„Bewerbung als Kommunikations- und Informationstechnikingenieur“
Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.
Ein Leser beklagt, dass bei ihm inzwischen wöchentlich solche Bewerbungen aus Syrien per E-Mail reinkommen, samt Bewerbungs-PDF (und fragt implizit danach, was das soll):
Betreff: Bewerbung als Kommunikations- und Informationstechnikingenieur
Sehr geehrte Damen und Herren,
Als begeisterter und engagierter Kommunikations- und Informationstechnikingenieur mit über 7 Jahren Erfahrung in der Verwaltung von Netzwerken und IT-Sicherheit möchte ich mich bei Ihnen vorstellen. Ich sehe in Ihrem Unternehmen eine ideale Gelegenheit, meine Fähigkeiten in einer internationalen und herausfordernden Umgebung in Deutschland einzusetzen.
Während meiner beruflichen Laufbahn habe ich umfangreiche Erfahrungen in der Planung, Verwaltung und Optimierung von Netzwerkinfrastrukturen, einschließlich LAN- und WAN-Netzwerken, gesammelt. Zu meinen Aufgaben gehörten die Einrichtung und Wartung von Routern, Switches und Firewalls sowie die Implementierung von Sicherheitslösungen wie Intrusion-Detection-Systemen (IDS) und Antivirensoftware. Durch proaktive Systemüberwachung und Problemlösung konnte ich Ausfallzeiten reduzieren und die Systemeffizienz nachhaltig steigern.
Zu meinen weiteren Fähigkeiten gehören:
- Netzwerksicherheit: Durchführung regelmäßiger Sicherheitsüberprüfungen und Schwachstellenbewertungen, um sensible Daten vor Cyberbedrohungen zu schützen.
- Kapazitätsplanung und Optimierung: Sicherstellung der Skalierbarkeit von Netzwerken zur Unterstützung zukünftiger Anforderungen.
- Technischer Support: Effektive Unterstützung von Endbenutzern durch schnelle Diagnose und Lösung technischer Probleme.
- Backup und Disaster Recovery: Entwicklung und Implementierung von Wiederherstellungsplänen zur Gewährleistung der Geschäftskontinuität in kritischen Situationen.
Auf persönlicher Ebene zeichne ich mich durch starke Kommunikationsfähigkeiten, eine lösungsorientierte Arbeitsweise und analytische Fähigkeiten zur Bewältigung komplexer Herausforderungen aus. Mein Engagement für kontinuierliches Lernen und die Anpassung an neue Technologien gewährleistet, dass ich stets auf dem neuesten Stand der Informationstechnologie bin.
Aktuell lebe ich in Syrien und arbeite intensiv daran, meine Deutschkenntnisse zu verbessern, um einen reibungslosen Übergang nach Deutschland zu gewährleisten. Ich bin mir der Anforderungen für ein deutsches Arbeitsvisum vollständig bewusst und bereit, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um einen schnellen und reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Gerne stelle ich mich und meine Fähigkeiten in einem Online-Interview vor, um meine Möglichkeiten und Motivation persönlich zu erläutern.
Ich strebe an, meine Tätigkeit bei Ihnen zum 1. April 2025 aufzunehmen, mit einer Gehaltserwartung von 35.000 Euro brutto pro Jahr.
Ich stehe gerne für weitere Informationen zur Verfügung und freue mich auf die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag zu Ihrem Unternehmen leisten zu können.
Mit freundlichen Grüßen,
[arabischer Name]
Weiß ich nicht.
Es mag wohl sein und ist sicherlich zu berücksichtigen, dass Bewerbungsschreiben in jedem Land irgendwie anders aussehen. Andere Länder, andere Sitten.
Aber bei diesem Text gehen bei mir dann schon eine ganze Reihe von Alarmlampen an.
Was mir zuerst auffällt: Viel zu geschliffen, zu glatt, zu viele Buzzwords, wie Bullshit-Bingo, zu anbiedernd. Hochkompakt verdichtetes „alles abgehakt“. Woher sollte ein Syrer, der nach eigenen Angaben noch in Syrien lebt, denn ein so geöltes Deutsch können? Entweder ist das KI (liest sich aber nicht so), oder das hat jemand geschrieben, der sehr gut Deutsch kann und Deutschland kennt, aber wenig Ahnung von der IT-Branche hat und irgendwelche Kursangebote oder Arbeitszeugnisse gegoogelt hat.
