Der grünsteinmeierige Präsidenten-Kanzler-Putsch
Nein, ich glaube nicht, dass das so geht.
Ein Leser:
Was, wenn Steinmeier sein Vorschlagsrecht auf unkonventionelle Weise nutzt?
Lieber Herr Danisch,
stellen wir uns einmal diese Konstallation vor:
– Der neue Bundestag konstituiert sich.
– Eine Einigung auf eine Koalition bleibt aus.
– Der Bundespräsident darf den Kanzler vorschlagen nach § 63 GG. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen wie dieses Vorschlagsrecht wahrzunehmen ist!
– Der Bundespräsident schlägt Robert Habeck vor.
– Nach einigem juristischen Hin und Her gilt Es findet “ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.” (§ 63 (4))
– Und weiter nach (§ 63 (4)) “Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.”
Und “Schwups” haben wir dann Habeck als Kanzler.
Und ein konstruktives Mißtrauensvotum kommt natürlich nicht zustande.
Und die Vertrauensfrage wird er niemal nicht stellen.
Viele Grüße
Ich glaube: Nein.
Unter den gegebenen Umständen jemanden aus der viertstärksten Partei und der abgewählten Ampel als Kanzler vorzuschlagen wäre selbst für die Verhältnisse eines Frank-Walter Steinmeier zu dreist und rechtsbrechend, dann könnte der Staat völlig einpacken.
Ich glaube auch nicht, dass dieses Vorschlagsrecht so zu verstehen ist, dass der Präsident – der ja selbst nicht oder nur so pseudodemokratisch legitimiert ist, weil er ja an sich auch nur zu grüßen, aber nichts zu melden hat. Roman Herzog sagte mal, als Verfassungsrichter habe er wenig geredet, aber viel entschieden. Als Bundespräsident halte er ständig Reden, aber habe nichts mehr zu sagen. Der hat sich auch und generell nach demokratischen Vorgaben zu richten. Und das sind die stärkste Partei und die Koalitionsmöglichkeit. Und kann nur jemanden vorschlagen, der auch eine Chance hat, gewählt zu werden.
Angenommen, die AfD hätte die meisten Stimmen und wäre stärkste Partei, aber alle anderen hätten mit der die Koalition ausgeschlossen und wollten zusammen koalieren, könnte es vielleicht vertretbar sein, den Kandidaten der zweitstärksten Partei vorzuschlagen. Aber nicht unter diesen Umständen, wie wir sie haben.
Aber schauen wir doch mal in Art. 63 GG, denn der sprichtwörtliche Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 63(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen. Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
Das ist an sich schon mehrdeutig und unklar. Denn es steht ja schon nicht da, dass der Bundespräsident nur einen Vorschlag machen kann. Er kann ja auch den Kanzlerkandidaten jeder Fraktion vorschlagen.
Denn Absatz 2 sagt ja auch nicht so ganz klar, dass es nur einen Kandidaten gibt. Das müsste anders formuliert werden, wie „Er ist gewählt, wenn … “. Erst in Absatz 3 wird dann doch klargestellt, dass es nur um einen Vorgeschlagenen geht. Hat das aber nicht geklappt, dann können offenbar auch andere Kandidaten in die Wahl genommen werden.
Angenommen, Steinmeier würde Habeck vorschlagen. Dann würde der im ersten Wahlgang tatsächlich zur Wahl stehen, aber wohl kaum die absolute Mehrheit bekommen, weil weder CDU/CSU noch AfD ihn wählen würden, und ohne die gibt es keine Mehrheit. Die Grünen und die Linken würden ihn vermutlich wählen, aber die SPD müsste schon sehr sehr taktisch und abgebrüht sein, um das mitzuspielen. Und dann bräuchte es noch Stimmen aus CDU/CSU oder AfD.
Im zweiten Wahlgang würde die CDU garantiert Merz aufstellen. Jetzt würde die AfD zwar aus Tradition den eigenen Kandidaten wählen, also Weidel, das wäre aber meines Erachtens ziemlich dumm, weil Stimmvergeudung. Klappt ja eh nicht. Sie wollen sich ja der CDU anbieten. Spätestens im dritten Wahlgang würde die AfD Merz wählen, sonst würden sie ja riskieren, dass sich SPD/Grüne/Linke Habeck wählen, und das will die AfD ganz sicher nicht.
Ich würde deshalb der AfD dringend anraten, gleich bei erster Gelegenheit Merz zu wählen, und zwar egal, was man von ihm halten mag.
Allein schon deshalb, um SPD und Grünen zu zeigen, wo der Hammer und die Mehrheiten hängen.
Und: Um Merz zu zwingen, sich mit Stimmen der AfD wählen zu lassen. Denn Grüne und Linke werden ihn ablehnen, also würde er mit Stimmen der AfD gewählt. Und das kann er so nicht, und dann sagen, ich will nochmal. Wenn er es nicht annimmt, ist er ganz raus.
Ich halte es deshalb für abwegig, dass Steinmeier Habeck vorschlägt und der dann auch noch gewählt wird. Obwohl ich in Deutschland inzwischen alles für möglich halte. Ich traue mich inzwischen nicht mehr zu sagen, was geht und was nicht geht. Deutschland ist das Land, in dem längst alles geht und nichts mehr funktioniert. Wäre Deutschland ein Mann, würde man sagen „zu allem fähig, zu nichts zu gebrauchen“.
Ich würde eher die Frage stellen, ob der Personenschutz es schafft, Merz bis zur Wahl am Leben zu halten. Den halte ich für ein primäres Anschlagsziel der Linken, und die formieren sich ja gerade neu zur RAF.
Ich habe das dringende Gefühl, dass da in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten noch Dinge passieren werden, wie man sich in einer Demokratie eigentlich nicht vorstellen kann. Ich wäre durchaus überrascht, wenn dieses Land das Jahr 2025 ohne schwere politische Erdbeben übersteht.