„Die Lunte brennt“ – wie man Berge von Computerschrott produziert
Gottogott.
Mehrere Leser weisen auf die aktuelle Neujahrspanik hin, nämlich verschiedene Artikel darüber, dass in diesem Jahr das Ende von Windows 10 droht, wie etwa bei Heise, FOCUS, Finanznachrichten, und im Radio kommt es auch gerade in allen stündlichen Nachrichten: Ein Security-Fiasko drohe.
“Es ist fünf vor zwölf, um ein Security-Fiasko für das Jahr 2025 zu vermeiden. Wir raten allen Anwendern dringend, nicht bis Oktober zu warten, sondern umgehend auf Windows 11 umzusteigen oder ein alternatives Betriebssystem zu wählen, falls ihr Gerät nicht auf das neueste Windows-Betriebssystem aktualisiert werden kann. Andernfalls setzen sich Nutzer erheblichen Sicherheitsrisiken aus und machen sich anfällig für gefährliche Cyberangriffe und Datenverluste”, erklärt IT-Sicherheitsexperte Thorsten Urbanski von ESET.
Ach, Du meine Güte.
Schockschwerenot!
Ne Nummer kleiner hatten sie’s nicht?
Großes Gezeter weil Microsoft sich weigere, von seinen absurd hohen Hardwareanforderungen abzuweichen.
Alle schreien sie gerade zum neuen Jahr, dass Microsoft sich herausnehme, uns wahlweise in den Security-Untergang zu stürzen oder tolle Computer ohne Not in ein Gebirge aus Computerschrott zu verwandeln.
Sorry, wenn ich das mal so sage, und es ist ja sonst nicht meine Art, Microsoft in Schutz zu nehmen, aber so wahnsinnig hoch scheinen mir die Hardwareanforderungen für Windows 11 nicht zu sein. Das ist eigentlich alles Unter-Standard.
Es empfiehlt sich durchaus, nicht auf zu alten Rechnern herumzunudeln und sich ab und zu mal einen neuen zu kaufen, es muss ja nicht das neueste Modell sein. Die Rechner ein, zwei Generationen hintendran bekommt man günstig hinterhergeworfen, denn
- neue Rechner haben neuere Prozessoren, und neuere Prozessoren haben kleinere Strukturen, brauchen also für gleiche Rechenaufgaben weniger Strom. Man kann sich zwar darüber streiten, ob das Stromsparen den Neukauf rechtfertigt, denn wenn man einen Rechner jeden Tag 8 Stunden verwendet bei 200 Tagen im Jahr, dann spart man bei 10W weniger Stromverbrauch gerade mal 10Watt * 8Stunden * 200Tage / 1000 = 16 kWh im Jahr, also nicht mal 10 Euro.
- neue Prozessoren haben Erweiterungen für Sonderaufgaben wie Videodekodierung, Virtualisierung, KI und ähnliches. Man kann flüssiger Videos schauen.
- man kann neueren Speicher, neuere SSDs usw. reinstecken. Gut, das behagt auch nicht jedem, warum teuren DDR5-Speicher, wenn DDR4 doch gerade billiger ist? Aber zum Beispiel sind NVMe-SSDs inzwischen billiger als M.2-Sata oder original-SATA.
- Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein Rechner, der viele Jahre zuverlässig funktioniert hat, das auch weiter tut. Kondensatoren trocknen aus, Lüfter altern, BIOS-Batterien sind irgendwann am Ende, aber nicht immer austauschbar, Platten und SSDs altern, und irgendwann ist der Rechner eben nicht mehr zuverlässig, sondern die Wahrscheinlichkeit, den Geist aufzugeben, steigt.
Wer unbedingt Windows verwenden will, sollte sich also wirklich mal Gedanken machen, ob es nicht ein neuerer Rechner sein sollte. Wenn das Geld knapp sitzt, kann man sich auch nach einem „refurbished“ umschauen, da bekommt man durchaus brauchbare Notebooks aus dem Servicebereich in kaum benutztem Zustand, ca. 3, 4, 5 Jahre alt, für ab etwa 120 Euro. Aber aufpassen: Windows 11 sollte drauf sein, sonst hat man wieder einen Rechner, der nicht kompatibel ist oder muss eine Lizenz kaufen, dann lohnt sich das nicht mehr unbedingt. Man kann aber auch mal die Sonderangebote im Elektronikmarkt und bei den Discountern abgrasen.
Celeron 3000er und 4000er würde ich gar nicht mehr kaufen, 5000er und 6000er nur, wenn sie wirklich billig sind und die Anforderungen nicht hoch sind. Seit einiger Zeit gibt es die Billig-Celerons der N100, N97-Serien, die für Alltagsaufgaben genug Wumms haben, und ansonsten muss man dann doch mal nach einem AMD Ryzen oder einem Intel Core i3/5/7 schauen – oder sich einen Mac leisten.
