Deutschland und seine Faktenchecker
Gerade übt man den Krieg gegen Facebook und Mark Zuckerberg, weil Zuckerberg – in den USA, unklar, ob auch in Europa – die „Faktenchecker“ wie Correctiv rauswerfen will.
Super-Gau für Correctiv: Ergebnis der ZEIT-Gegenrecherche zum Potsdam-Bericht: Kernaussagen sind nichts als heiße Luft:
Nun ist der Correctiv-Bericht endgültig entzaubert. Die Inszenierung ist zusammengebrochen:
Die ZEIT hat sich in einer langen und tiefgehenden Gegenrecherche… https://t.co/5SOvrf9zTg
— Carsten Brennecke (@RABrennecke) January 8, 2025
Vor einem Jahr schrieb "Correctiv" über die Konferenz im "Landhaus Adlon". Dort sei eine Vertreibung aus Deutschland geplant worden. Die Teilnehmer bestreiten das. #red https://t.co/Tf3xvg3xk4
— DIE ZEIT (@DIEZEIT) January 8, 2025
Im Jan. 2025, ein Jahr später, fragt sich die @DIEZEIT, was eigentlich geschah. Ergebnis der Aufarbeitung:
Im ganzen Land sei „offenbar der lebhafte Eindruck entstanden“, dass es in Potsdam um „Massendeportationen“ gegangen sei. „Verschiedene Medien“ berichteten darüber. Puh… pic.twitter.com/TNkAdm9UXL
— unbegreiflich (@unbegreiflich82) January 8, 2025
Aus dem ZEIT-Artikel:
Im Wesentlichen stellt Sellner in dem Referat die Gedankengänge aus seinem Buch Regime Change von rechts vor. Das kleine Einmaleins seines rechtsextremen Denkens geht so: In Deutschland finde ein “Bevölkerungsaustausch” statt. Sobald sie wählen dürften, neigten Eingewanderte dazu, jene Parteien zu unterstützen, die Migration nicht begrenzten. Deshalb brauche es eine Migrationswende, eine Zeitbombe ticke. “Remigration ist machbar”, sagt Sellner in dem Video bei Rumble und nennt drei Beispiele aus anderen Staaten, etwa die Abschiebung von einer Million Mexikanern aus den USA in den 1950er-Jahren. Nun müsse zunächst das Meinungsklima gedreht und der Begriff “Remigration” durch ständige Wiederholung normalisiert werden.
Es ist tatsächlich ein Plan, den Sellner in seinem Vortrag skizziert, allerdings ein reichlich abstrakter Plan. Er macht keine konkreten Vorschläge zur Vertreibung von Menschen aus Deutschland – auch wenn es erkennbar sein Ziel ist, dass viele das Land verlassen.
Nach dem Vortrag in Potsdam kommt es zu einer kurzen Diskussion, die nachträglich nicht komplett zu rekonstruieren ist. Die Teilnehmer der Runde sagen, sie hätten weder einen Mitschnitt noch ein Protokoll angefertigt. Die Correctiv-Reporter wiederum machen keinerlei Angaben zu ihren Quellen, auch nicht dazu, ob sie über einen Mitschnitt verfügen.
Dennoch lässt sich sagen, dass offenbar in dieser Diskussion nach Sellners Vortrag die heiklen Aussagen fielen, die später die Massenproteste mit ausgelöst haben. Auf Nachfrage soll Sellner drei Zielgruppen der Remigration genannt haben: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und “nicht assimilierte Staatsbürger”, so zitiert ihn Correctiv. Letztere seien aus seiner Sicht das größte Problem. Die Immobilienunternehmerin Silke Schröder habe gefragt, wie das praktisch gehen solle. Sobald ein Mensch einen “entsprechenden” Pass habe, sei eine Remigration ja “ein Ding der Unmöglichkeit”.Hier ist die Runde nun also am Kern der späteren Aufregung – bei der Frage, ob und wie man deutsche und nichtdeutsche Bürger außer Landes schaffen könne.
