Vom ebenso traurigen wie frappierenden Schicksal meiner alten Unterhose
Wie die Geschichte ausging.
Oder: Aktuelles vom Entsorgungshof.
Ich hatte neulich darüber berichtet, dass ich es versäumt hatte, eine alte, ausgeleierte Unterhose noch rechtzeitig 2024 in den Hausmüll zu werfen und nun, da seit 1.1.2025 nach EU-Recht Textilien, gleich welchen Zustands, nicht mehr in den Hausmüll gegeben werden dürfen, es aber in Berlin auch keine Altkleidercontainer mehr gibt, und man nun mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast zwei Stunden unterwegs wäre oder mit dem Auto 15 km zum Recycling-Hof und zurück fahren müsste, um eine alte Unterhose EU-konform loszuwerden.
Ich war eben beim Recycling-Hof, und bin meine alte Unterhose dort auch rechtskonform losgeworden.
Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Nein, ich nicht nur wegen der Unterhose dorthin gefahren.
Ich hatte auch noch einen Haufen Elektronikschrott verschiedener Art abzugeben, was in einem Informatikerhaushalt eben auch so anfällt.
Und: Ich hatte noch mehr Textilien, auch löchrige Socken und einige löchrige T-Shirts. Dazu muss ich zum Verständnis erklären, dass es nicht meine Art ist, öffentlich in löchrigen T-Shirts rumzulaufen, ich aber die Angewohnheit pflege, T-Shirts dann, wenn sie nicht mehr öffentlichkeitstauglich sind, noch jahrelang zuhause „aufzutragen“, weil ich ganz gern öfter mal die Klamotten wechsle, auch statt Schlafanzug, und die dementsprechend stark abgenutzt und sehr häufig gewaschen werden, bis die dann wirklich völlig zerwaschen, dünn, durch und löchrig sind. Davon hatte ich auch einige, die man ja auch nicht mehr in den Müll werfen darf.
Wie ich also meinen Elektronikkram gerade in den Container geworfen und mich darüber gefreut hatte, wie herrlich alte Drucker scheppern und in Einzelteile zerfallen können, wenn man sie nur in einem genügend hohen und weiten Bogen mit genug Schmackes wirft (was dringend geboten war, weil der Container schon bis zur Vorderkante voll war und sie anders nicht mehr so reinzukriegen waren, dass sie auch drinbleiben und nicht anderes rausfällt, als wie über den ganzen Haufen hinüberzuwerfen), packte ich nun also meinen halb vollen Müllsack mit alten Textilien, und ging schnurstracks, ohne Zögern, voller Entschlossenheit und frohen Mutes und in der moralisch aufbauenden Überzeugung, vielleicht nicht unbedingt Gutes, aber so doch EU-Rechtskonformes zu tun, geradewegs auf die Reihe mit den Textiliencontainern zu, die auch nicht schwer auszumachen waren, weil es groß dran stand.
Aber, ach.
Wo ich denn hinwollen, was ich da hätte, rief mir einer der leuchtorange gewandeten Wächter der konformen Entsorgung zu.
„Textilien!“ rief ich, und dachte, das wäre mindestens so gut wie „Sesam öffne Dich!“.
„Noch tragbar oder nicht mehr tragbar?“ die Frage des Orangefarbenen.
Ich, zutiefst irritiert. Hatte ich mich doch durch sorgfältiges Studium neuester EU-Verordnungen zuvor versichert, dass diese Frage für den Weg der Entsorgung völlig ohne Belang sei und keine Differenzierung rechtfertige, ohne Ausrede und Ausnahme jedes Textil, gleich welchen Zustandes, in die Textilentsorgung einzuliefern wäre. Was also sollte nun diese Frage? Auf welche Differenzierung wollte er hinaus? Nun gut, da gibt es eine ganze Reihe von Containern. Also nahm ich an, dass ich gleich Anweisungen zur Wahl des Containers bekäme.
„Nicht mehr tragbar!“ so mein Statement.
„Dann in den Sperrmüll!“, so das mich zutiefst erschütternde Verdikt des Orangenen.
Ich hatte ihn akustisch gut verstanden, auch grammatikalisch, jedes Wort, sogar den Sinngehalt dieser vier Worte – allein, mein Hirn war spontan nicht in der Lage, das mit der EU-Verordnung in Einklang zu bringen. Also tat ich, als hätte ich ihn nicht verstanden. Aber an seiner Reaktion war zu merken, dass er mich nicht nur durchschaut hatte, sondern dass da wohl jeder so reagiert, wie ich gerade reagiert hatte.
„Ja, in den Sperrmüll! Was nicht mehr tragbar ist, kommt in den Sperrmüll!“
Also ging ich zum Sperrmüll und feuerte den Müllsack mit der ausgeleierten Unterhose, den löchrigen Socken und den zerwaschenen, löchrigen T-Shirts in hohem Bogen, der sich hinter dem meines ehemaligen Druckers nicht zu verstecken brauchte, in den Sperrmüllcontainer, wo alles in dem Spalt zwischen zwei alten Sofas verschwand.
Aha.
Man fährt also seine alte Unterhose, die man nach EU-Recht nicht mehr in den Hausmüll werfen darf, 15 km mit dem Auto zum Recyclinghof, um dann dort gesagt zu bekommen, dass sie in den Müll gehört – aber Socken und Unterhosen eben in den Sperrmüll, weil sie Hausmüll dort ja nicht haben.
Ich bin begeistert.
Wie schön, dass wir in der EU sind und die für alles genaue und sinnvolle Vorschriften hat.
Aber wenigstens ist das Schicksal meiner Unterhose geklärt und publizistisch auch abgeschlossen, da klafft nun keine Informationslücke über deren Verbleib mehr.