Ansichten eines Informatikers

Rabulistik: Was ist „Gerechtigkeit“?

Hadmut
28.12.2024 15:17

Vom Geschwätz der Grünen im Allgemeinen und Robert Habecks im Besonderen.

Sie schwätzen unentwegt von „gerecht“ und „Gerechtigkeit“:

Aber was das sein soll, diese „Gerechtigkeit“, und warum das, was die für gerecht halten, auf mich gänzlich ungerecht wirkt, sagen sie nichts.

Er sagt, wenn wir Näheres wissen wollten, sollten wir in das Wahlprogramm schauen. Also schauen wir mal da rein.

Da fällt als Erstes auf: Es gibt noch keines. Es gibt nur einen Entwurf. Wenigstens den zum Download.

Darin finde ich (pdftotext, und Leerzeichen in Zeilenumbrüche gewandelt, dann mit grep -i gerecht und wc -l) 51 mal Wörter mit „gerecht“, die nicht mitgezählt, die vom Zeilenumbruch getrennt wurden.

Die wollen Euch mit aller Gewalt ihre Politik als „gerecht“ überbrezeln.

Klimagerechtigkeit.

Generationengerechtigkeit.

Bedarfsgerecht.

Geschlechtergerecht.

Standortgerecht.

Tiergerecht.

Sie gehen gegen Gerechtigkeitslücken und Ungerechtigkeit vor.

Und Falschtreffer wie „Verbandsklagerecht“. Da steckt auch „gerecht“ drin.

Für sozial gerechten Klimaschutz

Den Weg zur Klimaneutralität gestalten wir als Weg zu einer gerechteren Gesellschaft: Von einem erschwinglichen und flächendeckend gut ausgebauten öffentlichen Verkehr profitieren vor allem Menschen, die sich kein Auto leisten können. Elektromobilität sowie der Fuß- und Radverkehr tragen zu besserer Luftqualität für alle bei. Gut gedämmte Häuser und klimaneutrale Wärme schützen die Menschen vor steigenden Heizkosten.

[…]

Für ein gerechtes Steuersystem

Deutschland ist ein wohlhabendes Land. Vielen Menschen geht es gut. Aber es gibt auch diejenigen, die sich außer Miete und Lebensmitteln kaum etwas leisten können. Diese Menschen haben besonders unter der Inflation der vergangenen Jahre gelitten. Und der Wohlstand in unserer Gesellschaft ist ungleich verteilt. Das reichste Prozent der Deutschen besitzt mehr Vermögen als 90 Prozent der Gesellschaft zusammen.

Insbesondere bei der Konzentration von sehr hohen Vermögen gibt es auch im internationalen Vergleichgroße Handlungsnotwendigkeit in Deutschland. Zum Angehen dieser großen Gerechtigkeitslücken gehören folgende Möglichkeiten: eine globale Milliardärssteuer, eine fairere Erbschaftssteuer, eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher oder eine nationale Vermögenssteuer. Wir wollen die Ziele Gerechtigkeit, Gemeinwohlfinanzierung und den Erhalt von Betrieben, ihren Investitionsmöglichkeiten und ihren Arbeitsplätzen zusammenbringen.

Das ist alles andere als einfach, aber wir möchten endlich etwas erreichen. Deswegen fokussieren wir uns auf folgende Maßnahmen: das effektive Angehen der Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer für außerordentlich große Erbschaften, den aktiven Einsatz für die Einführung der globalen Milliardärssteuer sowie das Schließen weiterer offenkundiger Gerechtigkeitslücken im Steuersystem, vor allem bei der Immobilienbesteuerung wie Share Deals und beim Auseinanderklaffen der Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkünften.

[…]

Für eine starke Hochschul- und Wissenschaftslandschaft

Hochschulen sind Orte der Bildung, Wissenschaft und Forschung. Sie sind Triebfedern unserer Gesellschaft, indem sie Ideen und Lösungen für die großen und die ganz konkreten Probleme unserer Zeit entwickeln. Sie sind Orte der freien und kritischen Debatte und der produktiven Reibung, ohne die kein wissenschaftlicher Fortschritt möglich ist. Gute Ausstattung und Arbeitsbedingungen, Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt garantieren den gerechten Zugang.

Mal abgesehen davon, dass die Grünen nicht wissen, was das Wort „garantieren“ bedeutet, und sie auch nicht merken (oder es ihnen und ihren Wählern egal ist), dass sich das alles, vor allem der letzte Satz zu den Hochschulen, selbst widerspricht, weil deren Quoten- und Diversitätskrampf mit freier Rede und kritischer Debatte nicht möglich ist: Sie sagen nirgends, was „Gerechtigkeit“ eigentlich sein soll.