Sellner kann sich an den Wortlaut der Diskussion nicht mehr erinnern, sagt er heute. Silke Schröder will sich nicht äußern und beendet ein Telefonat dazu brüsk. Dafür hat einer der Teilnehmer, der Jurist Ulrich Vosgerau, seine Erinnerung im Februar in einer eidesstattlichen Versicherung niedergeschrieben. Sellner sei erkennbar davon ausgegangen, dass man deutschen Staatsbürgern nicht den Pass entziehen könne, sie also nicht ausweisen könne oder solle. Sellner habe dafür plädiert, Straftaten von Islamisten oder Clan-Kriminellen in Deutschland entschieden zu verfolgen, sodass diese Menschen ihr Verhalten änderten oder ins Ausland gingen.[…]
Und der Masterplan, um den es in Potsdam gegangen sein soll? Der Masterplan sei schlicht “die Beeinflussung des Meinungsklimas” gewesen, sagt Hartwig, “also Themen, die uns wichtig sind, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken”. Remigration habe “in keiner Weise im Fokus der Veranstaltung” gestanden. “Nach Sellner haben sich alle weiteren Referate mit anderen Themen befasst.”
[…]
Die Frage ist allerdings, ob die Kernthese des Correctiv-Texts zutrifft: dass die Potsdamer Konferenzgäste die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant hätten.
Alle Teilnehmer des Treffens, mit denen die ZEIT gesprochen hat, bestreiten das. “Es ist nie über millionenfache Vertreibung gesprochen worden”, sagt Wilhelm Wilderink. “Es gab keine Planung, es gab auch keinen Austausch darüber”, sagt Gerrit Huy.
Und was sagt Correctiv? Ein Besuch in der Redaktion, Anfang November in Berlin. Neben Chefredakteur Justus von Daniels ist auch der Reporter Jean Peters zum Gespräch gekommen. Er hat damals vor Ort in Potsdam recherchiert, sich während des Treffens unter falschem Namen in einem Zimmer des Landhauses eingemietet. Von dort aus hat er beobachtet und fotografiert. Der Vermieter Wilhelm Wilderink sagt, Peters (der sich nicht als Reporter zu erkennen gab) sei vor Beginn der Veranstaltung in dem noch leeren Konferenzraum gewesen und hinausgebeten worden. Danach habe er zeitweise “penetrant vor der Tür gelauscht”.[…]
Um zu belegen, dass in Potsdam ein Plan geschmiedet worden sei, sagt er: Angekündigt wurde ein “Masterplan” von Martin Sellner. Es sei um Ideen gegangen zur Frage: Was ist, wenn wir an der Macht sind? Für die Umsetzung dieser Ideen sei Geld gesammelt worden. Und auch in der Einladung sei von einer “Gesamtstrategie” die Rede gewesen.
Natürlich ist “Planung” eine schwammige Formulierung. Dass einer einen Begriff ins Gespräch bringt, nämlich Remigration, und eine Debatte darüber anstößt, vielleicht könnte man das schon als Planung bezeichnen. Andererseits: Wenn es um Planung ging, warum hat an dem Tag laut Aussage mehrerer Teilnehmer keiner ein Protokoll geschrieben? Warum wurden, wiederum nach Teilnehmerangaben, keine Folgetreffen vereinbart, warum wurde nichts Verbindliches verabredet? Organisator Mörig hat zwar vorgeschlagen, ein Expertengremium zu bilden, “das nach ethischen, rechtlichen und logistischen Gesichtspunkten die konsequente Rückführung der in Deutschland illegal anwesenden Ausländer klären sollte”, wie sein Anwalt schreibt. Doch beinahe enttäuscht teilt Mörig heute mit: Selbst diese “spontan entstandene Idee” sei nicht weiterverfolgt worden.[…]
Vergangene Woche allerdings änderte er seine Strategie. Vosgerau und Mörig reichten nun doch zwei Klagen gegen Correctiv und die fünf Autoren des Artikels beim Landgericht Hamburg ein. Sie wollen vor allem die Aussage verbieten lassen, in Potsdam sei “ein Masterplan zur Ausweisung von deutschen Staatsbürgern” geschmiedet worden. Es ärgert sie, dass Correctiv diese Aussage bis heute aufrechterhält und viele andere Journalisten sie übernommen haben.
