Ansichten eines Informatikers

„nur klassische postmoderne, pseudointellektuelle, effekthaschende Hässlichkeit“

Hadmut
22.3.2025 14:59

Ja, schon, aber …

Ja.

Keine Widerrede.

Zustimmung.

Aber:

Beim heutigen Niveau der Fotografie muss man schon dafür dankbar sein. Ich hatte ja schon erwähnt, dass diese Ausstellung nicht mein Geschmack ist, und ich mir diese Bilder (bis auf eines) auch nicht freiwillig aufhängen würde.

Es ist aber trotzdem ein Riesen-Unterschied, ob jemand etwas fotografiert, was einem persönlich geschmacklich nicht gefällt, man dabei aber sieht, dass da jemand ein Bild geplant und aufgebaut, geometrische Formen eingesetzt, auf die Farben und die Bildgeometrie geachtet hat, die Kamera auf ein Stativ gestellt, stundenlang daran gearbeitet hat, um dann etwas hässliches zu fotografieren, oder ob jemand von vornherein nicht fotografieren kann und einfach die Kamera/das Handy irgendwo hin hält und abdrückt ohne von Fotografie irgendeine Ahnung zu haben.

Das ist so ähnlich wie der Unterschied zwischen einem, der zwar ordentlich Auto fahren kann und damit in eine Scheiß-Landschaft fährt, aber immerhin fehlerfrei fahren kann, und einem der erst gar nicht fahren kann und das Auto ungesteuert irgendwohin rollt.

Oder wie in der Musik: Es ist ein Unterschied, ob jemand ein Instrument beherrscht, und damit etwas spielt, was ich als Musikstück scheußlich finde (was oft vorkommt), aber anerkennen muss, dass der das Instrument erlernt hat und beherrscht, oder ob jemand überhaupt nicht spielen kann und nur unkontrolliert versucht, Töne zu erzeugen, weil er es nie gelernt hat. Ich finde zum Beispiel klassische Musik überwiegend schauderhaft, vor allem der Gesang tut mir in den Ohren und den Nerven geradezu weh. (Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, die mir gefallen, aber es sind wenige.) Mir ist aber bewusst, dass diese Leute jahrelang, jahrzehntelang lernen und üben müssen, und zu den besten ihres Fachs gehören müssen, um dann mit ihrem Instrument oder ihrer Stimme so schreckliche Dinge anzustellen, die ich mir nicht freiwillig anhören würde – weil sie mir persönlich nicht gefallen, weil sie nicht mein Geschmack sind. Es ist aber etwas völlig anderes, wenn ich bei jemandem objektiv feststellen muss, dass jemand nicht spielen oder nicht singen kann, weil er es nie gelernt und nie geübt hat, keinen Ton trifft, keinen ordentlichen Ton erzeugen kann.

Ich habe es vielleicht immer noch etwas zu positiv hingestellt, weil ich auf den Kontrast hinauswollte, dass man sehr deutlich sieht, dass es Leute gibt, die zwar schlechten Geschmack und politischen Blödsinn im Kopf haben, aber handwerklich fotografieren können, und der großen Menge von Leuten, die einfach gar nichts mehr kann.

Allerdings sehe ich auch das Problem, dass das Zeitalter der „schönen“ Fotografie vorbei ist.

Früher gab es noch tolle Fotoausstellunge, in die viele Leute gegangen sind und sich die Bilder angesehen haben. Ich kann mich an einige Ausstellungen erinnern – Aktfotografie aus der Sammlung Uwe Scheid in Karlsruhe, normale Bilder in München – die nur Bilder zeigten, die vor etwa 1900 entstanden waren. Da gibt es richtig tolle Bilder. Das hat noch Arbeit gemacht, Geld gekostet, hat einen ein Tag in Beschlag genommen, da habe sich die Leute noch richtig Mühe gegeben. Heute wird nur noch das Handy hingehalten, Scheiße am laufenden Band produziert.

Einen sehr ähnlichen Effekt gibt es in der Aktfotografie: Die hatte schon mal ein Hoch beim Entstehen der Fotografie, vor etwa 1900. Alberne, neckische Pornos. Dann kam eine Zeit der Prüderie, wo man das in den USA hinter dem plakativen PinUp und bei den Nazis dann hinter „Lichtfreunde“ und ideologischem Körperkult versteckte und dazu lächerlich in Gruppen nackt umherhüpfte, was zu einer seltsamen speziellen Komik führte. Dann kamen die prüden 50er, wo man sich an ein paar steinzeitlichen Nylons und scheußlichen Miedern hochzog, und dann das Aufblühen in den 70ern, als man erst einmal lernte, moderne Kameras zu bedienen und sich schon an der Nackten als solcher zu erfreuen, ohne Posing, ohne alles, und dann kam es mit den 80ern und 90ern und den Hochglanzmagazinen zu einer Hochzeit, als die Ausstellungen voll waren, die Qualität ihre Spitze erreichte, ein jede sich für den Playboy ausziehen wollte, um wichtig zu sein.

Und heute: Alles voller Pornographie, Qualität 50-Euro-Webcam und Videokonferenz oder Handy-Aufnahme, keine Sau beachtet noch Aktfotografie.

Und: Alles muss heute Video, bewegt sein. Die Leute brauchen den Hirnschrittmacher.

Die Verfügbarkeit billiger, der Allgemeinheit zugänglicher und automatisierter, einfach zu bedienender Systeme vernichtet die Kompetenz, die Befähigung.

Ist übrigens bei Autos genauso. Bis in die Siebziger, Achtziger muss man noch richtig autofahren, einparken können. Heute machen das die Autos selbst, und die Leute verblöden.

Qualität wird durch Quantität ersetzt, sobald etwas dem allgemeinen Volk zugänglich wird.