektrosmog“ und so etwas interessieren.)

Glasfaser eröffnet eine Menge neue Möglichkeiten. Ich halte das für genau richtig.

Die Nachteile

Ich will nicht verschweigen, dass es auch Nachteile gibt, die aber nicht technisch bedingt sind.

Ich habe inzwischen zwei Glasfaseranschlüsse, einen auf Zypern, einen in Berlin, aber nur den auf Zypern auch in Gebrauch. Als ich die Wohnung übernommen habe, brauchte ich natürlich Internet, und habe mir im Einkaufszentrum erst einmal von einem Provider eine 4G-Box geholt (5G hatten sie auch, aber da war der Ausbau noch nicht bis zu mir vorgedrungen), und nicht einmal eine Stunde später gut Internet in der Wohnung. Gekauft, mitgenommen, zur Wohnung gefahren, an den Strom angeschlossen – geht. Ich habe mir überlegt, das einfach zu behalten.

Nachbarn haben eine Richtfunklösung auf dem Dach, ich muss sie gelegentlich mal fragen, wie gut das läuft.

Beides ist weitgehend Bagger-unabhängig, kann nicht durch Kabelverletzung unterbrochen werden.

Bis ich meinen Glasfaseranschluss hatte, hat es 2 Monate gedauert, weil es einige spezifische Klärungen und Irritationen gab, und ich sie davon überzeugt hatte, dass ihr Glasfasernetz hier verfügbar ist, weil die Häuser eigentlich schon verkabel sind, sie also nicht wegen mir den Boden aufreißen müssen, sondern das schon getan haben, und sie dann nur das letzte Stück Telefonkabel bis in meine Wohnung durch Glasfaser ersetzt haben, was 3 Minuten gedauert hat – sie haben das einfach drangeknotet, durchgezogen – fertig. Dose drauf, spleißen – Danke, das war’s.

War auch nicht teurer als andere Zugänge und ich bin zufrieden bis auf einen Punkt: Ich muss deren Router verwenden und das ist so eine lausige Huawei-Box, die zwar gut funktioniert, aber wesentliche Funktionen nicht hat: Kein DNS zu den LAN-Geräten, die können sich gegenseitig nicht finden. Wobei ich dann herausgefunden habe, dass Ubuntu und einige andere Distributionen beim Übergang zu systemd das DDNS/Bonjour-System, das dieses Problem eigentlich lösen würde, völlig vermurkst haben, das nicht mehr funktioniert, weil die Aufgaben zwischen systemd-resolved und Avahid nicht richtig verteilt sind und die sich ins Gehege kommen. Weshalb ich noch einen zweiten Router dahinter brauchte, was aber mit Glasfaser technisch gar nicht zu tun hat. Ich habe nur das Problem, dass ich gezwungen bin, den Huawei-Router zu verwenden und den nicht durch einen eigenen ersetzen kann, und deshalb zunächst keine DNS-Auflösung für eigene Geräte habe, erst hinter dem zweiten Router. Macht aber für die meisten Geräte nichts, Fernseher, Radios, Tablets usw. funktionieren daran einwandfrei. Liegt nicht an Glasfaser, sondern daran, dass praktisch die ganze Mobilfunk- und Endbenutzertechnik auf Zypern von Hauwei kommt und möglichst billig sein soll. Im Rahmen dessen funktioniert’s aber. Internet ruckelt zwar gelegentlich, aber das dürfte eher mit der Anbindung Zyperns an das Festland zu tun haben.

In Berlin haben sie mir neulich auch Glasfaser gelegt, aber an eine für mich völlig unbrauchbare Stelle in der Wohnung, wo ich damit nur mit großen Schwierigkeiten die Wohnung versorgen kann (was zu erklären jetzt hier zu weit führen würde – es hat damit zu tun, dass die Cat5-Verkabelungen im ganzen Haus vermurkst und nicht fertiggebaut sind, so vermurkst, dass man sie eigentlich gar nicht fertig bauen und in Betrieb nehmen kann, und ich im ganzen Wohnkomplex der Einzige bin, der das überhaupt fertig gebracht hat, und das auch nur mit Glück, weil ich ein Patchfeld und eine Switch aufgetrieben habe, die klein genug sind, in den viel zu kleinen und unterdimensionierten Schaltschrank zu passen. Da ist aber kein Port mehr frei und die Klappe zu. Und genau da dazu, aber im Garderobenbereich an der Eingeangstür, haben sie den Glasfaseranschluss reingelegt, weil die Architektenhonks in 50er-Jahre-Technik den Telefonanschluss in die Garderobe gelegt haben – wo ich aber partout keinen Router mehr unterbringe und den auch nicht mehr an den Switch anschließen kann, weil kein Port mehr frei ist und ein größerer Switch einfach nicht passt. Bisher habe ich davon profiert, dass in jedem Zimmer ein Fernsehanschluss liegt und ich den Kabelrouter einfach in einem anderen Zimmer an die Kat5-Verkabelung angeschlossen habe.