Linux statt Windows
Alte Rechner kann man übrigens ganz wunderbar noch unter Linux verwenden. Windows raus, Linux drauf und noch jahrelang weiter benutzen. Und das ganze Lizenz- und Spionagehuddel von Microsoft ist man dann auch los, muss sich nicht in deren Cloud zwangsverfrachten und nicht per KI zwangsdurchsuchen und zensieren lassen. Ich halte Microsoft und Windows aus diesen Gründen für unvertretbar.
Aber nur, weil Linux auch mit alten Rechnern gut (oft sogar besser als mit ganz neuen) klar kommt, heißt das nicht, dass das auch sinnvoll ist. Auch da sollte man sich überlegen, ob man sich nicht mal irgendwas Aktuelles holt – und dann nach der Migration den alten Rechner mal durchputzt, vielleicht noch eine neuere SSD oder Speicher rein, Linux drauf – schon hat man einen Reserverechner oder was für die Kinder.
Zum Teufel mit alter Software
Ich merke das ja immer daran, wenn mir Leser schreiben, dass irgendwas nicht geht, irgendein HTML-Tag bei ihnen nicht angezeigt wird oder sie AVIF-Bilder nicht sehen können oder irgend etwas in der Art, und ich dann rückfrage und sich herausstellt, dass sie 5 bis 10 Jahre alte Rechner mit ebenso alter Software verwenden und beispielsweise einen Firefox, den man nicht mehr löschen kann, weil er a) unter Denkmalschutz steht und b) so in die Platte eingebrannt ist, dass er nur noch zusammen mit der Platte aus dem Rechner zu entfernen ist.
Leute, nee. Geht gar nicht. Bitte gewöhnt Euch das mal ab, uralte Software auf Rechnern zu verwenden, die „Feindkontakt“ haben, also irgendwie mit dem Internet verbunden sind. Das geht nicht nur schief, das ist auch unverantwortlich anderen gegenüber, wenn die zur Virenschleuder werden. Und dann ist das Gepinse groß, wenn alles verschlüsselt ist und man Lösegeld zahlen soll.
Ich weiß zwar, dass bei vielen das Geld verdammt knapp ist, und manche das sogar als Lebensphilosophie haben und regelrecht stolz darauf sind, für Rechner seit Jahren kein Geld auszugeben und immer noch mit der ollen Kiste von vor 15 Jahren rumzumachen.
Nee, Leute, lasst das bleiben.
Man bekommt ab etwa 120 Euro gebrauchte, wieder hergerichtete und gereinigte Laptops mit Windows 10 (nicht empfehlswert) oder Windows 11 drauf, und nicht wenige Firmen schmeißen ihre Rechner nach 3 Jahren sowieso raus. Wenn man rumfragt, sich umhört, kann man auch welche geschenkt bekommen. Und 15-Zoll-Allerweltsrechner sind auch nicht so teuer.
Und wer sich einen neuen Rechner leisten kann, und den (nicht zu) alten, der noch gebrauchsfähig ist, nicht mehr braucht, kann da auch ein neues Linux draufpacken und dann den Rechner einfach jemandem schenken, der sich keinen neuen leisten kann, statt ihn wegzuwerfen.
Der Punkt ist nämlich: Wir haben mehr als genug Rechner im Alter bis zu 5 Jahren.
Die Regierung
Könnte aber auch mal den Arsch hochkriegen.
Andere Länder bauen so etwas wie den Raspberry, versorgen die Schulen mit günstigen Tablets oder Notebooks, die sie in großen Mengen günstig einkaufen. Bei uns dagegen läuft gar nichts (außer diesem komischen Geldwäsche-Bastelrechner).
Man könnte beispielsweise gesetzlich festlegen, dass Hersteller und Händler auf die Packung schreiben müssen, wie lange bzw. bis wann die Geräte mit Updates versorgt werden. Oder das Geräte nur dann zusammen mit einem Betriebssystem in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn ab dem Zeitpunkt des Verkaufs noch mindestens x Jahre Updates gesichert sind. Neulich nämlich wurden irgendwo Tablets verramscht, für die der Support schon beendet war.
Und dass die Zusagen dann auch eingehalten werden. Ich habe mir vor einigem Jahren ein Chromebook gekauft um mir mal anzuschauen, was es damit auf sich hat. Da hieß es noch, 10 Jahre Softwaresupport.
Nach 5 Jahren hieß es plötzlich „Überraschung!“ – ja, also, die 10 Jahre Support gibt es schon, aber nur für das Betriebssystem und den Browser. Das, was eigentlich der Vorteil von ChromeOS ist, nämlich die Android-Apps laden zu können, ist für diese Hardware-Version hiermit beendet. Man kann sich jetzt entscheiden, ob man auf dem Softwarestand bleibt und Apps hat, aber keine Sicherheitsupdates bekommt, oder ob man das Gerät noch weitere Jahre aktualisieren will, aber dann nie mehr Apps verwenden kann.
Ich habe jede Menge Handys (für verschiedene Zwecke) und Tablets, deren Hardware noch prima ist, aber für die es schon lange keine Updates mehr gibt, obwohl sie noch nicht alt sind. Und da sollte man mal eingreifen und das ändern.