Der Begriff ist höchst subjektiv, volatil, willkürlich, opportunistisch, kontextabhängig, korrupt, inhaltsleer.

Sie sagen und schreiben aber nicht, was das sein soll, diese „Gerechtigkeit“.

Sie erklären es nicht und sagen auch nicht, warum etwas gut oder schlecht sein soll, sondern sie verwenden die Methoden der Rabulistik und der Geisteswissenschaftler, indem sie statt zu begründen kategorisieren, etwas unter inhaltlose, aber positiv und negativ konnotierte Begriffe subsumieren, so wie „gerecht“, „ungerecht“, „rassistisch“, „emanzipatorisch“, „sexistisch“, oder ganz ähnlich eben auch „haram“ und „halal“. Man muss nichts mehr begründen, und der Empfänger fragt nicht mehr danach, weil sachlich gar nichts mehr gesagt wird, sondern nur als Label eines der vielen antrainierten Synonyme für „gut“ und „schlecht“, für „konform“ und „konterrevolutionär“ angepappt wird.

Wie könnte man, wer wollte denn, wer würde es jemals wagen, gegen die „gerechte Sache“ zu sein?

Denn „gerecht“ ist unkritisierbar, und „ungerecht“ ist ungutbar.

Ich braucht gar nicht mehr zu denken, der große Bruder macht das für Euch.

Wie funktioniert das?

Eigentlich ganz einfach. Über die Rudelmechanismen.

Man trainiert erst ein Rudelverhalten an, das auf Konformität zum Rudel hinausläuft. Wir sind die Gerechten, die anderen sind die Ungerechten. So ähnlich wie die Vereinsfarben im Fußball. Oder Trooping the Colour.

Und wenn der große Bruder dann sagt, dass irgendein X „gerecht“ ist, dann schlägt die – nämlich viel schnellere – Rudelkonformität und Freund-Feind-Erkennung zu, bevor der rationale Teil des Gehirns zum Zuge kommen und Fragen stellen oder Belege verlangen kann. Klassischer Hirnhack, so funktionierten auch die Nazis. Man nennt es Rabulistik. Die Kunst, so zu reden, dass die schnelleren Hirnteile zuschlagen und die Entscheidung übernehmen, bevor man zum Denken kommt. In der IT-Sicherheit nennt man das auch „social engineering“ – Leute über ihre Sozialfunktionen überrumpeln.

Warum man Euch dumm hält

Man hält Euch dumm, damit das besser funktioniert.

Deshalb lernt Ihr in der Schule nicht mehr, etwa in Mathematik, Begriffe zu definieren. Ihr sollt nicht fragen „Was ist Gerechtigkeit, wie ist das definiert?“ oder „Können Sie beweisen, dass das gerecht ist?“, wie es jemand mit herkömmlicher mathematischer oder naturwissenschaftlicher Bildung tun würde.

Deshalb bekommt Ihr keine Definitionen mehr, sondern Beispiele. Man gibt Euch irgendwelche Beispiele, die sich gut oder schlecht anfühlen, und die dann mit „gerecht“ oder „ungerecht“ beklebt werden, damit die Begriffe nicht rational, sondern emotional gebunden werden und Ihr einfach speichert, dass „gerecht“ gut und „ungerecht“ schlecht ist, ohne je zu erfahren, was das ist.

In Wirklichkeit nämlich geht es – genau wie bei „Demokratie“ – nur darum, positiv (vor)konnotierte Begriffe für eigene Zwecke umzumünzen. Demokratie wurde ja in ihrer Bedeutung ins genau Gegenteil gewandelt, soll das Tarnwort für Sozialismus (wie in DDR) sein, aber davon zehren, das „Demokratie“ als gut konnotiert ist, obwohl man das Gegenteil davon macht.

Und genauso ist das mit „gerecht“. Der Begriff ist positiv konnotiert, und das nutzt man aus, obwohl man längst das Gegenteil davon macht, eine sozialistische Ergebnisgleichheit meint, also Ungerechtes den Leuten als „gerecht“ unterjubelt.

Und es stört mich enorm, dass man zu Beginn von Interviews, Talkshows, Debatten nicht erst einmal jeden Teilnehmer befragt, welchen der beiden entgegengesetzten Begriffe von „Demokratie“ er meint. Und genauso müsste man das mit „Gerechtigkeit“ machen.

Gewöhnt Euch mal an, die Leute danach zu fragen, was sie unter „Demokratie“ und „Gerechtigkeit“ verstehen, wenn sie mit diesen Begriffen werfen.