Zuvor hatte Vosgerau bereits erfolgreich gegen andere Medien geklagt, zum Beispiel gegen das heute-journal oder einen Online-Beitrag der Tagesschau. Die hatte berichtet, in Potsdam sei darüber diskutiert worden, massenhaft Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland auszuweisen, auch nichtassimilierte deutsche Staatsbürger. Diese Formulierung wurde ihr juristisch untersagt.
Für mehrere der Teilnehmer, aber auch für Correctiv, hatte die Berichterstattung in jeder Hinsicht Folgen. Das Medienhaus erlebte den größten Erfolg seiner elfjährigen Geschichte, der Text wurde vier Millionen Mal aufgerufen. Correctiv finanziert sich unter anderem aus Spenden (auch die der ZEIT nahestehende Stiftung “ZEIT-Stiftung Bucerius” gehört zu den Förderern) – und die Anzahl der regelmäßigen Unterstützer sei um die Hälfte gestiegen, sagt Chefredakteur Justus von Daniels. Aber auch die persönlichen Anfeindungen waren massiv, vor allem gegen Jean Peters. Er habe, der Empfehlung einer Sicherheitsfirma folgend, drei Monate lang nicht mehr in seine Wohnung gekonnt, sagt er.Peters wurde als linker Aktivist beschimpft, auch wegen seiner Vergangenheit als Aktionskünstler. Als Clown verkleidet hatte er 2016 der AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine Torte ins Gesicht geworfen. Auf seiner Homepage stand jahrelang: “Ich entwickele Aktionen und erfinde Geschichten, mit denen ich in das politische und ökonomische Leben interveniere.” Eine Selbstbeschreibung, die nun zum Boomerang wird. Es sei dumm gewesen, dass er diese Aussage nicht rechtzeitig aktualisiert habe, sagt Peters heute.
Es entsteht der Eindruck, dass die Story systematisch erlogen war.
Erlogen in dem bewährten Sinne, eine in den Grundlagen wahre und nachprüfbare (Treffen in Potsdam), für sich aber unverfängliche Story an entscheidenden Stellen durch Unwahrheiten zum Skandal hochgepeppt wird.
Das Konzept kennen wir: Die Ibiza-Affäre, das Ibiza-Video. Da hat man das ja auch so gemacht, um eine Regierung zu stürzen.
Es scheint, als seien ausgerechnet die Faktenchecker Lügen- und Fälschungsaktivisten. Und vielleicht steckt hinter dem Ansinnen, ausgerechnet die zu Faktencheckern zu machen, womöglich der Gedanke, dass ein erfahrener Berufslügner am besten geeignet sei, die Aussagen des Gegners zu erkennen und zu bekämpfen.
Das Thema hatte ich schon oft. Nach meinem Eindruck herrscht da in der linken Szene die Überzeugung, dass sie sich an eine Wahrheit nicht zu halten brauchen, weil
- es nach der Sprechakt- und Diskurstheorie sowieso keine Wahrheit oder Richtigkeit gibt, sondern nur die Frage, welcher „Diskurs“ mächtiger sei, welche Rede sich durchsetzt,
- sie der Überzeugung sind, dass es nach dem linken Endsieg Generalamnestie für alle ihre Kämpfer und die Abschaffung der Gesetze, gegen die sie verstoßen haben, geben wird, und es, wenn man erst gewonnen hat, auch keine Rolle mehr spielt, wie man gewonnen hat.
Man wird sich die Fragen stellen müssen, in welchem Verhältnis die Eigeninteressen von Correctiv und die Fremdinteressen eines Auftraggebers zueinander stehen.