Insofern bin ich also schon unwillig, den Glasfaseranschluss in Berlin zu nutzen, weil der das wegen der Lage der Buchse für mich gleich noch komplizierter macht, weil der Router dann dahin muss, wo ich bisher meine Schuhe habe, und mir bisher auch niemand die Frage beantworten konnte, wie sie sich das durch die Abdeckklappe des Schaltschranks hindurch vorstellen. Das aber war der Hausverwaltung wiederum nicht begreiflich zu machen. Ich hatte das bisher so schön gelöst.

Dazu kommt aber, dass die Preise für Glasfaseranschlüsse – ich habe irgendwo ein Angebot gesehen – unverschämt hoch sind.

Klar, die wollen bei der Gelegenheit Kasse machen, die Kosten wieder reinholen und einem gleich schnellere Anschlüsse andrehen. Die ich aber gar nicht brauche.

Deshalb bin ich in derselben Situation wie der Leser und bleibe einfach beim Kabelanschluss, der für mich preislich günstiger ist und den Vorteil hat, dass er viel besser zu meiner Verkabelung passt und ich den Router da stehen habe, wo er mir in den Kram passt und die Wohnung mit WLAN abdecken kann.

Aber, ach.

Es liegt natürlich auf der Hand, dass die Provider vermeiden wollen, zwei Techniken nebeneinander zu betreiben. Kostet ja Geld.

Deshalb haben sie sich auch bemüht, analoges Telefon, ISDN, und analoges Fernsehen über Kabel loszuwerden. Das Prinzip ist, möglichst alles über eine Technik laufen zu lassen.

Deshalb werden die recht zügig versuchen, sowohl DSL, als auch Internet über Fernsehkabel rauszuwerfen, wo sie Glasfasern gelegt haben.

Und genau deshalb rate ich zur Zurückhaltung beim Wechsel.

Sofern man einen tauglichen Anschluss hat, mit dem man zufrieden ist, sollte man langsam mit dem Wechsel tun, denn dann bringt einem der Wechsel keinen Vorteil, nur ggf. höhere Kosten. Man sollte abwarten, bis die die alte Technik abbauen und einem die neue zum gleichen Preis oder als Wechsel innerhalb des Vertrages anbieten.

Fazit

Aus der Perspektive eines Landes und der Provider halte ich Glasfaser für zwingend und die einzig richtige neue Technik. Man sollte alle neuen Anschlüsse mit Glasfaser legen und die alten in sinnvoller Weise mit wirtschaftlich sinnvollem Tempo ersetzen.

Ich bin da ganz klar für die Glasfaser.

Das heißt aber nicht, dass das auch aus Sicht des Endkunden in jedem Falle sofort richtig ist. Das ist dann sinnvoll, wenn man einen neuen oder schnelleren Anschluss braucht und/oder der keinen Mehrpreis bedeutet.

Sofern man aber DSL oder Kabel hat, womit man zufrieden ist – sollte man abwarten und sich das alles sehr genau ansehen, denn derzeit ist das oft (wie bei mir in Berlin) nicht nur deutlich, teils drastisch teurer, sondern auch noch mit einem 2-Jahres-Knebelvertrag verbunden und wie in meinem Fall auch noch mit technischen Problemen.

Deshalb muss man da auch gar nicht zu den „early adoptern“ gehören, sondern kann warten, bis andere Leute die Probleme gehabt haben und die gelöst wurden.

Man sollte allerdings auch wissen und begreifen, dass die Glasfaser – auch zur Verkabelung innerhalb der Wohnung – eine Menge neuer Möglichkeiten und ein höheres Tempo bietet. Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich vor über 20 Jahren das erste Mal damit zu tun hatte, aber damals noch im teuren, kommerziellen Backbone-Umfeld, und gerade staune, wie billig plötzlich Geräte mit SFP-Buchsen, SFP-Plugs und Glasfaserkabel geworden sind, das also auch gerade in Verkabelung innerhalb der Gebäude in die Zimmer ersetzt.

Schöne neue Technik. Aber kein Grund, dafür viel Geld auszugeben.