Was mir als Zweites auffällt: Da tut einer, als wäre er der Tausendsassa, und verlangt nur die Hälfte eines branchenüblichen Gehaltes. Als sei „billig“ eine weitere seiner Wunderfähigkeiten.
Was mir als Drittes auffällt: Das hat überhaupt keinen Bezug zum Empfänger. Das liest sich wie Spam.
Was mir als Viertes auffällt: Kein Anhang, kein Lebenslauf, keine bisherigen Tätigkeiten, keine Ausbildung, kein Ausbildungszeugnis, kein Arbeitszeugnis, einfach nichts. Der behauptet, dass er so viel kann, sagt aber mit keinem Wort, woher er das wissen und können will. Und: Alles nur als Überschrift angerissen, keinerlei Konkretisierung. Welche Firewalls, welche Hersteller kennt er? Die Formulierung „Während meiner beruflichen Laufbahn“ – was soll das sein? Was, wo, wie lange? 3 Wochen, 3 Monate, 3 Jahre?
Was mir als Fünftes auffällt: Kein Geburtsdatum, keine Anschrift, nur Name, Passfoto, als Ortsangabe eine Stadt in Syrien, und als einzige Kontaktadresse eine Pseudoemailadresse einer Personalvermittlung mit deutschem Namen und „Deutschland“ im Namen, aber getartner Domain, zwei Adressangaben in Syrien, eine in Damaskus und eine in der Stadt, aus der der Bewerber kommt, und seltsamerweise einer E-Mail-Adresse, die nicht auf ihre eigene Domain läuft, unter der man ihre Bewerber kontaktieren können soll. Deren Webseite ist nicht befüllt, aber scheint in Island registriert zu sein.
Nun kann ich zwar nicht völlig ausschließen, dass dahinter eine Personalagentur in Syrien steckt, die sich nach Kräften bemühen und ehrlich meinen, aber das mangels Sachkunde und Erfahrung nicht richtig hinbekommen.
Es ist im Bereich des Möglichen, dass das echt ist, und Bewerbungen in Syrien eben so laufen, und irgendwer mit Deutschkenntnissen und/oder Übersetzungs-KI das eingedeutscht hat.
Aber: Danach riecht es nicht. Mir ist auch nicht so wirklich klar, wie Syrer zu diesen Kenntnissen kommen. Ich weiß nicht, wieviel Netzwerktechnik es in Syrien gibt. Mir ist aber auch nicht klar, wie tief diese Kenntnisse gehen sollen.
Ich kann so nicht sagen, worauf das hinausläuft, aber wäre ich in der Konzernsicherheit, würde ich da sofort die Personalabteilung warnen (was ich in ähnlichen Fällen auch schon getan habe, und der Umstand, dass die mich meist nicht verstanden, zeigt, wie wichtig es war, sie zu warnen, weil sie es nicht selbst gemerkt hätten).
Das könnten zum Beispiel Schlepper sein, die auf diese Art ein Visum ergattern wollen.
Es könnten auch – ich weiß leider nicht, aus was für einem Unternehmen mir das zugesandt wurde – Spione sein. Russische, Chinesische, Syrische, weiß der Kuckuck. Vor 20 Jahren war es bekannt und wurde gewarnt, dass sich Chinesen als Billigkräfte bewerben, etwa als Reinigungskräfte, obwohl sie ein chinesisches Diplom in Informatik haben, und es wohl in erster Linie darum ging, für Spionagezwecke Zugang zu Räumen zu bekommen, am besten noch nachts.
Es kann auch sein, dass Migrationsaktivisten dahinterstecken.
Oder die Bundesregierung.
Ich weiß nicht, was dahinter steckt.
Ich rate zur Vorsicht.
Aber wer Lust auf Abenteuer – und vielleicht sogar Mitarbeiter, die fließend arabisch sprechen – hat, kann sich ja mal auf so eine Videokonferenz einlassen, und versuchen herauszufinden, was dahinter steckt. Und ob der angegebene Bewerber überhaupt existiert. Könnte mir vorstellen, dass das läuft wie bei Maklern: Also die ausgeschriebene Wohnung ist leider schon weg, aber wir hätten für Sie diese Superangebote …