Ansichten eines Informatikers

Rentnerin wegen Regierungskritik verurteilt

Hadmut
5.1.2025 19:56

Es wird immer absurder in Deutschland.

Wie mir Leser schreiben, wurde das TV-Duell zwischen Robert Habeck und Alice Weidel auf Habecks Veranlassung abgesagt. Habeck hat wohl Angst vor Weidel.

Weniger Angst hat man offenbar vor Rentnerinnen: Die Berliner Zeitung hat als „Open Source“ einen Artikel einer Clivia von Dewitz (nie gehört, es gibt laut Google aber eine Richterin dieses Namens) Ist das schon Volksverhetzung? Der Ärger über Robert Habeck kommt eine 74-Jährige teuer zu stehen

Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte eine Rentnerin wegen Volksverhetzung zu 150 Tagessätzen á 53 Euro, insgesamt 7950 Euro, weil sie auf Facebook die Migrationspolitik der Bundesregierung mit folgender Aussage kritisiert hatte: „Blablabla. Wir brauchen Fachkräfte und keine Asylanten, die sich hier nur ein schönes Leben machen wollen, ohne unsere Werte und Kultur zu respektieren. Schickt die, die hier sind, mal zum Arbeiten. Wir sind nicht auf Faulenzer und Schmarotzer angewiesen und schon gar nicht auf Messerkünstler und Vergewaltiger.“

Dies war eine Reaktion auf einen am 8. Oktober 2023 auf Facebook veröffentlichten Artikel, in dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) abgebildet war und mit der Aussage „Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen, um den Arbeitskräftebedarf zu decken“ zitiert wurde. Die Höhe der Tagessätze dürfte damit zu erklären sein, dass gegen die Verurteilte bereits 2022 ein Strafbefehl wegen übler Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens erlassen worden war, der inzwischen rechtskräftig ist.

Die Staatsanwaltschaft sah für diesen Facebook-Kommentar nun die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 StGB (Volksverhetzung) als gegeben an, da dadurch in einer Art und Weise, „die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass aufgestachelt“ worden sei. In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwaltschaft, die mit zwei Staatsanwälten vor Gericht erschienen war, dass die „massive Politikkritik“ strafschärfend berücksichtigt würde.

[…]

Der Richter, Tobias Kampmann, befand überraschenderweise, dass in dieser Aussage Teile der Bevölkerung so angegangen würden, dass darin ein Aufruf zum Hass zu sehen und die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 StGB gegeben seien. Denn wenn man das immer wieder lesen würde, würde man es irgendwann glauben, so seine Argumentation. Was ist davon zu halten?

Das heißt, dass Regierungskritik als solche schon strafverschärfend wirken soll, ohne dass es auch nur einer Strafvorschrift bedürfe, die Regierungskritik unter Strafe stellt.

Überaus lesenswert sind die Ausführungen zur Herkunft des § 130 StGB (ich hatte ja schon was zur Herkunft des § 188 StGB geschrieben, was in eine ähnliche Richtung geht):

Der historische Hintergrund

1960 wurde § 130 (Volksverhetzung) ins Strafgesetzbuch eingeführt. Dieser ersetzte den Klassenkampfparagrafen aus der Bismarckzeit. Die Bundesrepublik hatte sich in den 50er-Jahren sehr schwer damit getan, den Tatbestand der Volksverhetzung überhaupt ins Strafrecht aufzunehmen. Immer wieder wurde in den Bundestagsdebatten der 50er-Jahre darauf verwiesen, dass die „innere Bewältigung der unseligen Epoche des Nationalsozialismus“ woanders vor sich gehe als vor dem Strafgericht. Etwa in der Erziehung der Lehrer und Schüler. Der Grund für die Einführung des Volksverhetzungsparagrafen war insbesondere der Schutz jüdischer Menschen in Deutschland vor dem Hintergrund des Holocaust.

Die Überschrift des neuen § 130 StGB, „Volksverhetzung“, ist ein Wortungetüm, das eher in ein totalitäres Strafregime passt als in ein freiheitlich-demokratisch-rechtsstaatliches Strafrecht. Gegen die Einführung einer Sondernorm im Sinne eines „Judensterngesetzes“ wurden von Anfang an rechtsstaatliche Bedenken eingewandt. Die Begriffe „hetzen“ und „Volksverhetzung“ als Gesetzesbegriffe ließen sich nur „in das unbestimmte und daher parteilich willkürliche Strafunrecht einer totalitären Macht einfügen“. Jüdische Mitbürger könnten nicht durch Strafgesetze vor Intoleranz geschützt werden. Erst nach einer Welle antisemitischer und neonazistischer Ausschreitungen, insbesondere der „Schmierwelle“ um den Jahreswechsel 1959/1960, wurde die Gesetzesnovelle zu § 130 StGB im Jahr 1960 schließlich verabschiedet.

[…längere Ausführungen…]

Dazu findet man

1871 und Vorläufer

§ 130 StGB, ursprünglich als „Klassenkampfparagraph“[39] („Klassenverhetzung“) bezeichnet, lautete in der Urfassung des Reichsstrafgesetzbuches von 1871[39][40]:

Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.

Als Ursprung kann man ein Pressegesetz aus dem Frankreich der Restauration ansehen, das 1819 gegen das Aufreizen zum Klassenkampf erlassen wurde.[39] Vor dort wurde es zunächst 1849 nach Preußen als Verordnung übernommen, dann als § 100 in das Preußische Strafgesetzbuch von 1851 („Hass- und Verachtungsparagraph“).[39]

Man hat ihn also genau ins Gegenteil verdreht.

Ursprünglich war das ein Paragraph gegen Linke, die zum Klassenkampf aufstacheln.

Und daraus hat man einen Paragraph gegen Rechte gemacht, die Kritik an linken üben, das also zu einem Äußerungsrecht gemacht.

Es gibt sogar ein Buch darüber, und auch das preußische Strafgesetzbuch von 1851.

Das war also ursprünglich dagegen gerichtet, Zwietracht innerhalb des Staates zu verhindern. Und man daraus das Gegenteil gemacht, nämlich dass man die Übernahme durch Fremde nicht mehr kritisieren darf.